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ö. Griechenlcmd. Die hellenische Kunst.

Mlsthen, uliterhalteir wurden, raubt der Wahrnehmung frühester selbständiger Knustkeiine nichts
am Werte. Offenbar haben wir es mit einer Knltnrstnfe zu thnn, auf welcher die Jndividna-
lität des griechischen Volkes noch schllmlmerte. Darill liegt aber der iveltgeschichtliche Berns
der griechischen Kunst, dasi sie, sobald das hellenische Bewnsitsein erlvacht ist, schöpferisch anch
die aus der Frenlde entnommenen Formen und Motive so umgestaltet, dasi sie erst jetzt das
lvahre Lebeli geivinneli. Einmal von der hellenischen Phantasie angehancht, verlieren sie bald
die Spuren ihres änsieren Ursprnnges. Gemeiniglich gilt die grosie Völkerschiebnng, die lvir
unter dem Namen der dorischen Wandernng zn begreifen Pflegen, als die Grenze der vorhellenischen
nnd der hellenischen Zeit. Sie bringt neue Stümme, den dorischen, ionischen, äolischen, in den
Vordergrund. Natürlich ist die ttltere Kultur nicht mit einem Schlage abgethan, es können Jahr-
hunderte vergangen sein, ehe die „mykenische" Kultnr anch in den abgelegeneren Gegenden verschwand.
Was aber in ihr entwickelungsfähig ivar, das zieht sich in dünnen Fäden in die hellenische
Kultur hinüber nnd mischt sich mit den neuen lebenskrüftigen, aber znnüchst noch sehr bescheidenen
und primitiven Ansätzen der frisch anf den Plan getretenen griechischen Stämme.

Die hellenische Runst.

1. Architektur.

u. Das System der hellenischen Baukunst.

Das Herrenhans der griechischen Vorzeit, in Vorhalle und Saal gegliedert, mit Säulen
geschmückt, die sich an der Vorderseite der Vorhalle zwischen den vorspringenden Seiteumauern
jAnten) erheben, ist die Wurzel des hellenischen Tempels (Naos oder Neos, d. h. Wohnhaus).
Jndem die Griechen, ebensv wie einst die Aegypter, das Gotteshaus aus dem Wohnhaus der
Menschen hervorgehen liesien, voltführten sie eine That von grosier sittlich-religiöser und künst-
lerischer Bedeutnng. Der Natnrdienst sinkt in Dunkel zurück. Der Eintritt in die menschliche
Wohnung bringt die Götter dem menschlichen Wesen näher, ihr Charakter und ihr Kultus em-
pfangen menschlich anheimelnde Züge. Die Richtnng der künstlerischen Phantasie wurde dadurch
dauernd bestimmt. Wie die Götter im schönsten und prächtigsten menschlichen Hause thronen,
so hüllen sie anch ihren Körper in die schönsten, kraftvollen menschlichen Formen. Aber auch
auf dem engeren Gebiete der Architektur ubt die Wahl des Hauses als Ausgangspnukt anf die
Entwickelung des Tempels einen entscheidenden Einstnsi. Er gewinnt bei dem masivollen
Charakter der Griechen im Gegensatze namentlich zum ägyptischen Tempel eine geschlossene, ein-
Heitliche Gestalt. Selbst nachdem er anf die höchste Stnfe der Vollendnng gehoben worden war,
behielt er noch das Gepräge eines nllerdings idealen, ohne Rücksicht auf zufallige, gewöhnliche
Bediirfnisse geschafsenen Hauses. Gleich einem Weihgeschenke wurden die Tempel den hohen
Göttern dargebracht. Die Cella wird ringsum von Säulen umschlossen, die gleich einem Bal-
dachin das wie Adlerflügel sich ausbreitende Giebeldach tragen.

Ehe aber die hellenischen Tempel diese vollkommene Gestalt erreichten, vergingen viele
Jahrhnnderte. Das Oruament der in Mykenä ausgegrabeuen Steinsäulen, ohne nähere Be-
ziehung zum Zweck der Säule, erinnert an Metallarbeit und läsit darauf schließen, daß ursprünglich
die Säuleil mit Metallplatten bekleidet waren, offenbar nicht allein zum Schmucke, sondern auch
zum Schutze. Eines solchen Schirmes bedürfen nur hölzerne Säulen. An dem von der sici-
lischen Stadt Gela in Olympia gestifteten Schatzhause, an sicilischen und grosigriechischen Tempeln
 
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