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der Staat Alles zurückgeben, was der Kirche gehört –~ namentlich
das Vermögen an Kapitalien und Immobilien. Für die Dotation
der Bisthümer, der kirchlichen Institute und zur Unterhaltung des
Clerus, muß er die pflichtſchuldigen, versprochenen und hinlänglichen
Fonds an die Kirche zu deren freier Verwaltung abgeben.
Die große Frage , welche die B. C. stellt, wem das reiche
„vom Staate Baden mit so großer und langer Sorgfalt verwaltete
„Vermögen der Kirche zufällt“? iſt einfach dahin zu lösen, daß
es jedenfalls den Staat wenig angeht, und er so wenig ein Recht
hat es zu annexiren, als der Vormünder das Vermögen ſeines
Mündels stehlen darf. Der Vormünder hat höchſtens das Recht
sich für die Verwaltung des Vermögens eine Bezahlung zu fordern;
dieſe Bezahlung hat der badiſche Staat für seine Verwaltung ſchon
lange; denn mit jeder revidirten Rechnung kommt auch gleich der
Koſtenzettel, der umgehend berichtigt werden muß.
Der Ariikelſchreiber der B. C. gesteht übrigens selbſt zu, daß
der Staat kein Recht hat das Kirchenvermögen zu annexiren. „Es
erſchiene im höchſten Maße unbillig, wollte der Staat das zur Be-
ſtreitung kirchlicher Bedürfniſſe vorhandene Vermögen wegnehmen
und den Genossen kirchlicher Vereine überlaſſen, aus Privatmitteln
den Gottesdienſt und die Gläubigen zu unterhalien.“ Dieses Zu-
geſtändniß hat uns herzlich gefreun und wir nehmen bereitwillig
Notiz davon, obſchon wir statt „unbillig“ lieber den Ausdruck „un-
g er echt“ geleſen hatten. Doch sind wir im Hinblicke auf manche
neuäraiſche Beſcheerungen mit der Undilligkeit zufrieden.
„Daß in Folge der Trennung alles (ſtaatliche) Concordatsrecht,
Pfründe und Stifiungsrecht aufhören wird", wie die B. C. meint,
kann uns nur erwünſcht sein; denn unter dem Krummſtab iſt beſſer
leben, als unter der Knuie. „Daß jeder Resſit des canon. Rechts,
die freie Collatur des Biſchoſs aufhören und das Wahlrecht der
Gemeinden an ſeine Stelle treten und das Eigenthumsrecht über
das Kirchenvermögen eingeräumt werden müsſſe“ – das kann nur
Einer behaupten, der von den kirchl. Berhältniſſen wahrhaft freier
Staaten nichts versteht. Die Zuſtände Amerika's beſagen das Gegen-
theil, und der Staat hat sich überhaupt nicht in Verfaſſung und
Regierung der Kirche einzumiſchen. „Daß in Folge der Trennung
die Herren Biſchöfe und ihre Gehülfen die Pfarrer und Vicare
nicht mehr Be amt e, sondern nur Privatleute und Diener der
Kirchen sein würden“, darum ſcheeren wir uns gar nicht. Daß ein
kathol. Geiſtlicher oder Biſchof auch ohne Staatstitel in Ehre
und Ansehen ſtehen kann, beweist die wiederholte Sendung des
frühern Erzbiſchofs von Neuyork an die europäiſchen Höfe als Ge-
sandter. Den Titel „Beamter überlaſſen wir den Büreaukraten und
ihren Leibtrabanten und den dekehrten und wieder zu Gnaden auf-
genommenen „Offenburgern.“ Sol der Titel „Beamter“ vieleicht
ein Köder sein, um schwache hoſmänniſche Seelen unter der Cleriſei
damit zu angeln ? „Das Aussſtoßen vou Schmerzensſchreien über
die erfolgte Trennung“ überlassen wir getroſten Viuthes Denen, die
vor dieser Trennuug Mores haben und dazu recyneu wir alle
Büreaumenſchen und Schreiverſeelene. Wir ſind der feſten Ansicht,
daß dieſe viel eher in die Lärmtrompete stoßen würden als die
kathol. Geiſtlichen; denn womit wollten sie sich auf dem Landtag
nnd in ihren Canzleien die Zeit vertreiben, wenn ſie nicht mehr
in kirchlichen Dingen machen könnten, und mit was ſjollie das
große Heer der „Staatsveamten“ beſchäftigt werden, wenn die Kirche
einmal ielbſt ihre Angelegenheiten frei und seibſtändig verwaltete ?
In dieſem letzteren Punkte glauben wir den Pferdeſuß entdeckt zu
haben. Evendeßhalb laſſen wir uns durch die B. C. nicht bange
machen.
Dies iſt die Ansicht des „Pfälzer Boten“ über die Bedingun-
oder das Wie die Trennung zwiſchen Kirche und Staat vollzogen
werden kaun, wird und muß, wenn es Ruhe und Frieden im Lande
geben Joll.
Die National-Liberalen.
In den , Heſſiſchen Voltsblättern“ liest man: „Für Ge-
ſchichtsſchreiber künftiger Tage wird nichts ſchwieriger sein, als das
Auftreten der National-Liberalen in unserer Zeit in hiſtoriſchen
und ursächlichen Zuſammenhang zu bringen. In den Jahren 1863
bis 1865 wollten sie für Schleswig-Holstein auf geseyliche und un-
gesetzliche Weise sterben, verdammten die Bismarck'ſche Annexionspo-
litik in die tiesſte Hölle + in 1866 jubelten sie den Preußen zu,
die die ,beſsreiten“ Lande annexirten; in 1863-1866 verweiger-
ien sie dem Ministerium Bismarck das Budget und verwarfen den
Krieg gegen Desterreich + im Herbſt 1866 gaben ſie JIndemnität
für alles Geschehene und rühmten sich des „glorreichen“ Kampfes
für ,„deutſches Recht“, als ob sie in den vorderſten Reihen gefoch-
ten ; im Frühjahr 1867 erklären sie mit Emphaſe, ein Reichstag
ohne Diäten sei unmöglich, wenige Tage später ſtimmten ſie für
Diätenlosigkeit; 1869 verlangen sie verantwortliche Bundesminiſter,
1870 Auskunft über deutſche Politik ; sie werden beschieden, daß
sie Das nicht verſtänden, und beruhigen ſich.
Sie erklären endlich die Todesſtrafe für moraliſch und rechtlich
unhaltbar ++ im März ; und nehmen ſie an + im Mai.
Wie sollen ſich unſere Nachkommen Das zuſammenreimen, wäh-
rend es uns unverständlich ist, die es mit Augen gesehen und mit
Ohren gehört? Und wie werden ſie dieſe Widersprüche anders er-
klären, als dadurch, das ein ganz . .. .. .. Geschlecht zu unse-
rer Zeit eriſtirt haben müsse. :
Die Thaten der Männer auf gewaltſamem Wege, die Kraft von
Blut und Eisen bewieſen, werden . . .. , . . . verherrlicht und
soweit möglich auf Rechnung der . . . . . . . Nationalvereinsgrö-
ßen zu setzen verſucht; der Abfall von den Principien unter den
ſchönsten Cuphemismen: Strammheit, Einheit 2c. 2c. (auch für den
Abfall zu einem fremden Sieger würde ein nationalliberaler Pro-
feſſor eine mundgerechte Formel finden) gegen eigene Ueberzeugung
mit dem Blendwerk, daß etwas „zu Stande kommen müſſe, beſchö-
nigt, die Dementis der Machthaber mit . . . . . Dank hingenom-
men. Ein gerichtlicher Spruch dagegen, der ein Mitglied der Par-
tei des Ehr- und Ehrenwortbruches überführt erkennt, wird unbe-
zu — unter dieſer Partei bringt dergleichen jetzt keinen
achtheil mehr.“
Süddeutſchland.
“* Heidelberg, 14. Juni. Die Feinde Defterreichs ſchreien
Wehe über die Verbindung, welche sich zwiſchen den Polen und
Desterreich's Staatsmännern anbahnt. Sie nehmen es OÖebetterreich
übel, daß dieses den Polen gegenüber wieder in die Bahn einzu-
lenten sich beſtrebt, welche es zu seinem ſchwerſten Rachtheile nur
allzu lange verlaſſen hatte: die Theilung und Knechtung Polens
war der erſte Schriti zur Demüthigung Deſterreichs, das Zugeſtänd-
niß zur Zerreißung des unglücklichen Landes die ſschwerſte Verſün-
digung öſterreichiſcher Minister an der Exriſtenz des eigenen Staates.
Aber gut iſt es wenigstens, daß noch ein polniſches Pfand in
Oesterreichs Händen ruht; es kann von Gallizien aus die Wieder-
auferſtehung Polens bewerkstelligen, ~ es hat hier eine ſchneidige
Waffe gegen Rußland’'s Aggressivpolitik in Händen, mit der es ſich
die Flanken denken kann, wenn Böhmen zum abermaligen Kampf-
platze von Berlin her auserſehen ſein ſollte. Das fühlen denn auch
die Feinde Desterreichs von Jnnen und Außen, + am lebhafteſten
sehen wir dies aus der „Diplomatiſchen Wochenſchrift" des Grafen
Bet h len, der im Auftrage des preußiſchen Preßbüreau's eine
Bismärck'sche Partei in Ungarn auf die Beine bringen ſoll. Es
iſt faſt poſſierlich zu leſen, welch, dumpfer Schmerzensſchrei aus
Bethlen's Wochenschrift an den Kaiſer von Rußland gerichtet wird:
hilf, hilf, Czar, von Ems aus, wo Wilhelm der Adler mit Dir
vereint die Geschicke der Völker beſtimmen will, + man uwull die
Slaven, ja die treueſten Sclaven Rußlands im öſterreichiſch-ungari-
ſchen eiche unterdrücken! „Kaum daß die polniſche Emigration in
Paris ihre Thätigkeit in Dejrerreich zu entwickeln beginnt“, Jo
ramentirt die genannte Wochenſchrift, „ſo fühlen wir m ganz Deſter-
reich-Ungarn den Boden unter unſeren Füßen erzittern. Die Czechen
iverden abgeſtoßen, ihr Siaatsrecht wird geläugnecr, die Kroaten
werden gemaßregelt, weil ſie das Andenken emes nationalen Mannes
seiern [Jellacic]; ein obſcurer Pfarrer wird zum Erzbiſchot von
Agram avancirt, ſtatt des in europäiſchem Rufe ſtehenden Stroß-
mayer und ſchließlich provocirt ein Schweizer aus Graubünden die
kroatiſche Nation, indem er deren edelſte Gefühle ſchonungslos ver-
letzt.“ Man vergleiche namentlich bei dieſem Schmerzensſchrei die
iächerliche Zärtlichkeit für die „edle kroatiſche Nation“, und zwar
gerade von einer Seite, von der man bisher die Kroaten ſtets nur
als Mausfallenhändler und Lumpengeſindel bezeichnen hörte ! „Die
gemaßreg elten Kroaten“, ~ wie rührend, wenn man bedentt,
daß dieſe von nationalliberaler Seite ſtets als die maß ge ben d en
Werkzeuge des Despotismus verflucht und als die ſcheußlichſten
Mordbrenner gebrandmarkt worden waren !
Aber weil Deſterreich-Ungarn die jetzt plöylich „edel“ geworde-
nen Kroaten „maßregelt“, wird ihm mit dem Czar gedroht: j
„Andererseits iſt der Kaiſer von Rußland in Ems“, ruft
Bethlen. „Der einfsachſte Menſchenverſtand wird ſagen, daß er [der
Czar, nicht der Menſchenverſtand] sich durch die Vorgänge in Oetter-
reich tief verlezt und beunruhigt fühlen muß. Dieſelve polniſche
Emigration, die ganz Polen durchwühlt und wie mit einem Netze
der Verſchwörung umſpinnt, hat ihr Hauptquartier im Schoße der
öſterreichischen Reichskanzlei aufgeſchlagen. Jn dem Maße, daß
das polniſche OD eſt erre ich ſich befeſtigt, ſind auch die poluiſchen
Provinzen Rußlands gefährdet. Es handelt ſich hier für Rußland
um eine Lebensfrage.“ Sehr richtig und ſehr naiv zugleich; wir
aber hoffen, daß die öſterrcichiſchen Staatsmänner aus diejem ZU-
geſtändniß ihrer erbittertſten Feinde erkennen werden, daß der Weg
der innigſten Verständigung mit den Polen für Deſterreich der beſte
sei, damit „das polniſche Deſterreich sich in dem Maße befestige, in
dem die polniſchen Provinzen Rußlands gefährdet werden.“
So liegen die Dinge von Deſsterreich-Polen gegenüber den
,\chismatischen Mächten“, ein Ausdruck, den wir neulich ohne Neben-
abſicht gebraucht haben, der aber die Landesbaſe so arg gereizt hat,
daß wir ihn heute wieder gebrauchen wollen, mit der Verſicherung,
daß Dr. Biſſing nicht versäumen wird, im Pfälzer Boten sofort
ſeine Freunde zu benachrichtigen, ſobald er wieder „Gründe“ hat an-
zunehmen, daß etwas gebraut wird zwiſchen Adler und Eisbär.
der Staat Alles zurückgeben, was der Kirche gehört –~ namentlich
das Vermögen an Kapitalien und Immobilien. Für die Dotation
der Bisthümer, der kirchlichen Institute und zur Unterhaltung des
Clerus, muß er die pflichtſchuldigen, versprochenen und hinlänglichen
Fonds an die Kirche zu deren freier Verwaltung abgeben.
Die große Frage , welche die B. C. stellt, wem das reiche
„vom Staate Baden mit so großer und langer Sorgfalt verwaltete
„Vermögen der Kirche zufällt“? iſt einfach dahin zu lösen, daß
es jedenfalls den Staat wenig angeht, und er so wenig ein Recht
hat es zu annexiren, als der Vormünder das Vermögen ſeines
Mündels stehlen darf. Der Vormünder hat höchſtens das Recht
sich für die Verwaltung des Vermögens eine Bezahlung zu fordern;
dieſe Bezahlung hat der badiſche Staat für seine Verwaltung ſchon
lange; denn mit jeder revidirten Rechnung kommt auch gleich der
Koſtenzettel, der umgehend berichtigt werden muß.
Der Ariikelſchreiber der B. C. gesteht übrigens selbſt zu, daß
der Staat kein Recht hat das Kirchenvermögen zu annexiren. „Es
erſchiene im höchſten Maße unbillig, wollte der Staat das zur Be-
ſtreitung kirchlicher Bedürfniſſe vorhandene Vermögen wegnehmen
und den Genossen kirchlicher Vereine überlaſſen, aus Privatmitteln
den Gottesdienſt und die Gläubigen zu unterhalien.“ Dieses Zu-
geſtändniß hat uns herzlich gefreun und wir nehmen bereitwillig
Notiz davon, obſchon wir statt „unbillig“ lieber den Ausdruck „un-
g er echt“ geleſen hatten. Doch sind wir im Hinblicke auf manche
neuäraiſche Beſcheerungen mit der Undilligkeit zufrieden.
„Daß in Folge der Trennung alles (ſtaatliche) Concordatsrecht,
Pfründe und Stifiungsrecht aufhören wird", wie die B. C. meint,
kann uns nur erwünſcht sein; denn unter dem Krummſtab iſt beſſer
leben, als unter der Knuie. „Daß jeder Resſit des canon. Rechts,
die freie Collatur des Biſchoſs aufhören und das Wahlrecht der
Gemeinden an ſeine Stelle treten und das Eigenthumsrecht über
das Kirchenvermögen eingeräumt werden müsſſe“ – das kann nur
Einer behaupten, der von den kirchl. Berhältniſſen wahrhaft freier
Staaten nichts versteht. Die Zuſtände Amerika's beſagen das Gegen-
theil, und der Staat hat sich überhaupt nicht in Verfaſſung und
Regierung der Kirche einzumiſchen. „Daß in Folge der Trennung
die Herren Biſchöfe und ihre Gehülfen die Pfarrer und Vicare
nicht mehr Be amt e, sondern nur Privatleute und Diener der
Kirchen sein würden“, darum ſcheeren wir uns gar nicht. Daß ein
kathol. Geiſtlicher oder Biſchof auch ohne Staatstitel in Ehre
und Ansehen ſtehen kann, beweist die wiederholte Sendung des
frühern Erzbiſchofs von Neuyork an die europäiſchen Höfe als Ge-
sandter. Den Titel „Beamter überlaſſen wir den Büreaukraten und
ihren Leibtrabanten und den dekehrten und wieder zu Gnaden auf-
genommenen „Offenburgern.“ Sol der Titel „Beamter“ vieleicht
ein Köder sein, um schwache hoſmänniſche Seelen unter der Cleriſei
damit zu angeln ? „Das Aussſtoßen vou Schmerzensſchreien über
die erfolgte Trennung“ überlassen wir getroſten Viuthes Denen, die
vor dieser Trennuug Mores haben und dazu recyneu wir alle
Büreaumenſchen und Schreiverſeelene. Wir ſind der feſten Ansicht,
daß dieſe viel eher in die Lärmtrompete stoßen würden als die
kathol. Geiſtlichen; denn womit wollten sie sich auf dem Landtag
nnd in ihren Canzleien die Zeit vertreiben, wenn ſie nicht mehr
in kirchlichen Dingen machen könnten, und mit was ſjollie das
große Heer der „Staatsveamten“ beſchäftigt werden, wenn die Kirche
einmal ielbſt ihre Angelegenheiten frei und seibſtändig verwaltete ?
In dieſem letzteren Punkte glauben wir den Pferdeſuß entdeckt zu
haben. Evendeßhalb laſſen wir uns durch die B. C. nicht bange
machen.
Dies iſt die Ansicht des „Pfälzer Boten“ über die Bedingun-
oder das Wie die Trennung zwiſchen Kirche und Staat vollzogen
werden kaun, wird und muß, wenn es Ruhe und Frieden im Lande
geben Joll.
Die National-Liberalen.
In den , Heſſiſchen Voltsblättern“ liest man: „Für Ge-
ſchichtsſchreiber künftiger Tage wird nichts ſchwieriger sein, als das
Auftreten der National-Liberalen in unserer Zeit in hiſtoriſchen
und ursächlichen Zuſammenhang zu bringen. In den Jahren 1863
bis 1865 wollten sie für Schleswig-Holstein auf geseyliche und un-
gesetzliche Weise sterben, verdammten die Bismarck'ſche Annexionspo-
litik in die tiesſte Hölle + in 1866 jubelten sie den Preußen zu,
die die ,beſsreiten“ Lande annexirten; in 1863-1866 verweiger-
ien sie dem Ministerium Bismarck das Budget und verwarfen den
Krieg gegen Desterreich + im Herbſt 1866 gaben ſie JIndemnität
für alles Geschehene und rühmten sich des „glorreichen“ Kampfes
für ,„deutſches Recht“, als ob sie in den vorderſten Reihen gefoch-
ten ; im Frühjahr 1867 erklären sie mit Emphaſe, ein Reichstag
ohne Diäten sei unmöglich, wenige Tage später ſtimmten ſie für
Diätenlosigkeit; 1869 verlangen sie verantwortliche Bundesminiſter,
1870 Auskunft über deutſche Politik ; sie werden beschieden, daß
sie Das nicht verſtänden, und beruhigen ſich.
Sie erklären endlich die Todesſtrafe für moraliſch und rechtlich
unhaltbar ++ im März ; und nehmen ſie an + im Mai.
Wie sollen ſich unſere Nachkommen Das zuſammenreimen, wäh-
rend es uns unverständlich ist, die es mit Augen gesehen und mit
Ohren gehört? Und wie werden ſie dieſe Widersprüche anders er-
klären, als dadurch, das ein ganz . .. .. .. Geschlecht zu unse-
rer Zeit eriſtirt haben müsse. :
Die Thaten der Männer auf gewaltſamem Wege, die Kraft von
Blut und Eisen bewieſen, werden . . .. , . . . verherrlicht und
soweit möglich auf Rechnung der . . . . . . . Nationalvereinsgrö-
ßen zu setzen verſucht; der Abfall von den Principien unter den
ſchönsten Cuphemismen: Strammheit, Einheit 2c. 2c. (auch für den
Abfall zu einem fremden Sieger würde ein nationalliberaler Pro-
feſſor eine mundgerechte Formel finden) gegen eigene Ueberzeugung
mit dem Blendwerk, daß etwas „zu Stande kommen müſſe, beſchö-
nigt, die Dementis der Machthaber mit . . . . . Dank hingenom-
men. Ein gerichtlicher Spruch dagegen, der ein Mitglied der Par-
tei des Ehr- und Ehrenwortbruches überführt erkennt, wird unbe-
zu — unter dieſer Partei bringt dergleichen jetzt keinen
achtheil mehr.“
Süddeutſchland.
“* Heidelberg, 14. Juni. Die Feinde Defterreichs ſchreien
Wehe über die Verbindung, welche sich zwiſchen den Polen und
Desterreich's Staatsmännern anbahnt. Sie nehmen es OÖebetterreich
übel, daß dieses den Polen gegenüber wieder in die Bahn einzu-
lenten sich beſtrebt, welche es zu seinem ſchwerſten Rachtheile nur
allzu lange verlaſſen hatte: die Theilung und Knechtung Polens
war der erſte Schriti zur Demüthigung Deſterreichs, das Zugeſtänd-
niß zur Zerreißung des unglücklichen Landes die ſschwerſte Verſün-
digung öſterreichiſcher Minister an der Exriſtenz des eigenen Staates.
Aber gut iſt es wenigstens, daß noch ein polniſches Pfand in
Oesterreichs Händen ruht; es kann von Gallizien aus die Wieder-
auferſtehung Polens bewerkstelligen, ~ es hat hier eine ſchneidige
Waffe gegen Rußland’'s Aggressivpolitik in Händen, mit der es ſich
die Flanken denken kann, wenn Böhmen zum abermaligen Kampf-
platze von Berlin her auserſehen ſein ſollte. Das fühlen denn auch
die Feinde Desterreichs von Jnnen und Außen, + am lebhafteſten
sehen wir dies aus der „Diplomatiſchen Wochenſchrift" des Grafen
Bet h len, der im Auftrage des preußiſchen Preßbüreau's eine
Bismärck'sche Partei in Ungarn auf die Beine bringen ſoll. Es
iſt faſt poſſierlich zu leſen, welch, dumpfer Schmerzensſchrei aus
Bethlen's Wochenschrift an den Kaiſer von Rußland gerichtet wird:
hilf, hilf, Czar, von Ems aus, wo Wilhelm der Adler mit Dir
vereint die Geschicke der Völker beſtimmen will, + man uwull die
Slaven, ja die treueſten Sclaven Rußlands im öſterreichiſch-ungari-
ſchen eiche unterdrücken! „Kaum daß die polniſche Emigration in
Paris ihre Thätigkeit in Dejrerreich zu entwickeln beginnt“, Jo
ramentirt die genannte Wochenſchrift, „ſo fühlen wir m ganz Deſter-
reich-Ungarn den Boden unter unſeren Füßen erzittern. Die Czechen
iverden abgeſtoßen, ihr Siaatsrecht wird geläugnecr, die Kroaten
werden gemaßregelt, weil ſie das Andenken emes nationalen Mannes
seiern [Jellacic]; ein obſcurer Pfarrer wird zum Erzbiſchot von
Agram avancirt, ſtatt des in europäiſchem Rufe ſtehenden Stroß-
mayer und ſchließlich provocirt ein Schweizer aus Graubünden die
kroatiſche Nation, indem er deren edelſte Gefühle ſchonungslos ver-
letzt.“ Man vergleiche namentlich bei dieſem Schmerzensſchrei die
iächerliche Zärtlichkeit für die „edle kroatiſche Nation“, und zwar
gerade von einer Seite, von der man bisher die Kroaten ſtets nur
als Mausfallenhändler und Lumpengeſindel bezeichnen hörte ! „Die
gemaßreg elten Kroaten“, ~ wie rührend, wenn man bedentt,
daß dieſe von nationalliberaler Seite ſtets als die maß ge ben d en
Werkzeuge des Despotismus verflucht und als die ſcheußlichſten
Mordbrenner gebrandmarkt worden waren !
Aber weil Deſterreich-Ungarn die jetzt plöylich „edel“ geworde-
nen Kroaten „maßregelt“, wird ihm mit dem Czar gedroht: j
„Andererseits iſt der Kaiſer von Rußland in Ems“, ruft
Bethlen. „Der einfsachſte Menſchenverſtand wird ſagen, daß er [der
Czar, nicht der Menſchenverſtand] sich durch die Vorgänge in Oetter-
reich tief verlezt und beunruhigt fühlen muß. Dieſelve polniſche
Emigration, die ganz Polen durchwühlt und wie mit einem Netze
der Verſchwörung umſpinnt, hat ihr Hauptquartier im Schoße der
öſterreichischen Reichskanzlei aufgeſchlagen. Jn dem Maße, daß
das polniſche OD eſt erre ich ſich befeſtigt, ſind auch die poluiſchen
Provinzen Rußlands gefährdet. Es handelt ſich hier für Rußland
um eine Lebensfrage.“ Sehr richtig und ſehr naiv zugleich; wir
aber hoffen, daß die öſterrcichiſchen Staatsmänner aus diejem ZU-
geſtändniß ihrer erbittertſten Feinde erkennen werden, daß der Weg
der innigſten Verständigung mit den Polen für Deſterreich der beſte
sei, damit „das polniſche Deſterreich sich in dem Maße befestige, in
dem die polniſchen Provinzen Rußlands gefährdet werden.“
So liegen die Dinge von Deſsterreich-Polen gegenüber den
,\chismatischen Mächten“, ein Ausdruck, den wir neulich ohne Neben-
abſicht gebraucht haben, der aber die Landesbaſe so arg gereizt hat,
daß wir ihn heute wieder gebrauchen wollen, mit der Verſicherung,
daß Dr. Biſſing nicht versäumen wird, im Pfälzer Boten sofort
ſeine Freunde zu benachrichtigen, ſobald er wieder „Gründe“ hat an-
zunehmen, daß etwas gebraut wird zwiſchen Adler und Eisbär.