Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
66

VON KÖLN ÜBER AACHEN NACH TRIER

vor der Vollkommenheit des Innenraums. Wie
magisch das farbige Licht von allen Seiten
durch die hohen Fenster flutet! Wie unter
seinem Fluss der starre Stein der Wände lebendig
wird! Wie mächtig die Säulen aufstreben und
in der Wölbung sich zusammenschweissen!
Hinter dem geschmiedeten Abschlussgitter
des Hochaltars ordnen sich die Kapellen des
Chors im Halbkreis. Jede von ihnen hat die
Zier eines bemerkenswerten Grabmals, eines
steinernen Sarkophags oder eines schönen
Altars aufzuweisen. Der wertvollste ist der von
Stefan Lochner gemalte. Diese in der ersten
Hälfte des fünfzehntenjahrhunderts entstandene
„Perle der altkölnischen Malerschule“ zeigt
im Mittelfeld die Anbetung der heiligen drei
Könige und jene liebenswerte Madonna, der
wir häufig auf den Bildertafeln des Meisters
Stefan begegnen. Auf dem linken Flügel ist
Ursula mit ihren Jungfrauen, auf dem rechten
der prächtig gerüstete Gereon mit der theba-
ischen Legion dargestellt. Eine Verkündigung
Mariä schmückt die Aussenseiten des Altar-
schreins.
Ich habe diesmal nicht versäumt, die Schatz-
kammer des Doms zu besuchen, die eine un-
endliche Fülle der Kostbarkeiten vieler Jahr-
hunderte enthält. Das Schönste, dünkt mich,
ist der mit Edelsteinen von auffallender Grösse
gezierte Reliquienschrein der heiligen drei
Könige, ein Kunstwerk mittelalterlicher Gold-
schmiede-Arbeit. An die Überführung dieser
Reliquien nach Köln erinnert noch der Name
des traulichen Dreikönigen-Pförtchens bei Sankt
Maria im Kapitol, und die Symbole des Kölner
Wappens, das in seinem oberen Felde die
drei Kronen führt, während die elf Flammen
des unteren das Gedächtnis des Martyriums
der elftausend Jungfrauen feiern, die wir in
Begleitung der heiligen Ursula auf Meister
Stefans Altarbild fanden.
Auch der Schrein des heiligen Engelbert,
in Silber getrieben, aus dem siebzehnten Jahr-
hundert, ist wundervolle Arbeit. Mit kostbaren
Monstranzen, Kelchen und Kreuzen, übersät
mit Edelgestein, sind die Glasschränke an den
Seiten gefüllt. Wer Musse hat, sich darin zu
vertiefen, sollte sie ja für sich in der Stille

geniessen ohne gewerbsmässige Führer, die
einem die Freude stören an Dingen, die schön
sind und kostbar an sich und uns dazu wert-
volle Blicke tun lassen in die Werkstätten
früherer Jahrhunderte und in die Gläubigkeit
der Besteller wie der Künstler.
Dann geht es wieder heraus in das fünffach
gegliederte Langschifl' der Kirche. Malerisch
wirken die scharlachrot bekleideten Dom-
schweizer, die den Eingang zum Chor auftun
— gewaltig die Kolossalstatue des heiligen
Christoforus, und die vielen prächtigen Figuren
an den übrigen Pfeilern. Kennt man die Ge-
schichte dieses Doms, der im 13. Jahrhundert
begonnen und bis zum 16. soweit geführt
wurde, wie er dann die folgenden drei Jahr-
hunderte verblieb, so schaut man voll Stolz
und Freude um sich. Zu denken, dass in
diesen Räumen zur Zeit der französischen
Schmachherrschaft ein Frucht- und Fourage-
magazin bestand! Zu wissen, dass die Befreiungs-
kriege auch eine geistige Befreiung des deut-
schen Volkes nach sich zogen! Dass Herzen
erglühten für bisher verkannte Schätze des
Mittel alters! Dass Sulpiz und Melchior
Boisseree es waren, die die Fackel ihres
eigenen begeisterten Sinnes für Schönes und
Grosses in weite Kreise trugen und die An-
regung zur Wiederherstellung des Petrusdomes
gaben ! Ihrem unermüdlichem Eifer gelang es,
bedeutende Männer wie Görres und die beiden
Schlegel, Wallraf und selbst Goethe für die
Sache des Doms zu werben. Der Kronprinz
und spätere König von Preussen spendete
Geldmittel: von allen Seiten flössen Gaben zu-
sammen: Nicht nur den weiteren Verfall zu
verhüten — nein, in fünf Jahrzehnten stand der
Dom, wie ihn schöpferisch sein erster Bauherr,
Meister Gerhard von Rile gedacht, wie ihn
vielleicht schon Engelbert der Heilige geträumt
hatte. Unter Konrad von Hochstaden ward
am 14. August 1248 der Grundstein gelegt —
am 15. Oktober 1880 ward im Beisein Kaiser
Wilhelms und aller Fürsten des geeinigten
Deutschen Reiches die Vollendung gefeiert.
Aus den Turmglocken schallt seitdem die
machtvolle, mahnende und tröstliche Stimme
der „Kaiserglocke“, die gegossen wurde aus
 
Annotationen