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DIE WEIHNACHTSKRIPPE

umfassenderen Ausbildung des Volkes, nicht
entraten, und der Priester sollte es nicht unter-
lassen, wo nur immer möglich, sich dieses
Hilfsmittels zu bedienen.
Weihnachtsstimmung weckte in mir den
Wunsch, recht viele zu einem Versuche zu veran-
lassen, eine jener belehrenden und erbauenden
Darstellungen wieder mehr, als es bisher ge-
schehen, zu der Ehre zu bringen, welche sie
in vergangenen Zeiten genoss, ehe sie infolge
mancher Auswüchse unterdrückt wurde: die
Weihnachtskrippe. Und zugleich möge dieser
Versuch der Ausgang sein, die Weihnachts-
feier selbst wieder zu heben, damit von ihr
ein guter Einfluss auf die Gläubigen ausgehe
und die heiligen Tage im häuslichen Kreise
wieder weniger in weltlicher als vielmehr in
religiös-inniger, sinnvoller Weise gefeiert
werden. Denn es ist nicht zu leugnen, dass die
Feier des Weihnachtsfestes von der rechten
und würdigen Weise viel eingebüsst hat, dass
der eigentliche Christfestgedanke vielfach ganz
zurückgedrängt wird von den Gedanken und
Sorgen für eine überreiche, oft widersinnige
Bescherung, und dass er auch sehr leidet

recht, der eine Rute oder einen Prügel mit-
bringt. Dazu dann der Weihnachts- (nicht
Christ-) bäum und unter ihm die Geschenke,
unter denen man aber vergebens nach
einer Erinnerung an die kostbarste Gabe,
an das herrliche Geschenk Gottvaters an
die Menschen, nach dem Kindlein in der
Krippe sucht. Das genügt für die, wenn
auch beglückten, dennoch höchst unglück-
lich zu nennenden Kleinen. Für die Er-
wachsenen kommt dazu noch , vielleicht
als das wichtigste, — die Aufführung eines
passenden Bühnenstückes , überhaupt eine
angemessene Feier, welche vielfach am
zweiten Weihnachtstage erfolgt, soll natürlich
nicht verurteilt werden, — eine oft sinnlose
Weihnachtsfeier im Verein oder in den Ver-
einen: Christbaum Verlosung mit nachfolgendem
Theater oder Ball! Aber mit dem tiefsten,
dem religiösen Inhalt des hl. Festes ist es
nichts mehr, dafür ist Sinn und Interesse
verloren gegangen. Weihnacht wird gefeiert,
doch fehlt der Nacht die Weihe! Wo bleibt
da der Heilsgedanke, wo die schöne und er-
hebende Poesie vergangener Zeiten? Wenn

durch das Bestreben, sich einige Tage an
Speise und Trank besonders gütlich zu tun.
Das hl. Weihnachtsfest wird vielfach, an-
scheinend systematisch, degradiert zu einer
„deutschen“ Familien- und Vereinsfestlichkeit.
Da wissen zu Hause die Kinder nichts mehr

wir an unsere Jugendzeit zurückdenken, was
ist uns dann von Weihnachten Schönes an
Erinnerungen geblieben? Wenn nicht die
Erinnerung an eine sinnvolle Christbaum-
feier, an die Krippe , an Hausmusik und
liebliche Weihnachtslieder, dann auch sonst

vom lieben Christkindlein, sie stehen nicht

mehr mit leuchtenden

Augen und kindlich ge-


rührtem Herzchen um die
Mutter, um immer und
immer wieder mit neuem
und gespanntem Interesse
der wunderbaren Ge-
schichte von Bethlehem
zu lauschen; sie hören
oft nur noch vom lie-
ben, guten Weihnachts-
mann, der den braven
Kindern all die
schönen Geschen-
ke , und vom

nichts. Im Hinblick auf Bescherung und
Festschmaus würde uns das Weihnachtsfest
unserer Jugendzeit in der Erinnerung nicht
mehr bedeuten als irgend eine andere Feier,
bei der wir dabei sein durften.
Gute Erinnerungen jener Art haben nicht
nur einen Wert für sich, sie bedeuten auch
Einwirkungen fürs ganze Leben. Denn wer
könnte sich diesen noch in späteren Tagen
entziehen, wenn die durch eine würdige Weih-
nachtsfeier hervorgerufene Stimmung wie mit
Heimatklängen an eine Zeit erinnert, wo noch
Einfachheit des Gemüts und natürliches Emp-
finden den Menschen beherrschen und
ihn leicht empfänglich machen für den
Glauben an die Heilstatsachen, denen

Knecht Kupp- Anbetender Hirte Gefertigt um 1840 die feier gilt? Em Heimweh gleichsam
 
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