1. Die octroyirte Berfassuug
Die Reichstagkreise zu Kremsier lebten in deu ersten Märztagen der
zuversichtlicheu Hoffnuug, daß die früher ängstlich gefürchtete Auflösung
des Reichstages doch nicht stattfiuden, das Verfassungswerk in friedlicher
Weise werde vollendet werden. Sie gabeu zu, daß die endgiltige Consti-
tntion in Einzelnheiten von dem Reichstagsenlwurfe abweichen dürfte.
Die Uuterschiede sind aber dann gewiß nur die Frucht eines freundschaft-
lichen Ausgleiches zwischen der Regierung und der siarlamentarischeu
Mehrheit, welche um den Preis, einer Octrohirung zu eutgehen, zu gro-
ßen Zngeständnissen sich bereit zeigte. Dieser gute Glauben ruhte leider
auf keinem besseren Grunde, als auf der Annahme: Nachdem die Regie-
rung so manche passende Gelegenheit zu einem gewaltsamen Staatsstreiche
ungenutzt vorübergehen ließ, wird sie nicht jetzt zur letzten Stunde noch
zu einer aggressiven Politik zurückkehren. Der Verfassungsausschuß in
Kremsier wußte nichts davon, daß das Ministerium bereits ungarische
Vertrauensmänner berufen hatte, um mit diesen über die künftige Cou-
stitution Ungarns zu verhandeln. Den Ausgangspunkt bildete Stadion's
Programm: keine fernere Souderstellung Ungarns, Centralisation aller
Regierungsgewalten in Wien, Gleichberechtigung aller Nationalitäten.
Ob die Vertrauensmänner, S. Josika, Graf Apponp, Emil Dessewffy,
Bark^czy u. A. auf diese Vorschläge eingehen würden, konnte zweifelhaft
erscheinen, wie denn auch in der That die Verhandlungen zu keinem Ziele
führten; sichergestellt war schon jetzt so viel, daß das Ministerium die
Constituirung Ungarns ausschließlich iu seine eigene Hand nehmen wolle,
sich um die Vorschläge und Pläne der Kremsierer Versammlung nicht
kümmere.
Der Reichstag wußte auch nichts von dem Drucke, welchen die deut-
Die Reichstagkreise zu Kremsier lebten in deu ersten Märztagen der
zuversichtlicheu Hoffnuug, daß die früher ängstlich gefürchtete Auflösung
des Reichstages doch nicht stattfiuden, das Verfassungswerk in friedlicher
Weise werde vollendet werden. Sie gabeu zu, daß die endgiltige Consti-
tntion in Einzelnheiten von dem Reichstagsenlwurfe abweichen dürfte.
Die Uuterschiede sind aber dann gewiß nur die Frucht eines freundschaft-
lichen Ausgleiches zwischen der Regierung und der siarlamentarischeu
Mehrheit, welche um den Preis, einer Octrohirung zu eutgehen, zu gro-
ßen Zngeständnissen sich bereit zeigte. Dieser gute Glauben ruhte leider
auf keinem besseren Grunde, als auf der Annahme: Nachdem die Regie-
rung so manche passende Gelegenheit zu einem gewaltsamen Staatsstreiche
ungenutzt vorübergehen ließ, wird sie nicht jetzt zur letzten Stunde noch
zu einer aggressiven Politik zurückkehren. Der Verfassungsausschuß in
Kremsier wußte nichts davon, daß das Ministerium bereits ungarische
Vertrauensmänner berufen hatte, um mit diesen über die künftige Cou-
stitution Ungarns zu verhandeln. Den Ausgangspunkt bildete Stadion's
Programm: keine fernere Souderstellung Ungarns, Centralisation aller
Regierungsgewalten in Wien, Gleichberechtigung aller Nationalitäten.
Ob die Vertrauensmänner, S. Josika, Graf Apponp, Emil Dessewffy,
Bark^czy u. A. auf diese Vorschläge eingehen würden, konnte zweifelhaft
erscheinen, wie denn auch in der That die Verhandlungen zu keinem Ziele
führten; sichergestellt war schon jetzt so viel, daß das Ministerium die
Constituirung Ungarns ausschließlich iu seine eigene Hand nehmen wolle,
sich um die Vorschläge und Pläne der Kremsierer Versammlung nicht
kümmere.
Der Reichstag wußte auch nichts von dem Drucke, welchen die deut-