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Rooses, Max
Geschichte der Malerschule Antwerpens: von Q. Massijs bis zu den letzten Ausläufern der Schule P. P. Rubens — München, 1881

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https://doi.org/10.11588/diglit.20661#0167
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Politifche und religiöfe Wirren Antwerpens nach 1561.

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von aufftändifchen fpanifchen Soldaten überfallen, und Taufende von Menfchen-
leben wie Millionen an Befitz gingen in der fog. fpanifchen Furie verloren.
Dann folgte die Verdrängung der Katholiken durch die Proteftanten, als Rück-
wirkung nach der Verfolgung der Proteftanten durch die Katholiken. Und
während der Religionshafs fo innerhalb der Mauern wühlte, lauerte Parma
aufserhalb auf den günftigen Moment, fich der Stadt zu bemächtigen.

Der Augenblick kam. 1585 nach monatelanger tapferer Vertheidigung
unter herben Leiden fiel Antwerpen abermals den Spaniern in die Hände.
Wer den neuen Glauben nicht abfchwören wollte, konnte feine Habe zu Geld
machen und anderswo eine Heimat fuchen, was denn auch Taufende thaten,
während Taufende nicht fo lange gewartet hatten, um nach Holland, Deutfch-
land und England auszuwandern. Im Jahre 1584, während der Belagerung,
belief fich die Bevölkerung der Stadt noch auf 85,000 Seelen, fünf Jahre
fpäter, 1589, zählte man deren nur mehr 55,000.

Und wenn man nur nach der Unterwerfung auch Frieden und eine weife
und geordnete Verwaltung gehabt hätte, um die gefchlagenen Wunden zu
heilen. Aber dem Kriege mit Holland gegen Spanien folgte der Krieg mit
Spanien gegen Holland, der bis 1609 dauerte und nach zwölfjährigem Stillftand
1621 neuerdings losbrach. Doch galt Antwerpen, fo fehr es fich auch im
Verfall befand, noch immer für die erfte Stadt der Niederlande, und um fich
ihrer zu bemächtigen, liefsen denn auch die vereinigten Provinzen und die
Prinzen von Oranien kein Mittel der Lift und der Gewalt unverfucht. Die
Stadt lebte in beftändiger Angft und in ununterbrochenem Krieg. Die Landes-
herren waren auch nicht die Männer, dem Lande aufzuhelfen. Mit Philipp II.
und befonders mit feinen tüchtigen Heerführern und unüberwindlichen Truppen
gingen auch die Leiftungsfähigkeit, der Kriegsmuth und das Kriegsglück von
Spaniens Dürften wie Heeren zu Grabe, und frühzeitig wurde das einft fo ge-
achtete und gefürchtete Spanien ein Gegenftand des Spottes und Mitleids.

Gegen Ende des 16. Jahrhunderts fchien es als ob die Eidlichen Nieder-
lande in eine ruhigere und unabhängigere Periode eintreten follten. Der Erz-
bifchof Cardinal Albert war 1 595 zum Gouverneur ernannt worden, und vermählte
fich 1599 mit Philipps Tochter Ifabella Clara Eugenia. Das fürftliche Paar
follte das Land als eine Art von Lehen der fpanifchen Krone befitzen und es
feinen Kindern als väterliches Eigenthum vererben. Allein diefer Schein von
Löfung vom fremden Reiche war nur ein vorübergehender: nach dem kinderlofen
Abfterben des Fürftenpaares fiel das Land wieder der unmittelbaren Herrfchaft
Spaniens anheim. Auch hatte das Erzherzogenpaar während feiner ganzen
Regierungszeit mit den Generalftaaten zu kämpfen und feinen Truppen wurden
mehr Niederlagen und Verlüde als Siege zu Theil. Im Innern war es
am meiften beforgt und darauf bedacht, die katholifche Kirche und die
römifche Geiftlichkeit in ihrem früheren Glanz und Anfehen herzuftellen. Aller-
wärts erhoben fich Klöfter zu Dutzenden, und um diefe zu dotiren und die
Kirchen zu fchmiicken gab es Geld genug, während fonft das Land in immer
armfeligeren Zuftand gerieth.

Auch als Politiker waren die Landesfiirften nicht beffer wie in der Kriegs-
kunde. Im J. 1609 vergaffen fie im Waffenftillftand die Erklärung der freien
Scheldefchiffahrt aufnehmen zu laffen, und es gelang ihnen auch nicht mehr,
diefe Beftimmung, welche die erfte Lebensbedingung von Antwerpen war. von
Holland zu erlangen. Die Schelde war und blieb gefchloffen während wie nach
der Zeit des Waffenftillftandes, vorläufig bis zum Münfter’fchen Frieden 1648,
in welchem diefe Schliefsung zum Vortheile Hollands und zum vollftändigen Ver-
derben von Antwerpen durch die eigenen Landesfiirften unterzeichnet ward.
 
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