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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 13.1907

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Heft 4
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Ammann, K.: Bildnis und Zeitcharakter
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https://doi.org/10.11588/diglit.26231#0153

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Richard Seel: Ad. Scharfdausen.

Gebärde gleich bescbeiden und nnrepräsentaliv; dies mn so

mebr, als der Dargesiellre sasi nnr nnter seinesgleicben
zu verkebren pslegt und das Bildniö ja aucb bloß dem
samilialen Gedenken gewidmet issi besiimmsi in seinen
engen vier Wänden zu bleiben, und somit aucb deren
bescheidenen Raumverbältnissen im äußeren Umsange
durchaus angemessen isi. Was daran etwa repräsentativ
erscheinen könnte, isi der Sonntagsstaat mit dem üblichen
Schmuck, beides in äußerer Wirkung indeS keineswegs
betont, sondern meist genugsam zurückgedrängt, oft
sogar durch die Beigabe eines Lieblingsgegensiandes
irgendwelcher Art und Beftimmung. Dem auSschließlich
ebenbildlichen Zweck dient die unbesiechlich sirenge Wieder-
gabe deS Physiognomischen und Phrenologischen in
Gesicht und Händen. Der gesammelte, oft biS mS
Bärbeißige gehende Ernsi deS Ausdrucks und die Strenge
der Darftellung in allen diesen Bildnissen zeigen, daß
vom Künstler wie vom Modell sogar die Porträt-
sitzung als eine wichtige Arbeit und Pflicht betrachtet
wurde; die Abwesenbeit jeder Pose aber, daß der Ge-
danke an eine öffentliche Schaustellung des BildnisseS,
wie wir sie beute üben, beiden Teilen jedensalls sern-
lag. Die ins Porträr gelegte Energie und Kraft künst-
lerijcher wie enger bildnislicher Sammlung mag damals
alS nichtS Besonderes empsunden worden sein: sie lag
im Wesen der Ieit, in der Strenge und Solidität aller
ihrer Anschauungen; sür uns aber ist sie heute je

läuger je mehr sühlbar und wird alö faft
dynamisch wirkend und meßbar empsunden.
Es mag nun noch besonders die Bedeutung
des künsilerischen ObjektS betrachtet und sest-
gebalten werden; in Formel gesaßt wird sie
etwa so lauten: Der Dargestellte sab darin
nur daS Ebenbild; seine Person; daS Jndi-
viduum; der Künftler eine ihm um seines
Modells willen schätzenswerte, um seiner
Kunsi willen aber heilige Sache. Diese
sirenge Wertung wandelt sich im Laus der
Zeiten durchauS.

Bei den Venezianern (erwa unter Tizian),
bei den Niederländern unter Rembrandt,
Halö, van Dyck und RubenS, im ganzen
also ein Jahrbundert später, tritt bereirs die
repräsentative Nore siärker bervor, ja zum
Teil wird sie herrscbend. DaS Leben des ein-
zelnen Dargesiellten und deS Künstlers, wie
das ibrer ganzen Zeitgenossenschasr ist, wo
nicbt sasi völlig össentlich wie bei den Vene-
zianern, so doch auSgiebig gesellig und gesell-
schaftlich geworden. Die vier Wände des
ebemaligen engen Bürger- und Handwerker-
hauses haben sich ausgeweitet und seben
siatt aus eine siille Familie, die nur Fürsorge,
Arbeir und Pflichtersüllung kannte, aus ein
glänzendereö, bewegtes Leben, daö nicht so
sehr mebr daö sleißig-behutsame Erwerben
schätzt, als vielmehr ein sorgenloseres Dahin-
leben und reiches Genießen. Was will in
solcbem Kreise daS BildniS! Es wird weit
weniger alS vordem ein objektiveS Ebenbild
und liebevoll gehegteö Erinnerungssiück sein,
als ein auch sehr aus die ein- und auögehende Gesell-
scbast berecbneteS Scbmuckwerk deS Raumes, ein deko-
ratives Wandsüllsel, daS, den veränderten Raum-
verhältnissen mit bohem Geschmack angepaßt, größer
im Format, breiter und sreier in der Technik, aber
auch flacher und weniger eingehend im Physiogno-
mischen geworden ist. Mit der veränderren gesell-
schaftlicben Stellung des Dargestellten wie deö Dar-
siellerS bat sich auch daS innere Verbältnis beider zu
dem Bildnis gewandelt: Jener schätzt darin nicht mebr
so sehr das Ebenbild, daS Jndividuum, sondern mehr
das Zier- und Prunkstück, also die Sache; der Künstler
weit weniger die ibm und seiner Kunsi heilige iLache,
als den vornehmen, ihm wertvollen Auftraggeber, somit
die — Person. Man süblt schon jetzt, daß die ehemalige
Wertung sich ungesähr in ihr Gegenteil verkehrt hat.

Hieraus ist die weitere Entwicklung des Bildnisses
unschwer abzunehmen und es braucht kaum eingehender
ausgesührt zu werden, daß inr Barock das Intim-Per-
sönliche des Porträts noch mehr zugunsten deö Dekora-
tiven zurücktreten mußre. Wenn hier wie im nachsolgenden
Rokoko die Person gerade gut genug dünkte, alS Modell
sür die Götter und Göttinnen zu dienen, die die ge-
malten Wände und Decken zierten, so ist dann't ja genug-
sam gezeigt, welcheö der Grundzug auch deS Staffelei-
bildniffes werden mußte. Eine im Jnteresse des Enger-
Physiognomischen so sehr aus einen bescheideneren Raum
 
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