Monafsblätfer für christliche Kunst, praktische Kunstfragen und kirchliches Kunsthandwerk
V. Jahrgang, 11. Heft, August 1913
Verlag der Gesellschaft für christliche Kunst, München. — Preis des Jahrgangs inkl. Frankozustellung M3.—
VON KÖLN ÜBER AACHEN
NACH TRIER
Von A. Blum-Erhard
(F ortsetzung)
Ja, des „heiligen Römischen Reiches freie
Stadt'* war damals eine hochbedeutende
Stadt. Ihre heilsamen Quellen, die noch jetzt
jährlich über 40000 Fremdeherbeilocken, waren
schon den Römern bekannt. Spuren auch ihrer
Badehäuser hat man bei Ausgrabungen gefun-
den. Karl der Grosse baute zu Aachen Pfalz und
Kapelle; Friedrich I. schuf die Umgürtung der
Mauern. Jeder Kaiser und König, von Ludwig
dem Frommen ab bis zu Ferdinand I., verlieh
dem Ort aus Anlass seiner Krönung irgend
ein wichtiges Recht.
Der Name der Stadt, aus Aquisgrani her-
geleitet, deutet auf den bei Thermen üblichen
Kult der Römer zu Ehren des Apollo Granus.
Heute noch heisst ein Turm des Rathauses,
dessen unterer Teil aus Römerzeiten stammt,
Granusturm. Und da sind wir gleich bei dem
herrlichsten Schatze Aachens angelangt: bei
seinem Rathaus. Es ist an Stelle der Kaiser-
pfalz in gotischem Stil im 14. Jahrhundert er-
baut. Eine breite Freitreppe führt von aussen
zum Erdgeschoss, das den Sitzungssaal mit
verschiedenen Porträts fürstlicher Personen ent-
hält. Das obere Stockwerk füllt der mit Wand-
gemälden von Rethel und Kehren geschmückte
Festsaal, der früher zur Abhaltung der Krö-
nungsfeierlichkeiten benützt wurde. Von seinen
Fenstern geniesst man den prächtigen Blick
auf den Marktplatz und den schönen Karls-
brunnen, der in der Bronzestatue des grossen
Karl gipfelt und seine Wasserstrahlen in zwei
Becken ergiesst. Vom Treppenhaus aus nach
rückwärts werden Kuppel und Türme des
tiefer gelegenen Münsters sichtbar, zu dem man
nur schwer von den engumschliessenden Nach-
barstrassen und Gassen den Blick gewinnt.
Was Einheitlichkeit des Baues betrifft, so
ist das Rathaus dem Dom bei weitem über-
legen. Dort ein wundervoll ruhiges Bauwerk
mit hohem Dachstuhl, über den hinaus die
mächtigen Türme ragen, die Fassade, die sich
nach Norden kehrt, reich an Steinschmuck
und doch nicht überladen: das Ganze echte,
ernsthafte, hochstrebende Gotik an einem weiten
freien Platze, der die prächtigste Schau ge-
stattet — und daneben gleichsam als Zierat,
traulich wie die Gasse, in die seine von ge-
drehten Holzsäulen umrahmten Fenster gucken,
der reizvolle niedere Anbau „zum Postwagen“.
Betrachten wir dagegen den Dom! Um-
drängt von allerlei profanem Bauwerk, fast
verwachsen mit der nebenanstehenden Pfarr-
kirche Foillans, vereinigt er in sich die Stil-
arten vieler Epochen zu einem nicht harmoni-
schen Ganzen. (Abb. S. 83). Den ältesten Teil
bildet die kuppelgekrönte byzantinische Pfalz-
kapelle Karls des Grossen. Sie ist ein 32m hohes
Achteck, im Jahre 796 begonnen und 805 durch