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Archäologische Gesellschaft zu Berlin. Sitzung vom 5. Mai 1925

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hammers Legende 'große unbehauene Kalk-
steinblöcke'. Jenseits des Aufläufers, der
wie ein Quai erscheint J, schneidet eine
Bucht ein, bis unter den NO-Abhang des
Sigeion-Plateaus. Wir werden wie Herodot
zum Vergleich mit den heute verschlammten
Häfen von Ephesos und Milet gedrängt. In-
dessen, hatte dieser Hafen nicht in seiner
offenen Flanke die feindlichen Mytilenäer
von Achilleion? Da sei nun an den auf-
fallenden Durchstich von der Westküste
her, Abb. 1, erinnert; jetzt erkennen wir
auf der Karte, daß er zu einer zweiten zum
Skamander auslaufenden Bucht hinführt,
als 'Lisgar-Sumpf mit Binsen und Rohr'
von Forchhammer bezeichnet; der ver-
merkt auf der Höhe seines SO-Randes
einen Sarkophag. Vom Durchstich sagt
Forchhammer 2): die Länge dieses Kanals
beträgt ungefähr ein Achtel deutsche Meile,
seine Tiefe über 100'. Gegenwärtig, so
fährt er fort, ist er in einer Höhe von IO
bis 15' mit Erde angefüllt, sodaß er gar
keinen Nutzen gewährt. Nach Forchham-
mer hätte dieser bedeutende, dem Athos-
Kanal vergleichbare Durchstich zur Ent-
wässerung des Flußtales gedient. Ich ver-
mute in ihm den Zugang zu einem Südhafen
von Sigeion, zugänglich vom offenen Meere
unter dem Windschutz des eben vorsprin-
genden Huk Dimitrios Tepeh, gesichert
vor den feindlichen Nachbaren von Achil-
leion und angelegt von den Athenern.
So rückt, täusche ich mich nicht, Sigeion,
solange die Buchten vor der Verschlammung
gegen den Skamander geschützt waren,
in eine glänzend beherrschende Lage. Die
Peisistratiden schauten von ihrer Akropolis,
wo sie neben der Athena wohnten wie in
Athen, auf die Schiffe, die von N und S
und W bei ihnen einliefen. Die Stadt selbst
zog sich um die Häfen nach dem Skamander
zu. Es bekommt seinen vollen Sinn, daß
Herodot schreibt 3), die Peisistratiden, aus

i) Die türkische Aufnahme von 1912 iäßt
davon nichts mehr erkennen; dennoch wird an der
Aufnahme Spratts und den Angaben Forchhammers
aus den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts
nicht zu zweifein sein.
J a. a. 0. 31. Vgl. Virchow, Beitr. z. Landesk.
d. Troas 53 in Berl. Ak. Abh. 1879.
3) V 6g. Aesch. Eum. 394. PHn. NH V 124.

Athen vertrieben, entwichen nach Sigeion,
der Stadt über dem Skamander, e^e/tn-
p?;C2v E7 ^tystov io ent mp 2x7.yKvop(p,
und ebenso, wenn Aischylos vom Skamander
die Athena zum Areiopag erscheinen läßt;
auch werden wir verstehen, daß noch Pli-
nius den Skamander, der zu den Häfen
führte, einen nennt.
Aber wenn dem Boden einmal die Bestä-
tigung entlockt sein wird, so folgt ja viel
mehr daraus. Wir spüren den Unterneh-
mungsgeist, mit dem athenische Adels-
geschlechter des 6. Jahrhunderts an beiden
Torstellen des Hellespont eingesetzt haben,
und wir werden danach vermuten, wie ein
zunächst politisches Interesse an dieser
Stelle den Kult der Heroen diesseits des
Skamanders förderte. Mit den Bürgern von
Achilleion, scheint es, sind die Peisistratiden
allmählich in ein friedliches Verhältnis ge-
kommen. Am Aias, welchem gegenüber, vor
Rhoiteion, die Astypaläer zuerst das Ke-
notaph errichteten, hatten die Philaiden
als an ihrem salaminischen Ahnherrn Inter-
esse; auch der Schwiegersohn des Hippias,
der Sohn des Tyrannen von Lampsakos,
hieß Aiantides. So läßt schon Thukydides
vom acbäischen Ackerbau auf dem Chersones
her d. i. vom Fürstentum des Miltiades das
belagernde Heer verpßegt werden. Die atti-
sche Tradition, welche das Schiffslager an
die Skamander-Mündungen verlegte, hatte
und behielt die Herrschaft. Wir aber werden
es nicht dem Skepsier gleichtun, der ganz rich-
tig sah, daß die Skamander-Mündungen und
das Schwemmland zu nahe an Troja lagen,
aber daraus den Fehlschluß zog, die Königs-
burg habe 30 Stadien weiter landeinwärts ge-
legen — übrigens eine Stelle, an der während
des Krieges beim Bau eines Stabsquartiers
anscheinend hellenistische Reste angestochen
worden sind —; sondern Trojas sicher bleibt
uns jetzt nach Erschließung auch der
wahren Verhältnisse zwischen Achilleion und
Ilion nichts anderes übrig, als den Aus-
gangspunkt des achäischen Angriffs zu
verlegen in die Besika-Bucht, entsprechend
dem Epos und den geschichtlichen Grund-
bedingungen, Trojas alter Riegelstellung an
der Meerenge und der Anfahrt der Achäer
von SW her.
Es will scheinen, daß sowohl Aristarch
 
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