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Monafsblätfer für christliche Kunst, praktische Kunstfragen und kirchliches Kunsthandwerk
V. Jahrgang, 5. Heft, Februar 1913
Verlag der Gesellschaft für christliche Kunst, München. — Preis des Jahrgangs inkl. Frankozustellung M3.—

DIE KUNST — EIN WEG ZU GOTT
er Rektor der Krakauer Akademie der
Künste, Jacek Malczewski, als aus-
übender Künstler wohl der grösste unter den
zeitgenössischen Polens, hat bei Beginn des
Studienjahres an seine Schüler eine Ansprache
über das letzte Ziel der Kunst gerichtet. Die
von ungewöhnlicher Begeisterung getragenen
Gedanken sind um so bemerkenswerter, als
der Künstler kaum je ein eigentlich religiöses
Bild gemalt hat, sondern sich in seinen Werken
bei der glänzendsten Technik in schier un-
ergründlicher Symbolik ergeht. Der betreffende
Abschnitt seiner Rede sei hier in der Über-
setzung wiedergegeben.
„Drei Wege gibt’s, den Geist zu vervoll-
kommnen und ihn dem Throne Gottes nahe
zu bringen: den Weg des Gebets (die Askese),
den Weg der Liebe und den Weg der Wissen-
schaft (die Erkenntnis der Wahrheit).
Auf dem Wege der Liebe dehnt sich der
Pfad der Kunst. Auf diesem Pfade gehend,
kommen wir der Erkenntnis der Allmacht
Gottes näher, vereinigen wir uns leichter mit
seinem Willen. Wir Künstler singen ein „Magni-
ficat“ beim Anblick der Werke, die er er-
schaffen auf der Erde und im Weltall. Wir
preisen den höchsten Geist, wenn wir be-
wundern die Wolke, die Blume, den winzigsten
Kristall. Und von den Wundern entzückt,
mit denen er uns umgeben, wünschen wir

schüchtern, ihm ähnlich zu sein, um ihn besser
zu verstehen und zu lieben. So wagen wir es
denn, die Schöpfungen seiner Hand nachzu-
bilden, sei es in der Ebene ohne Dimensionen,
sei es im Steinklumpen mit der Fülle der
Dimension. Verzückt und demütig in der
Arbeit des Nachschöpfens singen wir im Geiste
den Hymnus der Anbetung, den Hymnus der
Liebe gegen den besten Vater für so viele
Wunder, Gnaden und Wohltaten.
In diesem Augenblick vereinigen wir sofort
zwei Wege, zwei Pfade, zwei Stufen, auf denen
sich der Menschengeist zur Vollkommenheit
und Erreichung seines wesentlichen Zieles er-
hebt: den Weg des Gebets und den Weg der
Liebe.
Wenn du betest, mein Freund, dann betest
du nicht, damit dein Nachbar dich sehe und
dir Lohn werde. Du betest, weil du Gott
liebst, weil er dein teuerster Vater ist, deines
Geistes einziger Kenner, Richter und Beschützer.
Im Vertrauen auf seine Weisheit, in der Fülle
überströmender Liebe sprichst du: Dein heiliger
Wille geschehe.
So auch werden wir die Kunst, unser Gebet,
üben, nicht für die Welt, die uns umgibt,
nicht für das Geld, das zum Leben scheinbar
notwendig ist, nicht für Handwerkshochmut
wegen unserer Tüchtigkeit, nicht für den Bei-
fall der Gasse, die den Rufenden in der Wüste
noch nicht hören will. Üben werden wir sie
aus Liebe, um uns zu nähern und uns zu ver-
 
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