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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1870

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Nr.160-172 (1.November - 29.November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43885#0536

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es. bei der Entſcheidung ſelbſt, sei es bei der Veröffentlichung der
Concilsbeschlüſſe und insbesondere des Dogma’s von der Unfehl-
barkeit des Papſtes, etwas zur vollen Gültigkeit und zur pollen
Auctorität des ökumeniſchen Concils gemangelt. Jn der That kön-
nen sie bei dieſem hochheiligen ökumeniſchen Concil den die Unfehl-
barkeit der Entſcheidung sichernden Beistand des heiligen Geiſtes
nur auf solche Grundſäße hin ableugnen, durch welche überhaupt
der übernatürlichen Unfehlbarkeit und mithin einer wesentlichen
Eigenschaft der Kirche der Krieg erklärt wird. Niemand kann es
entgehen, daß mit ähnlichen Vorwänden auch die Entſcheidung an-
derer Concilien von Denjenigen, deren Irrthümer verdammt worden
waren , bekämpft zu werden pflegten, wie die weltbekannten Verleum-
dungen beweiſen, mit welchen sowohl in früheren Zeiten audere
allgemeine Kirchen- Versammlungen , als insbesondere das Florenti-
niſche und das Trienter Concil von den neuern Schismatikern und
Jrrlehrern zu ihrem Verderben und zum geiſtlichen Schaden Unzäh-
liger bekämpft worden sind.

Wie könuten Wir eine ſo große Verirrung entarteter Söhne
und so viele Gefahren, in welche sie Unvorsichtige und Unerfahrene,
vorzüglich aber die yarmloſe Jugend hineinziehen, ohne den tiefsten
Schmerz Unseres Herzens und ohne bittere Thränen ansehen ? Den
Schooß ihrer Mutter der Kirche, von welcher sie gehegt und ge-
nährt worden ſind, zerfleiſchen sie mit gottloſer Hand ; die heilſame
Nahrung, die von ihr bereitet worden, tauſchen ſie um gegen Gift,
und die Wissenschaft, mit welcher sie Andere belehren solten zum
Heile, wenden sie, von Stolz aufgebläht, zu ihrem eigenen und An-
derer Verderben. Jn dieſer Gefahr des Glauben und der mit dem
Blute Chriſti erkauften Seele alſo ermahnen und beschwören Wir
gemäß der Sorge für alle Kirchen, die Uns obliegt, deinen Eifer,
ehrwürdiger Bruder, und deine Liebe zur Braut Jeſu Chriſti, der
katholischen Kirche, daß du mit den übrigen Biſchöſen Deutſchlands
in Einheit des Geistes, in gemeinschafilicher Berathung und mit al-
ler Kraft ſowohl durch eure eigene oberhirtliche Auctorität, Fürsorge
und Belehrnng, wie durch andere aus euern Gehilfen, deren Glau-

bensreinheit und Gelehrſamteit euch bekannt iſt, von den Herzen] >

aller eurer Sorgfalt anvertrauten Gläubigen und besonders der ka-
tholiſchen Jünglinge, die in den Schulen herangebildet werden, die
Gefahren der Erſchütterung des katholiſchen Glaubens fernhaltet und
ſo viel ihr mit der göttlichen Gnade vermöget, mit [dem Gehorſam
und der Liebe gegen ihre heilige Mutter, die Kirche, und den hei-
ligen Petrus, auf welchen Chriſtus unſer Erlöſer, dieſe ſeine Kirche
gegründet hat, zu durchdringen und darin zu befeſtigen euch bemüht.
Weil nun aber weder der, ſo pflanzt, etwas iſt, noch der, ſo begießt,
ſondern der, welcher das Wachsthum gibt, Gott: so laſſet Uns
Tag und Nacht unſere Händen zu Gott, von dem Uns Hilfe kom-
men wird, erheben ; laßt uns die Fürſprache der unbefleckten Jung-
frau und Gottesmutter, des Apoſtelfürſten Petrus und ſeines Mit-
apoſtels Paulus und der andern Heiligen der triumphirenden Kirche
auflehen, auf daß der Herr auf seine auf Erden unter ſo großen
Mühen und so großen Gefahren käinpfende Kirche gnädig herab-
ſchaue, sie beſchirme und mit seinen yuumliſchen Gaben bereichere
und verherrliche; ſo daß diejenigen, die im Glauben feſtſtehen, be-
feſtigt werden und weiter wachsen in der Liebe, die abgebrochenen
Aeſte aber wieder eingeſett werden, und dergeſtalt Alle in der einen,
heiligen, apoſstoliſchen, römiſchen Kirche zu Gott gelangen und in
Gott den Frieden und das ewige Heil finden. Damit Gott dieſe
Frucht der oberhirtlicen Mühe und Wachſamteit in reichſter Fülle
der dir anvertrauten Heerde verleihe, ertheilen Wir Dir, ehrwürdi-
ger Bruder, und allen deiner Sorge übergebenen Gläubigen, als
Vorboten der göttlichen Gnade und als Unterpfand Unseres vor-
züglichen Wohlwollens gegen dich, mit der ganzen Liebe Unseres
Herzens den Apoſtoliſchen Segen.
Gegeben zu Rom bei St. Peter am 28. October 1870.
Im fünſundzwanzigſten Jahre Unseres Pontificats.
m. p. Pius IX. Papſt.





G. C. Nachrichten von der katholiſchen Bewegung.

Von verſchiedener Seiten wird uns folgende Frage gestellt:
Sollen die Katholiken im JIntereſſe der Kirche an ihre betreffenden
Regierungen Petitionen zu Gunsten des hl. Vaters und Proteſte ge-
gen die Beſezung Roms richten, oder ſollen sie sich damit begnügen,
Pius IX. in Adreſſen ihrer Treue und Ergevenheit zu versichern ?
~ Cines wie das andere iſt unerläßlich. Zeichen inniger und kind-
licher Frömmigkeit sind in dieſen traurigen Zeiten die Adressen als
ein ſüßer Troſt für das liebevolle Herz Pius IX. Was jedoch die
Petitionen und Protestationen anbelangt, so ſind sie die Ausübung
eines heiligen Rechtes und die Erfüllung einer ſtreng erheiſchten

flicht.
ß In der That, genügt es denn, um des Namens ,Chriſt“ wür-
dig zu sein, in aller Verborgenheit die Pflichten zu erfüllen, welche
uns die Religion auferlegt? Muß man nicht vielmehr verſtehen,
wenn die Umſtände es erheiſchen, ſich offen Katholik zu nennen ge-
gegenüber jenen Regierungen, die ſich als atheiſtiſch bekennen ? Weil
es den Regierungen Europa's gefällig iſt die Fahne religiöſer Jn-



differenz aufzupflanzen, folgt daraus für uns Katholiken, daß wir,
ohne ein Wort zu verlieren, unsere heiligſten Gefühle mit Füßen
treten laſſcn müſſen? Schweigen, während in unſeren Herzen die
warnende Stimme des Gewiſſens ertönt, das hieße seine Pflicht ver-
läugnen. Mögen unsere Feinde uns zum Beispiel dienen. Werden
in irgend einem Winkel der Walachei einige Iſraelilen mißhandelt,
alsbald ertönt in allen Ländern Europa's ein Schmerzensschrei son-
der gleichen. Der Telegraph hat nicht genug Drähte um die be-
weinenswerthe Nachricht zu verbreiten. Die Preſſe droht, die Di-
plomatie geräth in Aufruhr, die Ministerien wechſeln Note um Note,
und alsbald wird den Kindern Jſraels durch eine bedeutende Ent-
ſchädigung vollkommener Troſt zu Theile. t.

Handelt es ſich jedoch um uns, um unſere gekränkten Rechte,
um unſer entriſſenes Cigenthum, um unsere dahingeſchlachteten Kin-
der, dann ſchweigt Ales! England, ſsonſt so eiferſüchtig, die dem
kleinſten seiner Kinder widerfahrene Unbill zu rächen, wendet den
Blick verächtlich zur Seite, wenn dieses Kind einer entarteten Mut-
ter die Uniform eines päpſtlichen Zuaven trägt. Wer gedenkt hier
nicht der Besezung der Romagna, Eroberung Umbriens und endlich
des Einmarſches der italieniſchen Truppen in Rom, würdige Krö-
nung ſo vieler nichtswürdiger Thaten! Noch bleichen die Gebeine
unserer Söhne, unserer Brüder auf den Gefilden von Caſtelfidardo
und Monterotondo, aber wo bleibt der Rächer? Aber möge die
ganze Welt uns verlassen, wir ſelbſt wollen uns nicht aufgeben.
Kein treuloſer Minister soll seinem Herrn die Lüge aufbürden kön-
nen, wir Katholiken seien die erſten, auf unsere Rechte Veczicht zu
leiſten. Kein christlicher, aber zaghafter Monarch soll den Katholi-
ken vorwerfen können, sie hätten ihm nicht die Gelegenheit geboten,
zu Gunsten Rom'’s zu interveniren. Petitioniren, proteſtiren wir
ohne Unterlaß. Ermüden wir die Geduld der Regierungen, ſeien
wir eine Stütze gegen ſsich ſelbſt für Jene, die nur ſchwach ſind, seien
wir ein lästiges Hinterniß für jene, die uns feindlich gesinnt sind
und bald werden Alle mit uns rechnen müssen.

Deutſchland.

* Heidelberg, 9. Nov. Der Waffenſtillſtand war von vorne-
herein unmöglich, + dies einzusehen, bedurfte es nur geringer Ueber-
legung. Ohne Verproviantirung konnte Paris unmöglich 30.4 Wo-
chen Waffenruhe annehmen, denn in der Zwiſchenzeit wären alle
Vorräthe zu Ende gegangen und die Uebergabe hätte alſo gleichwohl
nach Ablauf jenes Termines erfolgen müſſen. Es war also ganz
natürlich und ſelbsſtverſtändlich, daß die Pariſer als erſte Bedingung
des Waffenstilſſtandes die Verproviantirung ihrer Stadt verlangen
mußten. Andrerſeits aber war es im deutſchen Hauptquartier un-
möglich, auf dieſe Forderung einzugehen, die General v. Moltke vom
militäriſchen Standpunkte aus sofort auf's Entſchiedenſte bekämpfte.
Die deutſche Armee verlangt die möglichſt raſche Beendigung des
Krieges und nachdem sie mit Schmerz darauf verzichtet, den Weih-
nachtsbaum in der Heimath anzuzünden, will sie wenigstens die
Oſtereier daheim verzehren, sie kann also nicht geſtatten, daß die
Kriegsdauer durch Verproviantirung von Paris noch um mehrere
Wochen länger hinausgezogen werde. Bei dieſem Anlaß ſstanden
sich zwei entgegenstehende Ansichten offenbar gegenüber: die Geduld
des Soldaten, die sich erſchöpft zeigt und mit der Einnahme von
Paris ~ ob mit Recht oder Unrecht iſt noch nicht zu bemeſſen
das Ende des Krieges gekommen geglaubt, und die Umsicht des Di-
plomaten , der lieber eine Verzögerung der kriegeriſchen Operationen
hinnehmen will, wenn nur dadurch eine neue aus der Volksvertre-
tung hervorgegangene geordnete Regierung in Feindesland geschaffen
wird, mit der man den Frieden zu ſchließen im Stande iſt. Dem
Grafen Bismarck lag außerordentlich viel daran, den Waffenſtillſtand
jetzt zu Stande kommen zu sehen und er war daher zugänglicher
und zu Zugeständnissen geneigter, als zuvor Jules Favre gegenüber.
Mit Recht fürchtet der Bundeskanzler, daß ohne die Einberufung
der Conſtituante der Krieg erſt dann beendet iſt, wenn man Frank-
reich bis zum letzten Dorfe an der italieniſchen und spaniſchen Gränze
erobert hat, worauf einer höchſt ſchwierigen und erbitterten Bevölke-
rung gegenüber eine Occupation von nicht abſehbarer Dauer ein-
treten müßte, die Deutſchlauds Kräfte leicht überſteigen könnte. Bis-
marck hat daher sogar das Zugeſtändniß gemacht, daß die Wahlen
in die constituirende Verſammlung ſtattfinden dürften, auch wenn
die Feindseligkeiten ihren ungehinderten Fortgang nähmen. Mit
w e m den Frieden abſchließen, iſt jezt eine der ſchwierigſten Fragen,
die seit der Gefangennahme Napoleons die deutſchen Staatsmänner
beſchäftigt, namentlich wenn die Anarchie noch weitere Fortſchritte
in Frankreich machen ſollte, als es ſchon der Fall iſt und das un-
entwirrbare Chaos über das unglückliche Land hereinbricht. Dage-
gen hat Bismarck von der Verwerfung ſeiner Waffenſtillſtandsbe-
dingungen durch die pariſer Regierung den Vortheil gehabt, daß er
die ihm unbequeme Vermittelung anderer Mächte, insbesondere Eng-
lands, losgeworden iſt und mit Hinweis auf seine gemäßigte Haltung
und deren Nichtanerkennung durch die Franzoſen fernere derartige
Bemühungen anderer Großmächte von vorneherein zum Schweigen
zu bringen vemage..
 
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