Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1870

DOI Kapitel:
Nr.26-39 (1.März - 31.März)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43885#0148

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
. 1 ~

wegen überreichen Kindersegens loyal sein mu ß, um als braves|

Kind seinen bösen Kindern Brod liefern zu können. Daß der Herr
Nichts verſteht von der Lehre, daß ein Concil keine gewöhnliche
Ständekammer sei, in welcher es sich darum handelt, daß der Ein-
htl ho ſeltſamſten Ansichten durchbringt, das wollen wir ihm nicht
verübeln.

Die abgeſchmackteſte Behauptung iſt dann noch diese: vom
collegium germanicum gingen die Fäden aus,, an welchen nur
gezogen werden dürfe, um das Ganze in Bewegung zu setzen. Ein
großes Lob iſt den deutſchen Biſchöfen gezollt worden; Hr. v. Kette-
ler, einer der hervorragendſten deutſchen Biſchöfe, wohnt im colle-
gium germanicum. Derselbe gehört zur Opposition und doch darf
man dort nur ziehen, um Alles zu erreichen! Hätten Sie, Hr. Stadt-
pfarrer, vorher doch. das Lexicon aufgeschlagen und sich eine Ueber-
setzung der Worte ,deutſches Colleg“ verschafft, dann wären Sie
etwas vorsichtiger mit dieser Behauptung gewesen.

Sie verstehen, Hr. Pfarrer, das Geschäft eines Kaufmannes,
indem Sie Gewicht und Maas gut taxiren können. Ihr Scharfsinn
ſagt Ihnen, daß ein deutſcher Gelehrter 10 italienische und spanische
Biſchöfe aufwiege. Wir wollen nicht sagen, daß Sie Ihren Beruf
verfehlt haben, aher doch wären Sie für ein Geschäft, in welchem
es auf Saütoti von Maas und Gewicht ankommt, nicht ungeeig-
net geweſen.

Noch etwas macht ihnen Leibſchmerzen, Hr. Pfarrer, und das
iſt die veränderte Geschäftsoronung beim Concil. Sie bezeichnen
dieſe Aendernng als einen Staatsstreich. Wir müsſſen aber noch hin-
zufügen, daß nach Ihrer Behauptung schon bei der früheren Ge-
ſchäftsordnung von Freiheit der Discussion so viel als gar nicht die
Rede sein konnte und jett noch viel weniger. Auf diese Behauptun-
gen bemerken wir Ihnen, daß Sie hier die Unwahrheit gesagt haben.
Was die veränderte Geschäftsordnung betrifft, ſo möchten wir Ihnen
empfehlen, daß Sie sich bei der nächsten Zollparlamentswahl als
Abgeordneter in einem ganz protestantiſchen Bezirke melden –
damit Sie nicht durchfallen –] um in andern größeren Verſamm-
lungen zu lernen, daß nicht alle Redner, die sich für und gegen
eine Sache melden, zu Worte kommen, sondern nur ein Theil.
Das Streben, das diesen Ihren Worten zu Grunde liegt, ist offenbar
böswillige Verdächtigung.

Jhre Herzenswünſche offenbaren Sie schön, wenn Sie fragen:
Werden die Biſchöfe es auf ein Schisma ankommen lassen ? Sie
antworten Nein, Sie werden knurrend nach Hauſe gehen. Alo die
gelehrten, gebildeten Biſchöfe werden gegen Ihre Üeberzeugung et-
was hinnehmen und mit Widerwillen die Vollsſtreckungsbeamten
ſpielen! Diese beiden sich widerſprechenden Sachen zuſammen zu
reimen, iſt für Sie eine Kleinigkeit; für andere Leute eine Unmög-
lichkeit.

Einen Satz wollen wir nur auch anführen, bevor wir Sie in
Frieden ſcheiden laſſen. Es gibt eine göttliche Weltordnung und
„Gott straft Diejenigen, welche er vernichten will, mit Wahnsinn.“
Sie wollen also die Biſchöfe, für den Fall das Dogma der JInfalli-
bilität erklärt würde, mit Wahnſinn behaftet darſtelen und hegen
die glückſelige Hoſfnung, daß das der Ruin der katholiſchen Kirche
sein werde. Wiegen Sie sich ein in dieſe ſüße Hoffnung, wir wer-
den Sie nicht ſtören. Doch eine neugierige Frage noch : War Dr.
Nippold Ihr Freund ? Er iſt uns gerade bei dieſer Gelegenheit
eingefallen.

q Wir ſcheiden von Jhnen und ſtellen Ihnen Ihren Collegen
Hrn. Pfarrer Schellenberg zur Nachahmung vor. Sehen Sie, der
blieb im eigenen Hauſe und ſagte : die jeſuitiſche Partei im Prote-
ſtantismus ſpuckt auch; auch diese muß mit Stumpf und Stiel aus-
gerottet werden. Das wäre ein Thema für die folgende Vorleſung,
und seien Sie überzeugt von unſerer Seite wird keine Entgegnung
kommen, weil uns, freilich aus ganz anderen Gründen, die Aus-
rottung der sog. Jeſuitenpartei im Protestantismus zu langsam geht.
Unter der Glanzperiode Schenkels war's uns viel lieber.

++ In Sachen der Communalſchule zu Kehl.

Obschon, wie unsere Uebersſchrift ſchon andeutet, die Frage zu-
nächſt localer Natur iſt, ſo treten wir mit ihr doch vor ein größeres
Publicum, weil sie von den Liberalen bereits zum Loſungswort ge-
macht worden iſt. Diese edle Ritterschaft wird dem kath. gläubigen
Volke nimmermehr Ruhe lasſen, so lange sie ſich der Macht erfreut.

Bald da, bald dort muß es vexirt werden, das iſt ihre Taktik. Jett

tritt man. da in einer Gemeinde, dann dort in einer andern mit der
Communalſchule hervor, um einem gutmüthigen Publikum weiß zu
machen, daß die Communalſchule ein „allerwärts längst und tief ge-
fühltes Bedürfniß sei. Daß die Sache hinter den Coulissen der
chriſtfeindlichen Loge abgekartet ist, das verſchweigen edlen Sinnes
die „wahrhaftigen Brüder". Damit wollen wir nuun freilich nicht
sagen, daß alle Männer , welche der Communalſchule gewogen ſein
mögen, ſich dieſes innern Zuſammenhangs bewußt sind: es gibt eben
auch Manche, die in Unschuld mitlaufen, weil sie zwar die Trag-
weite der Veränderung nicht verſtehen, aber doch hinter der Bildung
uss Ighthzrvtrtt nicht zurückbleiben wollen. – Andere auch wer-
en getrieben.



_ Hiemit machen wir jedoch gar keine unerlaubte Anſpielung,
als ob wir die erſte Abſtimmung zu Kehl im Auge hätten, als der
Hr. Oberzollinſpector mit dem Grenzperſonal zum Rathhaus aufmar-

ſchirte. „Jett kommen wir“, soll es dort geheißen haben, und das

zeugt von Selbſtſtändigkeie.

Bereits zum zweitenmal hat der „Kehler Grenzbote“ in Nr. 33
das Ausschreiben des dasigen Gemeinderaths gebracht; denn in eini-
gen Tagen ſollen in Stadt Kehl neuerdings die Würfel fallen; confeſſio-
nelle oder gemischte Schule ? Es iſt ungefähr ein Jahr, als zum
erſtenmal hierüber abgeſtimmt wurde. Der Ueberzeugung der Mehr-
heit der Katholiken blieb damals der Sieg, die Communalſchule fiel
durch. Doch die Armen ſollten sich ihres Sieges nicht freuen, denn
man brachte hintennach heraus, daß die Abſtimmung darin einen

[wesentlichen Fehler hätte, weil die Katholiken von Dorf Kehl und

Sundheim, welche als Filialiſten nach Stadt Kehl eingepfarrt sind
und in die dortige kath. Schule ihre Kinder ſchicken, auch ihre Stimme
abgegehen hätten. Frage: waren diese Katholiken nicht auf der Liſte?
und wenn sie es nicht gewesen wären, warum ließ man sie abſtim-
men und wies sie nicht zurück? Genug, hintennach, nämlich nach
der Wahl, fand man, daß diese Katholiken nicht hergehört hätten,
man focht die Abſtimmung an und ein bezirksräthliches Urtheil caſ-
ſirte ſie. — Und hier wiederholen wir und halten aufrecht trotz den
Schlangenwindungen und versuchten Sophistereien unſeres Gegners
im Grenzboten, daß man weder den Betheiligten, noch dem kathol.
Pfarramt zu Kehl die bezirksräthliche Caſſation eröffnet hat, was in
einer ſo wichtigen Sache wundersſam iſt. Erſt die neuangeregte Ab-
ſtimmung, also nach faſt einem Jahre, ließ, da man ſich billig ver-
wunderte, den Pfarrverweser zufällig, nicht officiell das Loos der
erſten Abstimmung erfahren.

Alsbald erſchien auch ein Ritter von ernsthafter Miene auf
zeitungsſchreiberlichem Kampfplaze, um eine Lanze oder mehrere für
die Communalſchule zu brechen. Er wurde auch von Helfern ſsecun-
dirt, wenn uns die „Zeichen“ nicht trügen. Wir waren immer ge-
neigt, die verſchieden gezeichneten Gegner in der Einzahl anzureden :
„Gutester, deine Sprache verräth dich!“ Doch wäre das kein
Schimpf, sondern nur ein Zeichen eines beugſamen Geiſtes, etwas
weniger als Proteus. Der ehrenwerthe Gentleman forderte muthig
die Gegner der Communalſchule heraus = vielleicht glaubte er
nicht, daß i h m Jemand zu widerſprechen wagte ~ doch wir hoben
den Handſchuh auf, wir antworteten ihm ſo maßvoll, als er es in
der That nicht verdient hat. Unsere „Entgegnung“ erſchien in fünf
Artikeln im Grenzboten, wir legten ruhig, wie jeder Leſer des Grenz-
boten bekennen muß, die Hohlheit der gegneriſchen Behauptungen dar.
Unser Glück war, daß wir mit dem ſechſten Artikel, welcher die
Thatſachen und Rechtsgründe bezüglich der erſten Abſtimmung auf
einen erneuten Angriff des Ritters präciſer vorführte, in den In-
ſeratentheil kamen, angeblich weil wir perſönlich geworden jeien.
Nun, man muß doch eine Ausrede haben, wenn man Jemanden
nicht mehr hören will. Das war der Anfang vom Ende, unſer Rit-
ter hinter dem Strauche des Grenzboten konute jetzt nach Muße für
ſeine Communalſchule ſudeln und uns beschimpfen ~ uns blieben
die Spalten verſchloſſen. Freilich ſo behält man das letzte Wort
gegen den Gegner! +

In seinem erſten Artikel wollte unser Ritter nicht etwa blos
die Zuläsſigkeit der Communalſschule unter beſondern Verhältnissen,

| sondern vielmehr ihre „Mothwend igke it,“ nnd zwar im „Alge-

meinen“ beweiſen. Wir wollen nun nicht unsere im Grenzboten

.erſchienene. Widerleguug- repetiren; für die Leſcr des Pfälzer Boten
'iſt das ganz überflüſſig,, wenn. wir nur; die Hauptſäße unſeres Wi-

derparts hierher ſeßen. Lache aber kein Verſtändiger, und unſer
Gentleman beklage sich nicht, ſagend, wir riſſen ihn aus dem Zu-
sammenhang ; denn in ſeinen Gedanken ist leider kein Zuſammen-
hang. Er folgert die Nothwendigkeit der Communalſschule aus der
allgemeinen „Schulpflicht“ ~ wie in den modernen „Staaten“ über-
haupt (was der Tauſend!) ,so auch in Baden“ — und daraus,
„daß der Aufwand für die Volksſchulen in Ermangelung eigener
Mittel dem Staate und beziehungsweiſe der Gemeinde obliegt.“ Die
Schule, sagt er wörtlich, kann in einem paritätiſchen Staate, in der
paritätiſchen Gemeinde, ohne die Gerechtigkeit über Bord zu werfen,
unmöglich einen confeſſionellen Charakter haben (von ihm ſelbſt un-
terſtrichen ). Das Beibehalten der confeſſionelen Schule nennt er
„Bevorzugung !" ~– Mit diesen Phraſen hat er seinen „Rechtsſtand-
punkt“ gekennzeichnet. Ö
Weiter kommt er „im Algemeinen“ auf die Toleranz ; er will
zwar nicht, daß die Schule ,„religionslos“, sondern nur ,confesſions-
los“ sei. „Der Religionsunterricht muß sein ab g egre nzt e s Ge-
biet haben, er muß in den dafür festgesetzten Stunden gelehrt, und
darf nicht, in alle andern Unterrichtsgegenſtände hinein geſchmuggelt
werden.“ Den Lehrern weiß er Dank, „welche ſich auf die Höhe
der öffentl. Meinung unserer Zeit zu ſtellen vermochten und ihre hl.
Aufgabe, durch Au fklärung für die Freiheit des Volk es

zu arbeiten (von ihm. unterſtrichen) verſtanden haben.“ Alsdann

erſcheint in seiner Declamation die geiſtige Gefangenſchaft th Leib-
eigenschaft jener finſtern Macht, welche mit allen möglichen Mitteln
dahinſtrebt, die allgemeine Volksbildung zu hemmen, den Geiſt der
Nation zu verdüſtern , in. den Familien Unfrieden und Mißtrauen
 
Annotationen