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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 13.1907

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Heft 6
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Schäfer, Wilhelm: Am Niederrhein: Rheinfahrt
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https://doi.org/10.11588/diglit.26231#0237

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Arn Niederrhein.

Klever Tor m Tanten.

(Photographie aus: Clemen, Denkmäler der Rheinprovinz.)

der Gorik an Konstrukrion geleistet wnrde, in der Kübn-
heil wie Einfalt übertriffl. Und wenn sich daitn oor
unseren Blicken, iin raschen Strom abglcitend, die Fahr-
bahn wieder senkt und sich die Bogen wieder heben zu
ihrer leichtgeschwungenen Kurve: gehen nns wobl Ahn-
lichkeiten aus in der Verstäbung, wir staunen sast ein
neues Stück der deutschen Gotik an.

Jndeffen spinnt sich schon ein grauer silberzarter
Dust um ihre dunklen Eisenstücke und macht sie hell
und zart; wie er die Bäume am Ufer zarter macht —
es sind auch hier die deutschen Pappeln und alle ein
wcnig schies gebogen mit dem Wind — und wie die
Türine und Dächer dicht überm Wasser, und wie der
Himmel selber. Perlmutterscheinig duftig grau, darin
die stärksten Farben nur verschwiegen leuchten und alleS
sich in eine Harmonie sehr zarter Klänge hüllt: so ift
der Niederrhein, wenn man an einem Sommertag von
Düffeldorf nach Kaiserswerth das Dampsboot nimmt;
auch wenn der Wind sehr lustig weht und unterwegs die
weißgetünchten Häuser mit grünbemooften Aiegeldächern,
auch schwarzglasierten Psannen, auch oft gefleckt, schon
praller in der Sonne stehen. Eö ist nicht mehr der grüne
Rhein, auch nicht der eisengraue: hell schäuint daö Waffer
in dein Wind und ift schon wie ein kleineö Meer.

Und wenn wir so, duftig zerblasen, in KaiserSwerth
gelandet sind, wo an der hohen Iiegelmauer die Bengel

unnütz ihre Glieder reckeln und ein paar Gaffer srech
die Fremden mustern: dann weiß ich wohl was beffereö,
alö mit dem Tiefblick eineS ForscherS an den Funda-
mentcn der Kaiserpsalz herumzuschnüffeln, auch befferes
noch, alö in der Kirche des heiligen Suitbertus eine
niederrheinische Pseilerbasilika zu bewundern, die vor
dreißig Jabren ein Prosessor anS Berlin stilvoll her-
richten und mit zwei völlig neuen Türinen ausbauen
konnte. DaS bessere aber ist, behaglich in daS Städt-
chen hineinzuschlendern, daS in der überbreiten Mittel-
straße mit vielen Nebengaffen das saubere Bild einer
Wobnart am Niederrbein vermittelt. DaS Haus ist
hier ein niedrigeö Backsteinding, doch ganz getüncht in
einem duftig grünen Blau, das in der Ferne heller
leuchtet als jedeö Weiß und in der Nähe zartsarbig
duff — nicht schmierig glänzend wie Dlsarbe - ein
Farbenlabsal sür das Auge ist. Der Sockel dazu
schwärzlich grün, auch braun, auch grau, doch immer
gur gestimmt — manchmal japanisch sein — zu grünen
Läden und dem weißen Fensterwerk. Erstaunt muß
man den Tünchern hier vom Lande einen Geschmack
zuerkennen, den später die kunftgewerblich überbildetcn
Anstrcichermaler schainlos verdarben.

Ein solches Haus zu sehen, wenn unter Bäumen
die Sonne aus die getünchten Wände ihre Lichter und
Schatten wirst, die aus dem blaugrünen Weiß viel
Helligkeit behalten, sast rranSparent, wie wenn es gar
nicht auS Steinen gebaut wäre: ist ein Entzücken. In
der geschlossenen Straße fteht es ernster da. Da wirken
die gekalkten Wände als Reinlichkeit; und reinlich ist
auch alles drinnen, sunkelnd das Geschirr, und Sams-
rags auf dem weißgeschrubbten Boden weißer Sand,
auch aus dem blankgescheuerten Osen. So war es

Neuß. (Nach einer Itadierung von M. Clarenbach.)
 
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