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Monatsblätter für christliche Kunst, praktische Kunstfragen und kirchliches Kunsthandwerk

V. Jahrgang, 6. Heft, März 1913
Verlag der Gesellschaft für christliche Kunst, München. — Preis des Jahrgangs inkl. Frankozustellung M3 —

ÜBER RELIGIÖSE HOLZPLASTIK
Von C. dell’Antonio
Wenn man ein Museum für Völkerkunde
durchwandert, so findet man selbst bei
den wilden Völkern eine gewisse Vorliebe für
holzgeschnitzte Figuren, die für den religiösen
Kult bestimmt sind. Es sind meistens fratzen-
hafte Gebilde, die die guten und bösen Geister
darstellen. Weil das Holz mit verhältnismässig
primitivem Werkzeug bearbeitet werden kann,
ist es von den Völkern, die noch auf einer
niederen Kulturstufe stehen, gerade zu solchen
Darstellungen als geeignetes Material bevor-
zugt. Man vermutet daher mit Recht, dass
die Anfänge und ersten Versuche plastischer
Kunst in Holz gemacht wurden. Bei den alten
Völkern: Ägyptern, Assyrern, Persern, Phö-
niziern und Griechen hatte die Holzplastik
bereits eine hohe künstlerische Stufe erreicht,
als sie durch die Stein- und Bronzeplastik ver-
drängt wurde. Von den Ägyptern sind uns
eine Menge kleinere und grössere Holzplastiken
erhalten, die ein hohes technisches und künst-
lerisches Können aufweisen Mehrere sind in
den verschiedenen Museen Europas zerstreut,
die meisten jedoch befinden sich in dem Museum
zu Bulak in Ägypten. Von den Griechen sind
zwar keine Holzplastiken auf uns gekommen;
Plinius berichtet aber, dass noch bei seiner
Lebzeit an den berühmtesten Orten Griechen-
lands viele Holzstatuen vorhanden waren. Die

griechische Holzplastik stand hauptsächlich im
Dienste des religiösen Kultus1) und erreichte
als solche eine hohe Stufe. Wenn man be-
denkt, wie das FIolz verfaulen und vermorschen
kann, wie leicht es vom Wurm zernagt und
durch Feuer zerstört wird, dann ist es nicht
zu verwundern, dass die griechischen Holz-
skulpturen nicht auf uns gekommen sind. Auch
gab es schon damals „Bilderstürmer“. Von
dem Gottesleugner Diagoras wird erzählt, dass
er mittelst einer Herkulesstatue sein Essen
kochte, „weil es ihm an Holz fehlte“.
In der späteren griechischen und in der
römischen Zeit erscheint die Holzplastik gänz-
lich vernachlässigt.
Erst nachdem die christliche Religion staat-
lich anerkannt wurde (im Jahre 313), scheint
die Holzplastik wieder allmählich zu neuem
Leben zu erwachen. Wenn auch in den alt-
christlichen Basiliken hauptsächlich die Malerei
zur Ausschmückung der Wände herangezogen
wird, so findet doch auch die Holzschnitz-
kunst in den christlichen symbolischen und alt-
testamentlichen Darstellungen neue Betätigung.
Aus jener Zeit sind nur spärliche Reste der
Holzschnitzkunst erhalten geblieben. Die be-
deutendsten davon sind wohl die aus Zedern-
holz geschnitzten Türen von S. Sabina auf
dem Aventin in Rom aus dem fünften Jahr-
hundert. Es sind noch zehn kleinere und

’) Winckelmann, Geschichte der Kunst.
 
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