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PADERBORNER KUNSTBRIEF

löslich zu einem hohen Kunstwerk vereint.
Könnte einer die Rückkehr des verlorenen
Sohnes erschöpfender schildern? Den Adel
des geprüften Alters, die Besorgtheit und ver-
zeihende Liebe auf der einen Seite, Zer-
knirschung und Vertrauen wie die Spuren
eines sündigen Vorlebens auf der anderen?
Zwei Gestalten wunderbar zusammengeschlos-
sen, wie die Herzen, die im Begriffe sind,
nach tiefstem Leide wie aus einem Munde
zu rufen: Nun ist alles gut! Ungehemmt folgt
die Hand dem pochenden Künstlerherzen;
die Radierung erhält durch die improvisierende
Technik des Striches den Charakter einer mit
der Unmittelbarkeit des ersten Gedankens hin-
geschriebenen Handzeichnung. S. Staudhamer.
PADERBORNER KUNSTBRIEF
Von Dr. Trampe, Paderborn
Am 18. Juni ist das Diözesan-Museum mit einer wür-
digen Feier eröffnet und damit ein langgehegter
Wunsch der Freunde christlicher Kunst verwirklicht
worden. Die Gäste der Eröffungsfeier sahen bereits eine
ansehnliche Sammlung vor sich. Die Skulpturenabteilung
weist bereits fast anderthalbhundert Nummern auf. Be-
sonders ist hier Barock vertreten, und in diesem Stile
vor allem die allerdings mehr imposant als innerlich
wirkenden Bildwerke des früheren Hochaltares. Das
älteste Stück ist ein dem 12. Jahrhundert angehörender,
später übermalter Bronze-Kruzifixus. Zahlreich sind die
Madonnendarstellungen, so dass man aus ihnen den Ent-
wicklungsgang dieses Bildtypus ersehen kann. Unter
ihnen sind wieder besonders interessant die 7 Selbstdritts.
— Minder zahlreich sind Gemälde vorhanden; das Mu-
seum besitzt etwa 20 grössere. Die wertvollsten sind
wohl die Werke des Meisters Gert van Lon aus Geseke,
dessen Haupttätigkeit in die Zeit von 1500 bis 1530
datiert wird; darunter befindet sich der Margarethen-
Altar aus dem Dom, ein Klappaltar, dessen Haupttafel
eine Darstellung des Jüngsten Gerichtes ziert. Ausserdem
birgt das Museum auch ein paar Werke des Paderborner
Malers Karl Fabritius, der bisher nur als Landschafts-
maler bekannt war; als solcher hat er 1665 und 1666
eine Reihenfolge von Bildern für das Fürstbischöfliche
Residenzschloss Neuhaus gemalt, die Städte, Klöster und
Burgen des Fürstbistums; die meisten dieser Bilder be-
finden sich noch in der Theol. Fakultät und im Priester-
seminar, während die besten in das Kgl. Schloss nach
Münster gewandert sind; im Museum lernen wir nun den
Meister auch noch von einer anderen Seite kennen: es

besitzt von ihm ein grosses Altarblatt, welches die Über-
tragung der Schlüsselgewalt an Petrus darstellt. Auch
Meister Woltemuth, der am Ende des 18. Jahrhunderts
die Gemälde des Fabritius restaurierte, ist mit einem
Bildwerke vertreten, einer Darstellung des hl. Meinwerk,
des Heiligen des Paderborner Landes. — Ausgedehnter
wieder als diese ist die kunstgewerbliche Abteilung, die
vor allem Werke der in der alten Bischofsstadt und in
ihrer Umgebung mit Fleiss und Erfolg gepflegten Gold-
schmiedekunst sowie der Paramentik enthält.
Untergebracht ist das neue Museum in zwei grossen
Sälen des Bischöfl. Generalvikariats. Der untere dieser
beiden Säle, dessen Säulen und Gewölbe der Mitte des
12. Jahrhunderts angehören, ist eine zweischiffige Halle,
die zunächst als Kapitelsaal diente und von 1300—1500
als Kapelle der hl. Barbara und Katharina geweiht war;
später, als der Domplatz sich erhöht hatte und die Halle
im Boden verschwand, diente sie als Aufbewahrungsort,
bis sie nunmehr einem würdigen Zweck zurückgegeben
ist. Mit dem oberen Saale ist der untere durch eine
Wendeltreppe verbunden. — Um den weiteren Ausbau
des Museums zu fördern, ist auf Veranlassung des hoch-
würdigsten Flerrn Bischofs Dr. Karl Joseph Schulte unter
dem Vorsitz des Herrn Prälaten Altstädt ein „Diözesan-
Museumsverein“ ins Leben gerufen worden; der Jahres-
beitrag beträgt 3 Mk.; lebenslängliche Mitgliedschaft
kann durch eine einmalige Zahlung von 100 Mk. er-
worben werden. Floffentlich gelingt es dem unter so
glücklichen Anfängen gegründeten Veiein, das Pader-
borner Diözesan-Museum immer weiter auszubauen, um
den Sinn für die christliche Kunst mehr und mehr zu
heben.
Am 21. Juni erfolgte durch den Oberpräsidenten der
Provinz Westfalen Prinz zu Ratibor und Corvey die
Eröffnung einer grossartig angelegten Gewerbe- und
Industrieausstellung, mit welcher auch eine Kunstausstel-
lung verbunden ist. Paderborn hat den letzteren Zweig
dem Unternehmen eingefügt in der Ueberzeugung von
dem Werte, den echte künstlerische Bildung auf alle
Kreise unseres Volkes und nicht zuletzt auf das Hand-
werk auszuüben bestimmt ist. Die Kunstausstellung — zum
ersten Male eigentlich eine Kunstausstellung in der „Pro-
vinz“, während sich im übrigen unsere moderne Kunst
auf gewisse Zentren zurückgezogen hat — kann als
durchaus gelungen betrachtet werden. Der kirchlichen
und historischen Bedeutung der alten Bischofsstadt ent-
sprechend befinden sich in der Kunstausstellung zwei
grössere Sonderabteilungen, die eine für christliche Kunst,
die andere „Alt-Paderborn“. Die Abteilung für christ-
liche Kunst wurde von der „Deutschen Gesellschaft für
christliche Kunst“ eingerichtet; sie dient hoffentlich dazu,
neben dem allgemeinen Interesse für die Wiederbelebung
christlicher Kunst vor allem auch das Interesse für diese
so wichtige Gesellschaft zu fördern und ihr in der ganzen
Gegend neue Mitglieder zuzuführen.

Redaktion: S. Staudhamer; Verlag der Gesellschaft für christliche Kunst, G. m. b. H.; Druck der Verlagsanstalt
vorm. G. J. Manz, Buch- und Kunstdruckerei; sämtlich in München.
 
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