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Das 500jährige Jubiläum der Heidelberger Universität im Spiegel der Presse: Ostpreußische Zeitung — 1886

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https://doi.org/10.11588/diglit.17452#0001

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Kich ZeiKMtz.rscheint
tüglich, mii AuSnahme
»er Tage nach den
Sonn-und F-eierta/icn.

Das Avonnemcnt

»us dicselbe beträgt W
oicrtcljährlich sür
Königsbcrg 3 Mart
75 Pf. (incl. Botcn-
-'ohn 4 Mark 25 Pf.),
vci allen Kaiscrlichen
Postanstalten 4 Mark
50 Pf. incl. Postzu-
schlag.

Offizielies

nzeigeblatt

MsMWAW «
OfipreAßische ZrttMZ
werden von der EZ«
pedition, Aitstädiische
Langgasse W, enr-
gegeugcnommen und
mit !b Pf. ftk den
Ram» eiser PcKzeikr
Lercchnet.

Das Be!ag-Exemp!ar
kostet 25 Ps.

M 176.

Königsberg in Pr., Sonnabend ben 31. Jnli 1888.

38. Jahrgang.

DaS Abonnement auf die „Ostlire«-
ßtsche Zeiturlg" beträgt für die Zeit vom
1. August bis 30. Sesttember für Hiesige
2 Mark 50 Pf. (mit Botenloh« 3 Mark), für
AuSvarlige 3 Mark. Jn Köuigsberg nimmt
die Expedition, auSwärts jede Postanstalt Abonne-
mentS«Bestellungen entgegen.

Amttikhe-.

verlt«, 29. Juli. Se. MasestSt der König baben
NllergnSdigst geruht: Den Obersten und AbtheilungS-Chef
im KriegS.Ministerium, Alexander Peier Spitz, und den
Obersten L I» »uit« deS l. Pommerschen Ulanen-RegimenlS

4 und Kommandenr deS 10. Kavalleri«<-Brigade, Karl
Eduard Beckrr, in den Adelstand zu erhedro.

— S«. MasestSt der König haben Allergnädigst ge-
roht: Dem Riltmeister a. D. HanS Ludwig Karl Lebrecht
von K»tze zu Berlin die Kammerherren-Würde; sowie dem
Gebrimen Ober-RegiernngSrath und vortragenden Rath im
Minifterinm für Handel und Gewerbe, Georg Carl Ndolph
Wendt, drn Charakter alS Wirklicher Geheimer Ober-
Rr-irrungSrath mit dem Range eineS Rathes «rster Klaffe
zo verleihen.

„Schutt und Ausban".

Wir möchten die unter jenem Titel in Leipzi'g
(Ranger'sche Buchhandlung) erschienene Schrift von
W. BackhauS zunächst unsern liberalen Wirthschaftcrn
rmpfehlen, nicht als sb wir ste einer Bekehrung für
fähig hielten — dagcgcn stnd ihrc Worlführer burch
den unüberwnidlichen Wall der Phrase geschützt. Aber
ibren Witz möchten wir einmal auf die Probe stellen
gegrnüber einem Angriff, wie er gleich zerschmetternd
für ihre Sache und verhängnißtzoll für den Rest ihres
Terrains nicht oft geführt ist. Fühlt stch der wirth-
schaftliche LiberaliSmuS noch immer so stark in s.ciner
Position, alS er vorgiebt, so ist ihm durch die HcrauS-
forderung jencr Schrift die prächtigste Gelegenheit ge-
geben, seinen Scharfstnn leuchten zu lasfen. Jgnorirt
er sie oder fertigt er sie mit einer kleincn boshaften
Notiz in der Ecke eineS seincr Palitcisrgane ab, so
werden wir darin das Geständniß sciner Ohnmacht
und eine Verzweiflnng seineS Generalstabes an dem
längeren Zusammenhalten der schon längst durch tägliche
Desertionen zusammengeschmolzcnen Truppe hinter sich
erblicken müffen. 8io kboäus, bio 8ultu. Ten
polemischen Theil der Schrift, die uns vorliegt, bilden
nawenilich Lle vcioen Kapilei ! „Lie liberule Phrase" "
und „Die Quintessen; des LiberaliSmuS". Der po-
lilische und ökonomische Wahnglaube des Liberalismus
erfährt hier cine ebeuso gründliche, als schonungslose
Zerpflückung, welche die Sache, so zerfahren sie längst
ist, noch immer vcrdient. Die Opposttion im Par- s
lamente auf der entschiedeneren Seilc, wie die Unstchcr-
hrit der schwankenden Elemente bcreiten vem wirthschafk- !
lichen Reformwcrke des Reichskanzlrrs immer noch solche !
Hemmungen, daß cine vernichtcnde Kritik derselben und !
ein derbes Wort stetS angebracht ist. Der Verfasser
unserer Schrift verbindet mit seiner gründlichen Ab- i
fertigung dcr Rückschrittler ein — wir wollen c« einmal
so nennen — ungkstümes Drängcn nach vorwärtS. Er ^
zeichnrt uns in großen Zügen das Ziet, daS eS jetzt ^
nach der Anbahnung der Reform noch zu erreichcn gclle. i
Er erinnert unö an daS im Reichstage gcsprochene
Wort deS Fürsten Bismarck: „Wir müssen darnach
streben, daß den Schutzlvsen im Reiche die Ueberzeugung
erwächst, daß dcr Staat sich ihrer nicht blsß crinnert,
wenn er Geld braucht, oder wenn es gilt, die Waffen
zu führcn, sondern daß er auch an ste denkt, wenn eS
gilt, sie zu schützen und zu stützen, damit sie mit ihren
schwachen Kräften nicht auf der großen Heerstraße deS
LedenS niedergerannt und niedergctreteu werden. Er
erinnert unS, daß der Reichskanzler feierlich erklärt
hat: „Es gicbt ein Vacuum in der Gesellschaft und
die Aufgabe des StaatssozialismuS ist es. dieses
Vacuum auszufüllen"; — daß er der „frcisinnigen" >
Opposition zurief: „ Wer den Staatssozialismus
verwirft, der muß auch die Armee - Gesetzgebung
verwerfen, der muß überhaupt dem Slaate das

PyrumuS und Thisbe.

4) AuS den Crinnerungen rineS alten ArzteS von B. Renz. ?

(Fortsetznng.)

Die Frau befand flch in größtcr Verlegenheit, vielleicht
wußie ste auch nicht AlleS daS zu beanlworten, waS ibr lo
kategorisch abgefragt wurde. Endlich kam cS in Bruch-
beraus, daß Herr Willy Reinhard hier mit dem
Doktor S., d-m Anwalt der Familie, zu tbun gehabt babe,
um L,cht in gewiffe BerhLllniffe seincS verstorbenrn VaterS
zu brmgen, unb auch mit dem Anwalt im Akluariat des
Handel-gerichteS gewesen sei, wo man ihm Papirre auSge-
lirfert habe.

Frau Kruse hattc stch in daS Sopha znrückgelehnt und
betrachlete ,hr Gegenüber einc ganze Weile sprachloS ond
fiLtlich aufgeregt. ..Allo ba hinauS? ' sagte st- -ndlich.
^War Herr Reinhard denn zufrieden mit dem Erfolg seiner
Nachforlchung?"

„DaS weiß jch nicht — es schien so". war dic zögcrnde
Antwort. „Herr Willy kam gleich zu mir mit brn Pa»
pteren; er nahm nur ein paar Briefe hrrauS und daS
nevrige-"

„Nun Kathinka?"

» anderen Papiere hat er hier verstegelt und mir zum
»ufheben gegeben; fic liegen dort in der Truhe. Er war
fehr «,l,g und blieb nur zwei Tage hi-r."

„Hml Das find ja wunderdarc Dinge", meinte Frau
°ber zugleich, daß ste ihrer Ncugier wohl
vorlaufig nicht weiter nachgeven dürfe. „Und nun kommen
fte All« zurück, Kathinka, und ich frrue mich unbcschreiblich."

„Ja. Madam, und ich auch. Ab-r ich glaubc, es soll
noch Niemand elwaS davon wiffen. Frau Leroy schrieb,
Mann soll überbaupt genannt werden; nun i» —
es »sl boch einmal die Firma, und die wollrn fie bier wieder
aufrtchlen, dcnn Frau Lercy ist die Erbin, und sie zumeist
geht rS an: Herr Willy lst nur Kompagncn."

KatMka?"^^ "" "'"der etwas gehört von diesem „Jemand",

»Nein, Madam. Abrr ich denke mir, der wird wohl nn-

Recht bestreiten, den Nothzuständen abzuhelfen." —
Darnach müsse, sagt der Verfafser, jeder etwa aufsteigende
Zweifel an dem Willen des ReichskanzlerS, nicht nnr
die Folgsn der kapitalistischen Konkurrcnztyrannei durch
die Versicherung der Arbcitcr gegen BetriebSunfällc,
durch die Organisaiion des gewerblichen Krankenwesens,
sowie durch Alters- und Jnvalidenversorgung zu mildern,
ssndern auch da« Ucbel selbst, die libcral-kapitalistische
Konkurrenzanarchie, rhatkräftig zu bekämpfen, unbedingt
zurückgewiesen werden. Gleichwie er die nationale Ar-
beit und die nationale Kraft gegen die auSländische
Konkurrenz durch Aufrichtung von Zollschranken erfolg-
reich geschützt hat, so werde er auch durch Aufrichtung
organischer Gesetzesschranken, gewissermaßen durch cine
Zsllordnung im Jnnern des ReicheS, die naiionale
Kraft und nationale Arbeit Men die inländische, noch
vicl grausamere Konkurrenz des großen Kapitals gegen
das kleine Kapital, des überlcgcnen Starken gegen den
unterlegcnen Schwachen, dcs mit allen Mitteln der List
und Gewalt ausgerüstetcn unredlichen ErwcrbeS gegen
dcn machtlosen, redlichen Erwerb, in den Schutz der
Reichsregierung stellen. Nationale Arbeit und nationale
Kraft durch weise Einschränkung dcr Konkurrenz deS
AuSlandeS stärken und zu größeren Leistungcn tüchtig
machen, sie aber dcr tzernichteuden Konkurrcnz im eigenen
Lande preisgcben, würde bcdeulen, dem Feinde Schwert
und Revvlver cntreißen, aber ihm thatsächlich zu ge-
stattrn, dcn Dolch zu gebrauchen und die öffentlichen
Brunnen zu vergiften. Der Verfaffer fährt sort:

„Die RcichSregierung würde zweifelloS stch eincS polili-
schen FehlerS schuldig machen, wollte sie stch mit der Brr-
beißung des Fürsten Bismarck begnügcn. DaS deutlche
Volk kann n,Lt die tragische Rollr MostS spielen: eS hat
aus langer, ianger Wüstenwanderung sein Canaan im Gciste
erschaut, eS ist nach heldcnmüthjgen Kämpfrn hinüberge-
gangen, und eS will nun durch Gerechtigkeit dort „seüg
sein"; denn „eS ist kein Gott. alS der Gotk deS Gercchten".
Sie würde stch zu dcm einer gesährlichcn Täuschung hin-
gebcn, wenn ste wähnrn sollie, auf der BastS der libera-
Ustischen ReLtS- und GesellschaflSordnung die Arbeit ersprieß-
lich und dauernd regeln zu können. Aber ste würde im
Einklange mit ibren sozia!- und wirihschaflSpolltischen Re-
formen und in Uebereinstimmung mit thren weltgeschicht-
lichen Thaien handeln, wcnn ste die librrale RechtSordnung
im panpolistischen Geiste korrigirte, und daS Recht auf Ar-
kcit milbin als ein Rcch! auf bie sruchlbarste Arbeit prakii-
zirte. So aufgefaßt. ist dieseS Recht der denkbar größte
Gegensatz zu der Aufsaffung der Liberalen, weiche das Recbt
anf «rd.rtt-KSbv!iiL-a>nk-eiu- Rechl. zu-»rb:it«K, «ruiidrigm,
wie fle die Arbeit selbst erniedrigt habei', indem sie dieselbe
in den Frohndienst deS Kapitais stellien und völlig abhängig
machten von Angcbot unb Nachfrage. So ausgefaßt, er-
schöpsr eS stch auch nicht in der Berechtigung der ArbeilS-
brdürftigen, vom Slaate Arbeil zu verlangcn, und in der
Pflicht deS StaateS, ibnrn Arbeit zu vcrschasten. DaS ReLt
auf Arbeit besteht vieimedr in dem Rechte aller, ihre Är-
beitSkraft auf die bestmöglichr Weise zu verwerihen, ihre
Prrsönlichkei! vollkommen zu entfallen, und an der Benutzung
dcr ProduktionSmittel, je nach dem Maße dcr Fähigkeit und
der Liistung jedrs cinzrlnen, Tbeil zu nehmen. Erne solche
Organistrung dcr Nrbeit wird die Umwandlung der isolirten
und atomistrtcn Einzelintereffen in gcmeinschastliche und
stabile Gcsammtintereffen. sowie auch der vielcn großen und
kleinen stetS schwankenden. stcts veränderlichen, stetS ein-
ander auf Lcben und T°d bekämpfenden Einzclgeschäfle
größlcntheils, viclleicht auSschließlich. in einheitlich geord-
nete und geleitetc sozieiäre Geschäfte bedrngen, welche, inner-
halb von — dcn verschiedenen ArbeitSarten und ÄrbeilS-
kräslen zwcckmäßig enisprcchenden — ErwerbSkreisen derge-
stalt «ingerichtet werden, daß durL ste hauptläLüch die
Produktivn geregt, dielelbe mit dcr Konsumtion in Einklang
erhakten, und die Distribuüon der ProduktionSmitirl und
ArbeitSerzeugniffe in gerechter Wcise besorgt wird."

Jn den citirten Worten haben wir die Quintessenz
des Buches. Das Ziel ist hoch und weit. Die Stellung
zu demselben wird sich im Allgemeinen schon jetzt nehmen
lassen, wenn sie auch erst konkreten Spezialgesetzeu
gegeuüber seitens der verschiedenen Parteien, welche auf
Seiten unserer bisgerigcn wirthschaftlichen Reform stehen,
markirter hervortreten. Jedenfalls wird bei dcn ver-
schiedenen antiliberalen, d. h. antifreihändlerischeren
Nüancen üder die Strecke deS Weges, die sie zusammen
zu gehen vermögen, nicht vvlle Ueberkinstimmung herrschen.
Am weitesten würde ohne Zweifel diejenige Partei dem
Verfaffcr zn folgen geneigr sein, zu der er sich selbst

schädüch gemacht worben sein, sonst ütte Herr Wllly nicht,
daß die Damen herüberkämen; cr ist so vorsichtig."

„Nun sage mir noch, Kathinka, war eS rin hübscheS Kind,
die Tvchter von EÜse?"

„Achl" rief die Frav, und ihr Gestcht verklärte stch. „ganz
der Bater! Sie hat evenso schwarze Augen unv ist ebenso
drünett und treuberzig, und wie Herr Wllly erzählte, »st ste
jetzt das jchönste Mädchen in ganz Montreat, und geht nun
inS achlzehnte Jahr."

„Was Sie sagen. Aber wic jst eS denn, Kathinka".
fragte die atte Dame und sah stch in der Siube um. „haben
Sie denn keine Kinder?"

Die Frau wischte fich übcr die Augen und schültelte
traurig dcn Kopf. „Utiier üebeS, kleineS LieSchen ist im
vorigen Jahre gcstorben."

„AL mein Gott, wie traurigl Aber» liebste Kathinka,
solche Wohnung auch — wie kann hier ein Kind gedeihen!
Ziehen Sie doch um, Sie sehen auch so elend auS. Mein
Mann hat auf dem Grasbrook so schöne Arbeiterwohnungen
grbaut, da sollenSiegesund und billig wohnen; wollen Sie?"

Die Frau nickte unter Tbränen. „Herr Willy meintc,
wenn seinc Mutter und Schwest-r herüberkommen, sollte ich
und mein Mann zu ihnen ziehen."

Frau Krusr drückte ihr die Hand. „Besuchen Sie mich
in den nächsten Tagen, liebe Beerboom, so heißen Sic
sa wobl. Und nun adieu, und grüßcn Sie Jhren Mann

(vgl. u. a. S. 110) nicht zu rechnen scheint, die aber
gleichwohl bcreitS dasselbe Programm ähnli'ch formulirt
hat, und am meisten dürfte diejenige Partei auf dem
sonst gemcinsamen Wege zurückbleiben, an di'e dcr Ver-
fasser sich besonderS dringend wendet, d. h. die national-
libcrale. Es ruft nach einer „nationalen Reformpartei",
in welcher sich die jetzt getrennten Anhänger der Reform
zu vereinigen hätten. Nach dcn Erfahrungen, die wir
bis jetzt mit einem solchcn Rufe gemacht haben, dürfte
eS wohl noch eine Weile bei der Losung für die
Konservativen, Freikonservativen und Nati'onalliberalen
bleiben: „Getrennt marschiren und vereint schlagen!"
Ob am Ende nicht auf dem wirthschaftlichen Gebiete
die Nationalliberalen die Fühlung verlieren und sie mehr
und mehr an das Centrum abtrcten, wie daS in wichtigen
Fragen schon geschehen ist, wird die Folge lehren. Die
Schrift des Herrn W. Backhaus halten wir immer-
hin für epochemgchend. Sie wird in der rein sozialen
Frage bedingungslos die Konscrvativen auf ihrer Seite
finden.

Politische Uebersicht.

Der „Hamb. Correspondent" läßt sich mit Bezng auf
einen neulichen Artikel drr „Bcrl. Pol. Nachr." über die
AuSsichien für eine neue Branntweinsteutr.Vorlage Folgen«
drS auS Berlin schreiben: ES verdiene hervorgehoben zu
werden, daß in jenem Artikel die Richligkeit der von ibm
gebrachten Mittheilung, nach welcher bei den Besprechungen
der süddeulschen Finanzministcr >n Pforzheim bereitS die
Grvndzüze eineS neuen Branniweinsteuer-EnlwurfeS vorge-
legen hätten, nicht lestritten werde. Ma» könne demnach
anf.die Vermuthung kommen, dach iene offiziöse Mitthcilung
den Zweck hätte, aaf eine bevorst ehcnde Auflösung beS ReichS«
tageS vorzudereiten. Eine solche Deutung würde aber nach
Allem, waS verlante, falsch seiyt. Der Wahrheit bei Weitem
näher dürften drjenigen konymen, die darauS den Schluß
zögen, daß die ncrrn^^rwarschläge den Beifall drr süd-
deutschen Minister ltt^^Wsvcn hätten und daß auS dirsem
Grunde die Lösung dsr Branntweinsteuer-Frag« biS auf
WeitereS vertagt werden solle.

Die „Berl. Pol. Nachr." bemerken dazu:

„Wir lönnen dem „Hamburgischen Correspondenten" ver-
flchern, datz sein Berüner Wilarbeiter schlecht untrrrichtet
»st, und halten im Uebrigen AlieS aufrecht, was wir vor
Krrzem üder die Cbancen riner neuen Branntweinsteuer-
gesagt bav«...

Nur in einem Punkte hat der Berlincr Correspondent
deS Hamburger BlatteS Recht; indem er nämüch der Ber-
muihung entgegentrltt, daß unserc damaligcn Mittheilungen
den Zweck gchabt hälten, auf eine beabstchtigte Auflösung
deS ReichttageS hinzudeuten. ES ist unS unerfindüch, wie
dieselben zu einer derarügen AuSIcgung Anlaß geben
konnten; ste boten thatsächüch nichl den geringsten Anhalt
dafür.

Grundfalsch dagegen ist die auS unscrem Arükel gezogene
Schlußfolgerung, für wclche der Correspondcni rintrilk, daß
„die neucn SteuervorjLläge den Beisall der süddeutschen
Mmister niLt gefunden hällen, und baß auS diesem Grunde
die Lösung bcr Branniweinsteuer-Frag« bis auf WcilereS
vertagt werden solle." Wir stnd in der Lage, verstchern zn
können, daß die nordbeutschen und süddeukschen
Minister cinig sind in ihrem Bedauern über die
Abtebnung der biSherigen Branntwrinsteucr-
Borlage, aber anch einig in dcr Uederzeugung von
der Nutzlosigkeit einer ncnen Vorl«ge. so lange
nicht die Wähler die Nothwendigkeit einer ander-
weiten Besteuerung deS BranntweinS erkannt und
dementsprcchend dei den Wahlrn votirt haden."

von mir.'

III.

Unterdeß verfolgte Herr Kruse denselben Zweck, nur in
etwaS anderer Weile.

Auch er pflegte jedem Dinge auf den Grund zu gehen;
gerade wie seine Frau; abcr nicht auS Neugier, iyn tried
daS aufrichlige Bestreben, den WünsLen seiner alten Freun-
din in Monlreal wögüchst zu entiprechen.

Hcrr K»u!e pflrgtc, nachdcm er gefrühstückt und die Zei«
tungen getesen, läglich ein Siündchin im Jungferstieg zu
flaniren, die AuSlagen der Läden zu bewundern, kleine Be-
lorgungcn zu machen und Punkt ri llhr in Homeyers
Austernkeller zu vcrschwindcn. Hier nabm eine Arl Stamm«
tiicb ibn auf bis zur Börsinzrit. Er verzehrte dann immer
daS Beste, wa« di« JahrrSzeit bot, zumat waS di« Se« lie-

Am 27. d. Vormitiags ist der österreichisch-ungariscke
Ministcr drS Aeußrrn, Graf Kalnoky, voy seiner Reise
zum Besuche des Fürsten BiSmarck in Kisstngen wicder in
Wien eingetroffen. Ueber den Eindruck. welchen die Zu»
sammenkunft gemacht hat. schreibt man der Kreuzzeitung
auS Wien:

„ES kann wohl keincm Zweifcl unterliegen. daß die bei-
den brfremideten Staal«männer in der herzlichsten Weise
von einander geschieden stnd. WaS ihre Berathungen an-
betrifft, so wriß man. daß dei solchen Zusammenkünften untcr
vier Angen kein Drilter etwaS wiffen kann, so lange eben
die deiden Theilnehmer eS nicht angezeigt erachten, irgend
welchs Mittheilungen in die Oeffcntlichkeit gelangen zu laffen.
NaL Allem jedoch, waS schon vor der Kisflnger Begegnung

ferte, und trank seit einiger Zeit jedeSmal eine halbe Bouzy
dazu. Der Arzt hatle ihm nämüL vor elwa JahreSfrist
verordnet, jeden Vormittag ein FläsLchen Vichy grand grille
;u sick zu nehmen, Herr Kruse meinle aber, Bouzy und
BlLY wäre unzesähr daffelbe, beide Kinder deffelben Lan-
deS, beide „grand grille", und so haite er, um doch seinem
Arzte einigermaßcn gehorsam zu scin, dicse kleine Modifi-
kalion eingeführt; und wenn er rief: „Karl, eine valde
Bichy!" erhielt er sein LieblingSgetränk, die Stammgäste
lachten, und die Austern schmeckten ihm prächüg. So
auch heute.

Vom StammtiiL ging Herr Kruse dann gewohnhcitS»
gemäß zur Börse, suchte den Stand seiner girma auf. drückie
dem Sohne die Hand, sprach hie und da mit alten Bckannten
und machte schließÜL einen längeren Spaziergang, um sich
Appetit zum Mittageffm zu holen. Heule redele er nur
wenige Worte mit dem Sovne, winkte vielmehr seinem alten
Geschäftssreunde, dem HauSmakler Braucr, und nahm ihn
bei Seite.

„Brauer, ich mub Dich nachher sprechen, diskrete Ange-
legrnheit. Wann bist Du sertig?"

„Gleich, mein Junge, daS heißt in ciner Vielttlstundc",
war die Erwiderung. „Willst Du vorauSgehen nach meinem
Kontsr? Cigarren stehen auf dem Tische."

Herr Kruje ging alio nach dem unfern der Börse ge-
legcnen Korttor; der Andere folgte bald, und nun sctzten stc
stch gegcnüber auf den hohcn Drehstüdlen, und der Makier
dltckte den alten Herrn fragend an.

„Brauer, ich habe Dir schon vorhin grsagt, diSkrete Sache
daS. Also, kurz und gut, kennst Du daS HauS in der
Reichenstraßc Nr. L? Du wcißt, daS früher Reinhardsche
HauS?"

Herr Brauer. ein riefiger Mann mit scharf markirten
Zügen, lachte in stch hin, lautloS, herzüch. wie man bei
cinem guten Spaß zu lachen pflegt. „Alter Junge", sagte
er, „Du bist vielleicht der fünsanostebzigste, ber mich nach
dem Haus« fragt, s-itdem «S in anderr Hände üderging; Du
wlüst eö dock nicht etwa kaufen?"

„Natürüch. kaufen, was sonst?" Herr Kruse sah nicht
wenig erstaunt dabei auS. „Wer ist der jetzige Befitzer?"

„Besitzer ist Gleißberg ssuior", erwiderte der Makler,

von zuverlässtger Seite verlantet haite, und nach der ganzen
Sachlage gilt unzweifclhaft auch heute, daß nämlick diese Begeg-
nung ein FreundschastSart war, welcher zuglelch für diejenizen,
die deffen noch bedürfen.einen handgreiflichenBeweiS dasür bildet,
daß die segenSreiche deütsch - österrcichjsche Allianz in unge-
schwäckter Krakt fortbesteht. Daß Fürst BiSmarck und Graf
Kalnoky während ihre« mehr als zweitägigen Beilammen-
seinS auch politische Gespräche gepflogen haben, ist selbstvrr-
ständlich. Ohne rückschauende Prophetengabe und ohne Kon»
jekluren darf man rS wohl auSsprechen, daß die leitenden
StaatSmänner der zwci verbündeten Ccntralmächte den ganzen
Komplex der poütischen Pcobleme mehr oder wenigcr kur-
sorisch berührt und ihre Anschauungen über denselben aus-
getauscht baben, und sowobl die vergangenen Jahre, wie die
Natur deS BündniffeS bürgen däfür, daß in diesen An-
schauungen nicht die geringste Divergcnz vorwaltct. Und
deShatb kann man hier und wird man gewiß auch in Brrlin
auf die Kisfinger B-gegnung nur mit Befriedigung zurück-
blicken"

Die Begegnung de- Fürstcn BiSmarck und des Grafen
kalnoky hat in der Londoner „Morning Pest", dem
Organe Lord SaliSbnry'S, «ine Betrachlung veranlaßt,
welche für die englische Anffaffnng der Weltlage bezeichnend
ist. E« heißt in derselben:

„Die enge Lerbindung zwischen Deutschland und Oester-
reich-Uiigarn war niemalS unentbehrlicher für den Frieden
der Welt alS im jetzigen Augenblick. Wir haben wieder-
bolt «rklärt, daß der rapide Fall d«S republikanischen
Prestigc in Frankreich einc Drohuog gegen den Frieden
EuropaS bilde. Wir haben nicht gczögert, zu sagcn, daß
rin Rachekrieg der letztr Trumvf sei, den eine in Mißkredit
gerathene Rexublik in per Hoffnung au-spielen dürfte, um
Autorität und Anschen wieder zu erlangen. Die Umstände
der Lagc lönnen nicht ermangeln, die Aufmerksamkeit oeS
Fürsten BiSmarck und des Gcafen Katnoky zu be-
schäftigen, von denen man kaum erwarten tann, daß ste
in Kisstngrn zusammenlreffen würdcn, ohne die Größe
der Gefahr zu erörtern. General Boulanger hat
seit seiner Rückkehr auS Tunis keine Getegenheit vcr-
jäumt, um stch in den Augen seiner LandSlcule hervor-
ragend bemcrkbar zu machrn. Er steht ein, wie dieS
die meisten Leute thun, daß daS gegenwärtige Rcgime in
Frankreich zu einer miütärischen Diktator führen muß.
Ehrgeizig und nnternehmend, kann der Kric-sminister kcinen
Grunv sehcn, warum nicht er brstimmt sein sollte, die Rvlle

atS Diktator zu spielen. Seit dem Tode Gam-

betta'S ist der Generai der «rstc Mann in seincm vater-
lande gcwesen, der stch bestrebt hat, seinen Namen mit
republikanischen Prinzipien und mit der Jdee cinrs KaLe-
krirgeS zu ldenüstziren. Beide haden dic Jdee einrS Bünd-
niffeS mil Rnßland begünstigt. ES ist keine Uibertreibung,
wcnn man sazt, daß die Lage bezüglich deS europäischen
FriedenS im gegenwärttgen Augenbticke in Folge der Jn-
trignen der Kabinete von PariS und St. PeterSburg nicht
unähnlich dcr ist, welchr wäbrend des ersten Gamdrtta-
schen KabinetS existirte, ats dcr VotkSführer p'.ötzüch und

mysteriöS seine Mackt niedcrlegte. Die Aufrccht«

hattung deS deulsch-österrcichischrn BündmffeS auf der festesten
ÄastS bitdet dahcr ein wichügeS Etemcnt in der Sicherung
deS eurvpäischen FriedenS. Uebcr JtaüenS lohale Koopc-
ralion kann kein Zweifel herrichcn. Unser Bütritt zu der
FrirdenSIlga, welche die drei Cmtralmächte in dicscm Zahre
vvn Neuem bestätigen wexden, dürftc dem Kontinrnt die
Schrecken eines fürchterüchen KriegSbrandeS ersparcn."

Der neuernannie Bischof von Mainz spricht sick in
seinem Hirtenbricf über den nothwendigen Gehorsam
gegrn Gott und die Obrigkeit auS wn folgt:

„Mit erhabencn Worten hat jüngst unscr Heiliger Vater
Leo Xktk. die Fürsten und Vötkcr daran erinnert, daß die
Reügion die unertäßüche Bedingung aller griellschaftüchen,
bürgrrüchen und staatüLen Ordnung ist. Aller Gchorsam
gegen Menschen hat feinen Grund in dem Gehorsam gegen
Gott, wie der Apostel sagt: „Seid unterthan ieder menscd-
lichen Kreatur um GotteS willen, sei cS bem Könige, wel-
cher der Höchste ,st, jei rS den Stalthaltern, alS satchen, die
von ibm abgeordnet find" (l. Petr. 2, 13. 14. Weder
rinen Gott noch eincn Herrn wollen die Männer anerten-
nen, wetche dl» Umsturz in ollen Ländcrn EuropaS schüren.
Fürchte Gott den König l so hat von seher die Kirche mit
den Worten deS Weisen (Sprichw. 24, 2t) unS ermabnt."

Ueber die Bestrebungrn zur Hebung deS LooseS
der arbeitenden Klassen äußert sich der Hirtenbrief
dabin:

„NichtS ist unredlicher, alS der Versuch, die Pricfler atS
Gegner deS Ardeiterst»ndeS und die Kirche alS Hinderniß
ihreS WohtcS dirrzustellen. Ganz im Gcgenthrit ist AlleS
das, waS die Arbett so sLwcr brtastet, aus kreisen erwachscn,
welche den Grundsätzrn des ChristrnthumS und der Reügion
mehr unv mehr entfremdet stnd. AndererseitS haben Ver-

„C. W. Gleißberg, der unmittelbare Nachbar deZ EcbeS.
Aber er muß ja woht ganz vcrdreht scin, er verkauft daS
HauS nicht und vrrmiethet eS nicht; e« steht leer sett vielen
Jahren."

„Nal DaS wäre! Jch weine, sein Sohn führte die Ge-
schäfte?"

,.Ja gtwiß. Krusel Aber der Sohn darf an dieser
Sache nickt rühren; ich habe ja wiederholt Gcbotr gethan
und mit dem Sohne gesprochen. Er sagt auch, sein Vater
wäre nicht zu degreifen, daß er dsS Grundstück so unbenutzt
liegen läßt; waS hat eS jetzt für «inen Wertd?"

„Wie kam er überhaupt in den Befltz? ' fragte ber Andere.

„Er war damälS sa wohl der Hauptgläudigcr von Rein-
harb", erwldcrte der Makier, „erhat eS an der Maffe erstandcn.
Jch hörte einmal sagen, daS Ganzr wäre eine abgekartetc
Geschichte von Gleißberg grwrsen, man ist aber nie darauS
ktug geworden."

„Jch nehme daS HauS, Brauer; magst Du nicht einmal
ansragen 7"

Zener zuckie die Schultern. „Habe mebr als ein Dutzend
Mat angefragt, inveß — da fällt mir eben ein — ich hörte
vorgestern Abend in der Böcsenballe, daß — unter vnS ge-
sagt — irgend elwaS „faut ist im Staate Dänemark", ich
meine, mit dcn GleißbrrgS, und baß dcr atte, wunderliche
Mann im letzten Jahrc rein menschenscheu wurde wegen —
nun, eS soll mit dem iüngsten Sohne Allerlei passtrt sein,
waS riestge Summen gekostet hat. und da-'

„Jst der nicht auu» hier im Geschäft, Brauer?"

„Der ist schon fort scit vielen Jatzren; cr treibt sich in
der Welt umher, der Himmel weiß, alS waS? Absr er
melbet stch doch immer, wrnn er Geld braucht, und der
Alte giebi'S, waS daS Sonderbarste ist. Vorigcn Herdst
soll er einige Tage hier gewescn und dann verschwundcn
sein mit einer bedeuienden Summe; man umnkelt so allercei.
Na, er war sLon immer ein verkommeneS Subjekt, ader
auch, wie daS so geht, dcr LirblingSiohn. Seilbem nun dieS
svfsnt tsrribls, dieser Franz. zum tetzien Mate hicr war,
soll fich MancheS in der allen girma gcändert haben, der
Atte ist, wie gesagt, fast menschenscheu, und Werner Glriß-
berg verkauft vielleicht."

(Fortsetzung folgt.)
 
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