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MASKEN

Dies Wort hat an dem gleichen Schicksal teil, das auch die anderen
europäischen Ausdrücke trifft, wenn man sie auf exotische Dinge anwenden
will: wir müssen uns grundsätzlich umstellen. Denn Masken, Maskerade, —
das bedeutet uns die Verhüllung unseres eigenen Seins mit einem entfrem-
denden Bild, ist also Täuschung, Vorspieglung. Von fern her mahnt uns der
Gedanke an die schallverstärkenden Masken der griechischen Dramenwelt,
daß nicht jede Zeit ebenso empfand wie wir heute. Denn die rein technische
Seite dieser Masken war schwerlich das Wesentliche; größer muß der see-
lische Eindruck gewesen sein, der ihnen entsprang. In verstärktem Maße
gilt dies von den Masken der Primitiven. In ihnen lebt ein Geist. Nicht etwa
so, als ob sie andeuten wollten: sie symbolisierten einen Geist; sondern so:
daß sie die Realität des Geistes selbst aussprechen. Es ist also keine Verbin-
dung wenn auch noch so enger Art zwischen ihnen und dem Geiste vor-
handen, es gibt ebensowenig zwischen ihnen eine Leere, die irgendwie geistig
zu überbrücken wäre, sondern sie decken sich in radikalster Art. Die Maske
ist der Geist.
Diese Feststellung hat leider keinen allzu großen Wert für die spezielle
Interpretation. Gewiß erlöst sie all diese wunderbaren Dinge aus der zweifel-
haften Atmosphäre europäischer Banalität. Aber damit ist nur der erste
freilich fundamentalste Schritt zur Erkenntnis getan. — Man bleibt dann
vor dem Leeren stehen. Fast nirgends nämlich sind weitere Identifizierungen
einer Maske mit diesem oder jenem Geiste möglich. Und so schwebt alles,
das zur Erläuterung gesagt werden möchte, in der Luft. Um so mehr als die
Unterscheidung schon der einzelnen Klassen der Geister: Totengeister,
Dämonen usw. noch nicht so klargelegt wurde, daß sich wirklich brauchbare
Anweisungen für die Auffassung der vorhandenen Arbeiten daraus entneh-
men lassen. Wir hören aus verschiedenen Gebieten ganz verschieden lautende
Überlieferungen. So sagen die Ekois in Kamerun (am Kreuz-Fluß): daß aus
dem zerfallenden menschlichen Leibe eine neue Gestalt hervorgehe, die dem
ehedem lebenden Menschen in jeder Hinsicht gleiche. Und in der Tat ent-
springen diesem Nachahmungstriebe ganz und gar realistische Gesichter.
Andere Erzählungen aus dem Kongogebiete scheinen den Ursprung der Masken
lediglich der Absicht des Erschreckens aus „pädagogischen“ Gründen
(Fiktion des „Schwarzen Mannes“) zuzuschreiben. Aber gerade diese letz-
ten Berichte machen den Eindruck des Versuches einer Interpretation nicht
mehr ganz gekannter, nicht mehr ganz geschätzter Dinge; und so muß ihr

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