Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 13.1907

DOI Heft:
Heft 5
DOI Artikel:
Beringer, Joseph August: Gabriel von Grupello am Oberrhein
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26231#0188

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
in di'esem Jahr schuf der aus Mannhcim ftammende
Bildhauer Job. Hoffart die trefflich zum Hauptwerk
passenden Brunnenfiguren; erft seit diesem Iahr sprangen
die Wasserwerke erstmals um das ehrwürdige und kunst-
reiche Denkmal, das zu so sagenreichen Auslegungen
Veranlassung gegeben hat.

Die „Kunstpyramide" sührt in alten Verzeichnissen
die Benennung „Diana und Aktäon". Es ist offenbar
sür nahe und nicht hohe Ansicht bereclmet gewesen und
besteht jctzt noch aus drei Gußringen mit einer üppigen
Allegorie aus weit auseinanderliegende Jdeenkreise.
Der unterfte Ring, der durch seinen figürlichen Jnhalt
dem Werk dcn populären Namen gab, ist verloren
gegangen. Das heute noch vorhandene Gußwerk in
seinster Bronze von etwa 12 Meter Höhe und 15 Tonnen
Gewicht ist lange Zeit als ein Denkmal aus den psälzisch-
orleanischen Krieg gedeutet worden. Davon kann jedoch
keine Rede sein, wenn man dem Denkmal keine Gewalt
antun will. Die cntsetzlichen Kriegsnöte des für Kur-
psalz unheilvollen Krieges sind keine Veranlassung zu
monumentaler Verewigung gewesen. Die Allegorie
entspricht aber sebr gut dem Zeitgeist, und die Plastik und
der Guß ist so vollendet, daß die ganze Liebe des
Künstlers ersichtlich ift, die das Werk geschaffen hat.
Mathy, der dem Werk in seinen „Studicn" eine ein-
gehende Betrachrung gewidmet hat, trifft wohl das
Richtige, wenn er in den liegenden Hauptfiguren des
unteren Ringes mit ihren Attributen die vier Tages-
zeiten und zugleich die vier Himmelsgegendcn erkennt,
über denen sich an den Eckcn aufrecht stehend die vier
Kardinaltugenden erheben, dic durch entsprechende
Figuren mit zugehörigem Spruch charakterisiert sind.

Die Mäßigkeit, in der üblichen Weise als Frau
dargestellt, die Wasser aus einer Kanne gießt, hat zur
Seite den Spruch: Uoäoi-ata äui'arit (Das Mäßige hat
Daucr). Dic Weisheit, mit dem Hermelin bekleider,
aus der Stirnc die Strahlenkronc und den Spiegel dcr
Wahrbeit emporhaltend, führt den Spruch: n>olo

assit, oäit I1166M (Wer schlecht Handelt, scheut das Licht).
Entgegen der Konvention sind ausfatlenderwcise die
beiden andern Tugenden als Männer gebildet.

Die Gerechtigkeit, mit den Insignien königlicher
Macht, mit verhülltem Antlitz und einer ganzen Anzahl
die Allegorie verstärkender Begleitfiguren, kennzeichnet
ihre durchdringende Krast durch den Spruch: Nuniumu
latot (Niemals verborgen). Die Tapferkcit oder
Stärke ist ebenso seltsamer Weise durch dic vortrefflich
im Ausdruck geratene Figur des Mucius Scaevola
gedeutet, der seine Hand mit dem Schwert in die
Flammen Hält, getreu dem Spruch: Kssore patl
stoiuuuum est (Handeln und Dulden ist römisch).

Der mittlere Ring zeigr Trophäen und Embleme, die
sowohl die Allegorie des unteren Ringes verstärken, als
auch in die Gruppen des oberen Ringes überleiten. Die
Verstärkung der Allegorien ersolgt durch die Hervor-
hebung der Gegensätze, die sich aus der Nichtbesolgung
der Tugenden crgeben.

Der oberste Ring befteht aus cinem Knäuel von
mclychlichen Figuren, die in allcn Zuständen der Leiden-
lchasten, des Kampses, sich durcheinander schlingen. llber
allem diesem aber erhcbt sich Saturn mit der Sense,

G. v. Grupello: „Statua" auf dorn Paradeplatz zu Mannlleim.

(Nach alter Bezeichnung „Diana und Aktäon".)

dcr der Wahrheit das verhüllende Gewand wegnimmt,
während Fama mit dcr Posaune den Ruhm und Sieg
der Wahrhcit verkündet.

Somit wärc das merkwürdige Wcrk die Verherr-
lichung des cndlichen Sieges dcr höhercn ewigen Ideen
über die wechselnden irdischen Mächte. Die harmonische
Wcltaussassung eines Leibniz ist hier plaftiscb zum Aus-
druck gekommen, wobei im Auge zu bebalten ist, daß
Lcibniz gleichzeitig mit Iohann Wilhelm lebt und in
regsten Beziehungen zu Sophie Charlotte steht, dcr geijt-
vollen jüngsten Tocbtcr des Winterkönigs Friedrich von
der Psalz.

Die irdischen Dinge sind wechselvoll wie Tag und
Nacht, Morgen und Abend; sie verändern sich wie die
Winde aus dcn Himnielsrichtungen. Als unabänderliche

>45

2
 
Annotationen