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Die xunehmende Seibständigkeit der Landschaft, der höhere Werth, das grössere Inter-
esse, die man ihr beilegt, sprechen sich zunächst, analog der Zunahme des Genreartigen in
der Historie für das Sittenbild, darin aus, dass eine Reihe von Künstlern die Landschaft
immer mehr ausdehnt, bis die historische Scene zuletzt nur als Staffage erscheint.
Besonders charakteristisch vertritt diese Stufe Joachim Patenier, der gegen Ende
des 15. Jahrhunderts zu Dinant geboren, 1515 Freimeister der Antwerpener St. Lucasgilde
wurde und daselbst spätestens 1524 starb. Man hat daher Patenier zuweiien „den Urheber
der Landschaftsmalerei der Niederländer" genannt p) damit überschätzt man ihn ganz
erheblich, aber immerhin ist er, zumal wenn wir ihn zusammen mit seinem Schüler
Hendrik Bles und den weiteren Nachfolgern betrachten, für die Geschichte der Landschaft
recht beachtenswerth. Der enge Anschluss an die niederländische Hintergrundslandschaft
des 15. Jahrhunderts, viel weniger dagegen des Künstlers Abstammung aus dem wallonischen
oberen Maasthal bedingen bei Patenier's Landschaften jenen reichen, phantastischen Charakter,
dessen Unnatur um so mehr auffällt als die Landschaft an Ausdehnung und Bedeutung
gewinnt.
Altdorfer steht als Landschafter entschieden höher wie diese Niederländer, er ist ihnen
überlegen durch seine Beleuchtungseffekte zumal im Hintergrund der Alexanderschlacht,
durch die geschickte Komposition und den Sinn für schlichte Schönheit der Natur in den
selbständigen Landschaften, häufig auch durch feine Detailbeobachtung. Aehnliches liesse
sich von anderen oberdeutschen Landschaften der Zeit ausführen, von denen wir als das
Bedeutendste oben Dürer's Studien näher besprachen, von deren prächtigem Sinn für Cha-
rakteristik auch des Einfachsten und gerade des Einfachsten diese Niederländer noch keine
Ahnung haben.
Und doch nehmen jene oberdeutschen Künstler, obgleich sie auch abgesehen von Dürer
gewiss nicht unter Patenier und Bless sondern häufig sogar über ihnen stehen, obgleich sie
ihnen namentlich an originaler Naturbeobachtung überlegen sind, in der Geschichte der
Landschaftsmalerei nur eine, allerdings recht interessante, episodenartige Stellung ein. Patenier
und Bless dagegen, so wenig Neues auch ihr Verhältniss zur Natur bringt, können zwar
gewiss auch nicht als epochemachende Künstler in der Geschichte dieser Gattung genannt
werden, wohl aber sind sie ein wichtiges Glied, genauer noch die namhaftesten Vertreter
eines solchen, in der Entwicklung der Landschaftsmalerei der südlichen Niederlande. Sie
hatten eben das Glück in einer Schule zu arbeiten, in der die Landschaft auch in den
folgenden Generationen gepflegt, ihre Fortschritte desshalb direkt aufgegriffen und weiter
gebildet wurden, während in Oberdeutschland erst im 19. Jahrhundert sich die Landschaft,
dann natürlich erheblich unterstützt durch die Niederländer namentlich durch die Holländer
des 17. Jahrhunderts, mühsam zur selbständigen Gattung mit einem ihrer Zeit und ihrem
Lande entsprebenden Eigenart emporarbeitete.
i) So Waagen: Handbuch der deutschen u. niederländischen Malerschulen. Stuttgart 1862. 1. 153.
Besser giebt dessen historische Stellung Kugler: Geschichte der Malerei II. 586 und besonders Woermann
in Woltmann-Woermann: Geschichte der Malerei. Stuttgart 1879 ff. II. 520 f. Interessante Beobachtungen
zur Geschichte der niederländischen Landschaftsmalerei des 16. Jahrhunderts bei Herman Riegel: Abhand-
lungen und Forschungen zur niederländischen Kunstgeschichte. Berlin 1882. Bd. I. S. 33 ff. in dem Aufsatz:
Der geschichtliche Gang der niederländischen Malerei im 16. Jahrhundert.
Die xunehmende Seibständigkeit der Landschaft, der höhere Werth, das grössere Inter-
esse, die man ihr beilegt, sprechen sich zunächst, analog der Zunahme des Genreartigen in
der Historie für das Sittenbild, darin aus, dass eine Reihe von Künstlern die Landschaft
immer mehr ausdehnt, bis die historische Scene zuletzt nur als Staffage erscheint.
Besonders charakteristisch vertritt diese Stufe Joachim Patenier, der gegen Ende
des 15. Jahrhunderts zu Dinant geboren, 1515 Freimeister der Antwerpener St. Lucasgilde
wurde und daselbst spätestens 1524 starb. Man hat daher Patenier zuweiien „den Urheber
der Landschaftsmalerei der Niederländer" genannt p) damit überschätzt man ihn ganz
erheblich, aber immerhin ist er, zumal wenn wir ihn zusammen mit seinem Schüler
Hendrik Bles und den weiteren Nachfolgern betrachten, für die Geschichte der Landschaft
recht beachtenswerth. Der enge Anschluss an die niederländische Hintergrundslandschaft
des 15. Jahrhunderts, viel weniger dagegen des Künstlers Abstammung aus dem wallonischen
oberen Maasthal bedingen bei Patenier's Landschaften jenen reichen, phantastischen Charakter,
dessen Unnatur um so mehr auffällt als die Landschaft an Ausdehnung und Bedeutung
gewinnt.
Altdorfer steht als Landschafter entschieden höher wie diese Niederländer, er ist ihnen
überlegen durch seine Beleuchtungseffekte zumal im Hintergrund der Alexanderschlacht,
durch die geschickte Komposition und den Sinn für schlichte Schönheit der Natur in den
selbständigen Landschaften, häufig auch durch feine Detailbeobachtung. Aehnliches liesse
sich von anderen oberdeutschen Landschaften der Zeit ausführen, von denen wir als das
Bedeutendste oben Dürer's Studien näher besprachen, von deren prächtigem Sinn für Cha-
rakteristik auch des Einfachsten und gerade des Einfachsten diese Niederländer noch keine
Ahnung haben.
Und doch nehmen jene oberdeutschen Künstler, obgleich sie auch abgesehen von Dürer
gewiss nicht unter Patenier und Bless sondern häufig sogar über ihnen stehen, obgleich sie
ihnen namentlich an originaler Naturbeobachtung überlegen sind, in der Geschichte der
Landschaftsmalerei nur eine, allerdings recht interessante, episodenartige Stellung ein. Patenier
und Bless dagegen, so wenig Neues auch ihr Verhältniss zur Natur bringt, können zwar
gewiss auch nicht als epochemachende Künstler in der Geschichte dieser Gattung genannt
werden, wohl aber sind sie ein wichtiges Glied, genauer noch die namhaftesten Vertreter
eines solchen, in der Entwicklung der Landschaftsmalerei der südlichen Niederlande. Sie
hatten eben das Glück in einer Schule zu arbeiten, in der die Landschaft auch in den
folgenden Generationen gepflegt, ihre Fortschritte desshalb direkt aufgegriffen und weiter
gebildet wurden, während in Oberdeutschland erst im 19. Jahrhundert sich die Landschaft,
dann natürlich erheblich unterstützt durch die Niederländer namentlich durch die Holländer
des 17. Jahrhunderts, mühsam zur selbständigen Gattung mit einem ihrer Zeit und ihrem
Lande entsprebenden Eigenart emporarbeitete.
i) So Waagen: Handbuch der deutschen u. niederländischen Malerschulen. Stuttgart 1862. 1. 153.
Besser giebt dessen historische Stellung Kugler: Geschichte der Malerei II. 586 und besonders Woermann
in Woltmann-Woermann: Geschichte der Malerei. Stuttgart 1879 ff. II. 520 f. Interessante Beobachtungen
zur Geschichte der niederländischen Landschaftsmalerei des 16. Jahrhunderts bei Herman Riegel: Abhand-
lungen und Forschungen zur niederländischen Kunstgeschichte. Berlin 1882. Bd. I. S. 33 ff. in dem Aufsatz:
Der geschichtliche Gang der niederländischen Malerei im 16. Jahrhundert.