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log VI. Die erften Nachfolger der Italiener.

die breite Freiheit diefer grofsen Meifter und ifb vielmehr gefchickt durchge-
führt; aber es hat in der That ihre fchöne, glänzende Wahrheit und ift wie
die Porträts jener ein Meifterwerk.

Aufser dem Maler, der 1617 noch das väterliche Haus bewohnte, hinter-
liefs Bernaard de Rijckere noch einen anderen Sohn, der am 5. Juli 1566 ge-
tauft wurde und vor feinem 30. Jahre ftarb. Er vollendete die Porträts von Marten
della Faille und deffen Frau, welche die Jahrzahl 1592 tragen. Die Bilder,
welche Antwerpen von feinem Vater befitzt, diefem Sohne zuzufchreiben, fehlt
es an vollgenügenden Gründen.

Nicht minder bedeutend ift FRANS POURBUS* als der Sohn des Peter Pourbus,
eines in Brügge anfäfsigen Malers, 1 540 dafelbft geboren. Nach dem erften Unter-
richt bei feinem Vater kam er nach Antwerpen, wo wir ihn noch in Frans Floris
Werkftatt finden, und zwar nach van Mander als deffen beften Schüler. 1569
trat er, wie die Liggeren ausweifen, als Freimeifter in die St. Lucasgilde, worauf
er fich als einen fehr verdienftvollen Hiftorien- und Thiermaler bekannt machte
und noch mehr als Porträtmaler auszeichnete. 1566 willens nach Italien zu
gehen, wurde er durch die Liebe zu der Nichte feines Meifters zurückge-
halten und fand, einmal getraut, die Gelegenheit zum Reifen nicht wieder. Als
Fahnenträger bei der Bürgerwache von Antwerpen hatte er fich eines Tages
mit dem Schwingen des Banners fehr erhitzt, wurde, da er fich darauf im
Wachthaufe bei einer feuchten Goffe fchlafen gelegt, krank und ftarb bald,
nach van Mander 1580. Seine Wittwe heiratete Hans JüRDAENS, der fchöne
Landfchaften, Hiftorien- und Genrebilder malte, und kurz nach feiner Ver-
mählung nach Delft verzog, wo er 1509 ftarb.

Pourbus’ Porträts zeichnen fich durch einen kraftvollen Ausdruck aus,
und find gewöhnlich in einem warmbraunen Tone mit aufgehöhten Lichtern
paftos gemalt. Sie haben manchmal etwas Hartes und Undurchfichtiges, das
einzige, was fie den beften Werken der Antwerpener Schule nachftehen läfst.

Seine Hiftorienmalerei ift gewöhnlich milder afs feine Porträttechnik,
und befitzt gleichfalls hohen Werth. »Der hl. Matthäus vom Engel infpirirt«,
im Mufeum zu Brüffel (Nr. 269) zeigt den fchreibenden Evangeliften, wie er
fich plötzlich mit fragendem Ausdruck nach dem Engel umwendet, der ihm
die Hand auf die Schulter legt. Der Heilige ift eine fehr bedeutfame Mannes-
geftalt mit kräftigem Fleifch, fchönen Armen und Beinen und hell vielleicht
zu draftifcli gehaltener rother und blauer Draperie. Der Engel ift weniger
gelungen, feine Geftalt gekünftelt und die Farbe feiner Gewandung verblichen.
Der Auftrag ift gut verarbeitet und ohne Gelecktheit, die Figuren find voll Leben
und natürlicher Bewegung.

Sein Meifterwerk ift das Triptychon der Grabkapelle des Viglius Aytta
van Zuichem in der St. Bavo-Kirche zu Gent. Das Mittelbild ftellt »Chriftus
unter den Schriftgelehrten« dar. In einem Tempel von römifcher Architektur
find die Schriftgelehrten in dichter Schaar um den in der Mitte fitzenden Heiland
verfammelt; im Vorgrunde ftehen verfchiedene Figuren, unter denen man leicht
Kaifer Karl V. und Viglius erkennt. Der linke Flügel enthält die Befchneidung ,,
der rechte die »Taufe Chrifti«. Die Malerei gemahnt durch ihren warmen Ton
und ihre verwafchenen Farben an Floris, hat aber dazu etwas von der gefchickten
Ausführung der älteren Schule. Auch die mangelhafte Perfpective fcheint
Pourbus von einer früheren Kunft geerbt zu haben. Seine eigene Manier aber
läfst fich am meiften in der feinen Ausführung der Köpfe erkennen. Das Fleifch
ift zwar etwas eintönig gelb aber alle Geflehter find eingehend gezeichnet und

* Kervyn de Volkaersbekes, Les Pourbus. Gand. 1S70. p. 25
 
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