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SCHUTZ DER KIRCHLICHEN KUNSTWERKE

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veräussert werden dürfen und dessen Über-
tretung ernste Folgen nach sich ziehen kann.
Solche ärgerliche Fälle schaden dem Ansehen
des Klerus schwer; machen wir sie durch
gegenseitige Aufklärung unmöglich! Geben
wir grundsätzlich keinen Gegenstand, der
jemals einem religiösen Zwecke diente, an
Händler oder Private ab ! Ist etwas Derartiges
seinem ursprünglichen Zweck entfremdet, so
kann es einer anderweitigen würdigen Ver-
wendung zugeführt oder einem kirchlichen
Museum einverleibt werden.
Sodann müssen wir uns im Kunstleben der
Gegenwart umsehen und uns jene Kenntnisse
sichern, die uns vor Missgriffen schützen werden.
Wir sollen die christlichen Künstler ans Licht
ziehen und es missbilligen, wenn selbst in der
eigenen Presse die gottlob namentlich in
Deutschland hochstehende christliche Künstler-
schaft, die sich grösstenteils in der „Deutschen
Gesellschaft für christliche Kunst“ zusammen-
geschlossen hat, ignoriert und gegenüber einer
ungläubigen Profankunst oder afterreligiösen
Kunstübung herabgedrückt wird. Wir wollen
beweisen, dass es niemand nötig hat, die Kunst
vor dem Klerus zu schützen, so wenig wie
den Glauben.
Es wäre sehr unrecht, die guten Absichten
zu verkennen, welche zu den in Frage kommen-
den staatlichen Bestimmungen führten, oder
die moralischen Rechte abzuleugnen, welche
die Allgemeinheit an den kirchlichen Kunst-
werken besitzt, oder die schweren Fehler in
Abrede zu stellen, die im vorigen Jahrhundert
— nicht zuletzt unter der Führung von
Künstlern und Gelehrten — durch Geistliche
gemacht wurden, oder den erzieherischen
Wert zu schmälern, den die bestehenden
kirchlichen und staatlichen Bestimmungen be-
sitzen. Aber es wäre ebenso verfehlt, sich
die Kehrseite der Sache zu verhehlen und
sich der Pflicht einer Warnung vor dem zuviel
zu entziehen. Der Klerus muss nun darauf
bedacht sein, aus innerer Pietät und Kunst-
liebe das zu tun, was bestehende und ge-
plante Vorschriften bezwecken. Nur dann
können die unleugbaren Gefahren für eine
gesunde Weiterentwicklung der lebenden Kunst

und für die gebührende Freiheit der christ-
lichen Kunstpflege beschworen werden.
Die Kunstgelehrten und die von ihnen be-
einflussten Behörden sollen bedenken, dass es
nicht genug ist, das Alte zu erhalten. Wohl
hat die Gegenwart heilige Verpflichtungen
gegen die Werke der Vergangenheit; aber die
Pflichten gegen die zahlreichen und bedeutenden
Kräfte unserer eigenen Zeit, die nach Betätigung
verlangen und der Zukunft von der Schaffens-
freudigkeit unserer Tage erzählen sollen, sind
nicht minder gross. Die Sucht, alles Alte ohne
Wahl zu verhimmeln, in jeder einigermassen
erträglichen Durchschnittsleistung der ferneren
Vergangenheit ein wissenschaftlich, künstlerisch
oder kulturgeschichtlich unersetzliches Doku-
ment zu sehen, aus Modepreisen aufden bleiben-
den Wert eines Gegenstandes zu schliessen,
hat den natürlichen Kunstgeschmack derer, die
sich zu den Gebildeten zählen, vollständig ver-
wirrt und die Geldleute irregeführt und jene
krankhafte Sammelwut erzeugt, die für die
besten Leistungen der Gegenwart nichts mehr
übrig hat. Kritiklosigkeit gegenüber dem Alten,
Hyperkritik gegen die Lebenden und jüngst
Verstorbenen ist vielfach Trümpf.
Aber auch den christlichen Künstlern möge
etwas zum Erwägen gegeben sein, was sie zu
wenig beachten. Wo soll denn der Geistliche
die Freude an der Förderung der christlichen
Kunst hernehmen, wenn er entrechtet ist? Wo
soll er den Mut schöpfen, der namentlich heut-
zutage bei den schwierigen, sozialen Verhält-
nissen dazu gehört, von den Gläubigen Opfer
und immer wieder Opfer für kirchliche Kunst-
werke zu erbitten? Wer anders wird dann an
die Stelle der Geistlichen treten, wenn es gilt,
der lebenden christlichen Künstler zu gedenken?
Niemand wird die Hand für die christliche
Kunst rühren, wenn die Hand des Klerus er-
lahmt. An die Seite des Geistlichen gehört
der christliche Künstler. Reichen sich beide
die Hand, so werden sie sich so gut verstehen
und gegenseitig ergänzen, wie in den besten
Zeiten der Vergangenheit und der Klerus wird
die Kunst fördern, der Künstler aber die
religiöse Gesinnung der Gläubigen.
S. Staudhamer.

Redaktion: S. Staudhamer; Verlag der Gesellschaft für christliche Kunst, G. m. b. H.; Druck der Verlagsanstalt
vorm. G. J. Manz, Buch- und Kunstdruckerei; sämtlich in München.
 
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