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Rooses, Max
Geschichte der Malerschule Antwerpens: von Q. Massijs bis zu den letzten Ausläufern der Schule P. P. Rubens — München, 1881

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https://doi.org/10.11588/diglit.20661#0138
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Adriaan Key. Die Gebrüder Cleef. Die Gebrüder Francken.

III

die »Vermehrung der Brode« dar. Chriftus fitzt im Vorgrunde, die Brode
fegnend, welche ihm ein Kind darbietet, hinter ihm ftehen die Apoftel im Kreife,
kleine Gruppen, welche die wunderthätige Nahrung geniefsen, breiten fich im
Hintergründe aus. Die Hauptgruppe ift einfach, aber fchön componirt, die
andern find unverhältnifsmäfsig verkleinert, die Draperie ift farbig doch nicht
mehr fo glänzend wie bei Marten deVos, das Nackte ift noch etwas hart, läfst
jedoch das Streben nach Verfchmelzung deutlich erkennen.

Ein anderes Stück (Nr. 145) zeigt uns das »Martyrium der hl. Crispinus
und Crispinianus«. Die Heiligen liegen ausgeftreckt auf einer Bank, und aus
ihren nackten Körpern fliegen die Pfriemen nach den Henkern, die mit den
heftigften Geberden von Ueberrafchung und Schrecken fich dagegen zu fchiitzen
fuchen. Die Lebendigkeit der Bewegungen und der Gefühle fteht noch in
Widerfpruch zu dem rofigen Fleifche der Figuren und zu der gekiinftelten
Helligkeit der Farbe ihrer Gewänder. Alles zufammen genommen findet man
jedoch hier wie fonft beiAmbroos Francken weder dieFarblofigkeit desFloris, noch
die leuchtenden Tinten des Marten deVos, fondern ein ruhiges mehr gedämpftes
und beffer verfchmolzenes Colorit. Seine Compofitionen hängen gut zufammen
und haben viel Bewegung; die blaffen Töne find etwas wärmer ohne jedoch
fchon durchfichtig zu werden. Leider folgt der Maler der Neigung, feinen
P'iguren gemachte Haltungen und übertriebene Geberden zu geben, und die
Tinten und Schatten des Fleifches wie die Reflexe auf den Kleidern find oft
nicht minder gekiinftelt wie die Plandlung. In der »Anbetung der hl. Dreifal-
tigkeit“ in der St. Jakobskirche lernen wir ihn noch als lebendigeren Coloriften
kennen; die hundert Figuren find zwar klein aber fein durchgeführt, die Farbe
ift bunt und glänzend und läfst bereits die lackartigen Malereien von Frans
Francken dem Jüngeren vorausfehen.

Weniger Colorift alsAmbroos ift dagegen fein Bruder FRANS FRANCKEN
der Aeltere. Seine Farbe ift, befonders im Nackten, dämmerig grau, oder
fahl oder braun; feine Compofitionen find wenig hervorftechend, aber die Ge-
berden und Gehalten feiner Perfonen haben etwas Breites und Elegantes. Er
war 1567 als Bürger von Antwerpen eingetragen worden und in die St. Lucas-
Gilde getreten. Seine Frau Elifabeth Mertens, welche er 1575 geheiratet, hatte
ihm fechs Kinder geboren, darunter vier Söhne, die alle des Vaters Kunft-
beruf ergriffen, Zwei von den letztem find in der Gefchichte der nieder-
ländifchen Malerfchule als die jüngeren FRANS, und AMBROOS bekannt; von
den zwei übrigen, HIERONYMUS und THOMAS, kennen wir keine Werke. Frans
Francken der Vater ftarb am 5. Oktober 1616 und wurde in der St. An-
dreaskirche begraben.

Hieronymus Francken, der dritte Bruder, war nach van Mander ein
Schüler von Frans Floris; er wohnte noch 1604 in Paris in der Vorftadt St.
Germain und war „ein fehr guter Meifter, der viel fchöne Werke und gute Por-
träts nach dem Leben gemacht hat.“ Er mufs fchon jung nach Frankreich
gezogen fein, denn fein Name kömmt in den Liggeren nicht vor, und die
erfte Meldung, die wir von ihm finden, ift die von van Mander, wonach er 1566
in Fontainebleau im königlichen Schlofse für Heinrich III. arbeitete. Wenn
er wie feine Brüder nach 1540 geboren ift, fo konnte er damals, als er bereits
in der Fremde befchäftigt war, nicht über 25 Jahre alt fein. Zwanzig Jahre
fpäter war er in Paris und malte ein »Chrifti Geburt« darftellendes Altarbild
für die dortige Minoritenkirche. Unter der Regierung Heinrich IV. wie Ludwig XIII.
finden wir ihn noch am franzöfifchen Hofe und in hohem Anfehen. Die Zahl
der von ihm erhaltenen Gemälde ift nicht grofs, aber einige von ihnen zeichnen
fich durch wirkliche Verdienfte und Selbftändigkeit aus.
 
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