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3. Der Slawemongreß in Prag.

Es war nicht die Schuld der slawischen Stämme, daß sie bei der
Schilderung der österreichischen Revolution bis jetzt in den Schatten ge-
stellt erschienen, stets nur genannt wurden, wenn es galt, die Hinder-
nisse der freien Bewegung zu bezeichnen. Sie traten dem Streben der
Deutschen nach politischer Einigung entgegen, sie äußerten sich feindselig
gegen die liberalen Tendenzen der Magyaren. Das deutsche Parlament,
der demokratische ungarische Reichstag kannten keine entschiedeneren Wider-
sacher, als die slawischen Stämme. Dieselben waren aber keineswegs ge-
sonnen, bei der bloßen Verneinung zu beharren, sie wollten durchaus nicht
die Fahne der alten politischen Tradition emporhalten; sie wurden viel-
mehr von einem noch überschwänglicheren Radiealismus beherrscht, als
alle anderen Stämme Oesterreichs. Während die letzteren nur das Nächst-
liegende zu ändern gedachten, über die unmittelbare Heimath hinaus ihre
Blicke nur selten lenkten, phantasirten die Slawen von einer vollständi-
gen Umwälzung des herrschenden Staats- und Volksrechtes. Sie zeich-
neten in Gedauken eine neue Karte Europa's, dachten an die Gründung
einer neuen romantischen Welt, wo die Milch und der Honig der Brü-
derlichkeit und der Liebe fließt, und verstiegen sich zu der Hoffnung, die
Entwickelung der Weltgeschichte an einen neuen Träger zu baunen. So
kühne Pläne konnten natürlich nicht rasch in das Werk gesetzt werden,
zumal es den weitzerstreuten Slawen an einem Mittelpunkte gebrach und
sie nicht wußten, wo sie zuerst deu Hebel gegen die alte Weltordnung
einsetzen sollten. Jhre eigene Jsolirtheit mußte gebrochen werden, ehe sie
die Föderation aller Völker verwirklichten.

Völkertrennungen und Verbindungen vollzogen sich allerorts. Die
politischen Grenzen dachte man sich von nun an mit den nationalen zu-
 
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