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Leonardo; Ludwig, Heinrich [Hrsg.]
Das Buch von der Malerei: nach dem Codex Vaticanus 1270 — Quellenschriften für Kunstgeschichte und Kunsttechnik des Mittelalters und der Renaissance, Band 18: Wien: Braumüller, 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.73085#0058

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34 WETTSTREIT DER MALEREI MIT DER MUSIK.
du schreibst, was im Geist steht, gerade so, wie der Maler
auch thut?
Und würdest du sagen, die Musik sei aus Verhältniss-
mässigkeit zusammengefügt, so bin ich mit ganz eben solcher
der Malerei nachgegangen, wie du sehen wirst.
Nr. 34, a. 31 b.
Diejenige Sache ist höher an Rang, die dem besseren Sinn
Genüge leistet; also ist die Malerei, die Befriedigerin des Ge-
sichtssinnes, vornehmer als die Musik, die nur dem Ohr genug
thut. Das Ding ist vornehmer, welches grössere Dauer hat.
Demnach ist die Musik, die vergeht, während sie entsteht,
weniger werth als die Malerei, die man mit Glasur ewig dauernd
macht.
Die Sache, die grössere Vielseitigkeit und Mannigfaltig-
keit in sich birgt, wird die herrlichere und vorzüglichere ge-
nannt; so muss also die Malerei allen anderen Thätigkeiten
vorangestellt werden, denn sie enthält in sich alle Formen,
die es in der Natur gibt, und solche, die es nicht gibt; sie muss
mehr gepriesen und erhöht werden, als die Musik, die nur der
Stimme wartet.
Mittelst ihrer macht man die Götterbilder, um welche her
der Gottesdienst begangen wird, der mit Musik, — die (also
in diesem Fall) der Malerei dient, — geziert ist. Mittelst ihrer
gibt man Liebenden ein Abbild von der Ursache ihrer Liebes-
pein, mit ihrer Hilfe hält man Reize fest, welche Zeit und
Natur entfliehen lassen, und durch sie bewahren wir (der Nach-
welt) die Züge berühmter Männer. Würdest du sagen, die Musik
werde durch's Niederschreiben verewigt, das Gleiche thun wir
hier (für die Malerei) durch Schriftzeichen. Also: — Nachdem
du der Musik einen Platz bei den freien Künsten gegeben, so
stellst du nun auch entweder die Malerei dahin, oder du ent-
fernst wieder jene. Und wenn du einwendetest, dass die Malerei
geringe Leute betreiben, ganz ebenso wird auch die Musik von
solchen verpfuscht, die nichts von ihr verstehen.
Nr. 34, b. 31 C.
Wirst du sagen, die reinen Geisteswissenschaften, das seien
die nicht handwerksmässigen, so -will ich dir erwidern: Die
 
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