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Rooses, Max
Geschichte der Malerschule Antwerpens: von Q. Massijs bis zu den letzten Ausläufern der Schule P. P. Rubens — München, 1881

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https://doi.org/10.11588/diglit.20661#0056
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IV.

ältesten Antwerpen’schen Maler.

Quinten Massijs.

he wir die eigentliche Gefchichte der Antwerpen’ fchen Schule
begannen, befchäftigten wir uns ziemlich eingehend mit
ihren allgemeinen Verhältniffen, mit der Gefchichte der ihr
voraufgehenden Meifter und endlich mit der Betrachtung
deffen, was' Antwerpen während der Zeit war, als ihre
erften Maler auftraten und die Kunft der fiidlichen Nieder-
lande ihren Hauptfitz in ihren Mauern auffchlug. Wir haben
verfahren, wie Jemand der ehe er uns in eine Kirche oder in
ein anderes Gebäude führt erzählt, wann und wie das Werk begonnen wurde,
aus welchen Gründen es errichtet und in welchem Styl es aufgeführt wurde.
Wie diefe Aufklärungen nöthig find um ein Gebäude richtig kennen zu lernen,
fo war es auch nothwendig, fich Rechenfchaft von den Umftänden zu geben,
unter welchen die Malerei innerhalb unferer Mauern Wurzel fafste und empor
wuchs, um ihr Entliehen und ihren Auffchwung nicht blos kennen, sondern
auch begreifen zu lernen.

Ganz im Allgemeinen ift eine Erfcheinung in der Gefchichte, eine Zeit-
periode aus dem Beftande eines Volkes, felbft das Leben eines einzelnen Men-
fchen nicht zu verftehen, wenn man fie aus ihrer Umgebung lostrennt. Wenn
man die Abenteuer eines Chinefen erzählt, als wäre er ein Niederländer; wenn
man von Jemand fpricht, der um d. J. 1000 oder 1500 lebte, als ob er aus
unterem Jahrhundert wäre; wenn man dem Lefer nicht fagt, was in der Ge-
burtszeit oder an dem Geburtsort des in Rede flehenden Mannes der Ent-
wicklung feines Talentes vortheilhaft oder ungünftig war, was Andere vor ihm
gefunden oder gethan haben, um ihm feine Ihätigkeit zu erleichtern oder zu
erfchweren: fo giebt man Räthfel zu löfen, und macht die Gefchichte weder
klarer noch intereffanter, als wenn man ein Blatt mitten aus einem dicken Buch
ausreifst und vorlieft ohne Mittheilung von dem, was auf den vorhergehenden
Blättern behandelt worden ift.

Aus dem, was wir gefehen haben, geht hervor, dafs in der erften Hälfte
des XV. Jahrhunderts die Malerei zu Brügge und in anderen flandrifchen Städten
einen hohen Grad von Entwicklung erreichte, und dafs um 1450 auch in Ant-
werpen ein Kunftleben entftanden war, welches fich mit dem ftets zunehmen-
den Luxus der Stadt zu wachfender Bliithe erhob. Fragen wir nun darnach
welchen Rang die Maler in der Reihe der Künftler, die unter dem Banner der
St. Lucas-Gilde vereinigt waren, bekleideten, fo ift es unbeftreitbar, dafs er
von früher Zeit an der erfte war. Von den 35 Meiftern, die 1453 aufgenommen

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