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Verein Historisches Museum der Pfalz [Editor]; Historischer Verein der Pfalz [Editor]
Pfälzisches Museum: Monatsschrift d. Historischen Vereins der Pfalz und des Vereins Historisches Museum der Pfalz — 2.1885

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Nr. 12 (15. Dezember 1885)
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https://doi.org/10.11588/diglit.29787#0092
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seiner Gleichgiltigkeit herauszubringen. Die Herzogin begriff
das nicht. Da er also nicht aus eigenem Antriebe die Kunst des
Italieners versuchen wollte, legte sie sich endlich aufs Bitten.
Ludwig XIV. widerstrebte auch jetzt noch; aber endlich gab er ihren
Schmeichelworten nach nnd überreichte ihr eine Handschrift mit der
Erlaubnis, sie dem Wahrsager zur Prüfung vorzulegen, jedoch
so, daß der König dabei nicht genannt würde.
Erfreut eilte die Herzogin in ihre Gemächer nnd ließ
Primi zu sich kommen. Dieser erschien nnd machte sich mit der
ganzen Unverfrorenheit, die ihm eigen war, an sein Werk, ob-
wohl ihm der Autor des Schriftstückes nicht genannt wurde,
auch seine Erkundigung nach demselben anfangs nur eine aus-
weichende Antwort erfuhr. Primi ließ sich dadurch nicht aus
der Fassung bringen. „Diese Handschrift", sagte er, „deutet
auf einen alten Geizhals nnd Wucherer, einen Egoisten der
schlimmsten Art, der nichts als sein Wohlbehagen verfolgt,
gingen darüber anch Andere zu Grunde. Lange Zeit ist ihm
dies unedle Lcbensprinzip glücklich dnrchgegangen, aber schon
steht er nahe vor dem Wendepunkte, und geht er nicht bald in
sich, so wird er ein Ende mit Schrecken nehmen."
Die Herzogin stieß einen Rus des Entsetzens aus. „Mein
Herr!" sagte sie in beinahe hartem Tone, „überlegen Sie wohl,
was Sie sagen."
„Hoheit, das thne ich stets!" entgegnete Primi kaltblütig.
„Aber diese Charakteristik trifft nicht im Mindesten zu."
Der Italiener zuckte resigniert mit den Achseln. „Nicht
aller Menschen Wesen liegt offen vor der Welt wie ein anfge-
schlagenes Buch!" verlautete er dann.
„Nein, nein! Diesmal sind Sie völlig auf Irrwegen!
Prüfen Sie nochmals, Sie haben sich versehen!"
„Fran Herzogin, ich bedaure, bei meiner ersten Aussage
verharren zu müssen," antwortete Primi, der schon längst mehr
in ihrem Gesicht als in der Handschrift las nnd die Ver-
legenheit der Ersteren zu seinen Gunsten anslegte.
„Nein, mein Herr," ließ sich die Herzogin hinreißen zu
sagen. ,,Wenn ich Ihnen nun verrate, daß dies die Handschrift
des Königs ist — beharren Sie anch dann noch? . . ."
Ein leichtes Not färbte einen Moment lang das Gesicht
des kühnen Gauklers, aber im nächsten Augenblick hatte er
seine Fassung wieder und entgegnete: „Wenn Eure Hoheit nicht
wünschen, daß ich gegen meine Ueberzengnng spreche, so muß es
auch unter diesen Umständen bei meiner Aussage bleiben."
Die Herzogin, welche vielleicht Alles konnte, nur nicht
schweigen, erzählte bei ihrem nächsten Zusammentreffen mit dem
Könige diesem Alles, was der Italiener gesagt hatte. LndwigXtV.
aber verzog nur ein wenig die Mundwinkel und brach daun in
ein heiteres Gelächter aus. „Köstlich! Köstlich!" rief er dann.
„Wissen Sie auch, Madame, daß die Handschrift nicht von mir
ist, daß ich mir vielmehr einen kleinen Scherz erlaubt und Ihnen
ein Bittet gegeben habe, das von meinem Kabinetssekretür Rose
geschrieben ist! Wie Sic wissen, ahmt er meine Handschrift
ziemlich gut nach nnd ich bediene mich sogar bisweilen derselben
in Sachen, wo es mir vorteilhaft scheint." lind anf's Nene
schlug der König ein heiteres Gelächter auf.
Die Herzogin war einen Moment verblüfft, überlegte sich
dann aber doch, daß dieser komische Vorfall nur ein Zeugnis
für die Gediegenheit der Kunst Primi's sei, den Alles, was er
gesagt hatte, stimmte mit dem, was man dem Herrn Kabinets-
sekretär Rose nachznsagen pflegte.

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Dieser Umstand brach aber auch die Gleichgiltigkeit des i
Königs gegen den Italiener. Die Sache war Lndwig XIV. zu -
rätselhaft, als daß er nicht hätte das Verlangen tragen sollen,
dem Zusammenhänge ans den Grnnd zu kommen. Er befahl
daher seinem ersten Kammerdiener, Bontemps, den Italiener
des folgenden Tages in sein Kabinet Zu bescheiden.
Primi erschien nnd trat nicht ohne heimliches Zittern
dem Monarchen unter die Angen. Ludwig XIV. maß ihn mit
einem Blicke vom Kopf bis zu deu Füßen, dann sagte er: „Sie
wissen, weshalb Sie jetzt vor dem Könige von Frankreich stehen?"
„Ich vermute es, Sire."
„Gut, daun habe ich Ihnen nur noch zwei Worte zu
sagen: Entweder überantworten Sie mir auf der Stelle Ihr
Geheimnis, das ich mit zweitausend Livres bezahlen werde, oder
Ihr nächster Weg geht zur Bastille!"
Primi, der sonst die Furcht wenig kannte, fühlte bei dieser
Eröffnung doch, wie es ihm kalt über den Rücken rieselte.
Die Wahl zwischen der gestellten Alternative konnte ihm
kein langes Kopfzerbrechen machen. Er zog die Zweitausend
Livres den Mauern des Kerkers vor nnd entdeckte dem König
Alles. Er erzählte ihm sein Zusammentreffen im Postwagen
mit Duval und dem fetten Pächter, feine Einführung bei dem
Abbo de la Baume, seine Zurückgezogenheit mit obligaten
Personalstudien nnd die schließliche Anwendung seiner angeb-
lichen Kunst bei Hofe. Ter König hörte sehr aufmerksam Zu
nnd da ihn das kecke Manöver augenscheinlich zu ergötzen schien,
so fühlte sich Primi angespornt, sein ganzes Erzählertalent zu
entfalten und mit wirklich komischen Farben alle die Auftritte
zu schildern, die seine Handschriftengankclei unter verschiedenen
Personen des Hofes hervorgerufen hatte.
Mit Blühe bezwang der König das Lachen,
„lind wie kamen Sie auf den verwegenen Gedanken,"
fragte der Monarch endlich, „bei Ihren Behauptungen stehen zu
bleiben, selbst nachdem Ihnen die Frau Herzogin offenbarte,
daß die Ihnen vorgelegte Handschrift von mir sei?"
„Sire," erwiederte Primi mit Anstand, „weil ich mit
Sicherheit wußte, daß die betreffende Handschrift von dem
Herrn Kabinetssekretär herrühre!"
„Das wußten Sie?"
„Eure Majestät hatten geruht, den Herrn Herzog von
Vendäme in den Scherz einzuweihen, den Sie mit der Frau
Herzogin von Orleans beabsichtigten. Durch diesen erfuhr ich
den Zusammenhang. Der Wink war mir kaum gegeben, als
die Frau Herzogin mich zu sich rief."
„Also das ist des Rätsels Lösung!" dachte Ludwig XIV.
nnd er besann sich in der Thal, wie er dem Herzog von Vcn-
dbme, der zur selbigen Stunde in Audienz bei ihm gewesen, den
Scherz mit der falschen Handschrift mitgeteilt hatte. Noch einen
Blick ließ er jetzt über den Italiener gleiten, dann winkte er
ihm, daß er entlassen sei. „Sie werden noch von nur hören,"
rief er ihm strengen Tones im Abgehen zu, „halten Sie sich
meiner Befehle gewärtig und verlassen Sie Paris nicht ohne
meine Erlaubnis. Und daß niemand von Ihnen erfahre, was
zwischen uns gesprochen!"
Auf das Schlimmste gefaßt, zog sich Primi zurück, aber
seine Furcht vor Strafe erwies sich als unbegründet. Am
anderen Tage wurden ihm im Auftrage des Königs die ver-
sprochenen zweitausend Livres eingehändigt und ihm befohlen,
sich bei dem Rektor einer bestimmten Schule zu melden, der ihn
auf seine Kenntnisse Zu prüfen habe. Primi that, wie ihm ge- h
 
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