Kritik und Rühmung im 16. Jahrhundert
Giovio in seinem in den zwanziger Jahren begonnenen und nie zu Ende geführten
Künstlertraktat Raphael hinter Leonardo und Michelangelo, »tertium in pictura
locum«. Doch nicht die Farbigkeit gibt bei Giovio Anlaß zur Kritik, sondern die
anatomische Körperbildung: Raphael habe beim Herausarbeiten der Muskeln zu
viel Nachdruckverwandt 12. Giovio unterstreicht ausdrücklich Raphaels ausgezeich-
nete Fähigkeiten in der Farbgestaltung, an der ihm das Gespür für die Mischung
der Dunkelheiten mit den lebhaften Farben besonders erwähnenswert ist. Gerade
durch seine Farbigkeit habe er den gelehrt gezeichneten Rildern einen glänzenden
und unverletzlichen Schmuck verliehen, durch den seine Malerei - und hierin
artikuliert Giovio die von Vasari beklagte Meinung der Zeitgenossen - derjenigen
von Michelangelo überlegen sei".
Auch Sebastiano Serlio bewundert in seinem Trattato sull' archileltura von
1557 Raphaels Kolorit: In den Fresken der Farnesina hebt er die Verschiedenheit
der Farben, die Wirklichkeitsnähe und den geglückten farbigen Zusammenhang
hervor und betont, daß der allzu frühe Tod Raphaels beklagenswert für alle sei, die
wissen, was »disegno perfetto, inventione legiadria, dispositioni giudiciosa et colorir
accomodato« ist .
Schließlich schwärmt Polidoro Papera angesichts der malerischen Details von
Raphaels Transfiguration: »Taccio delle gote, delle orecchie [...] delle barbe di
vicino abbagliate, e di lontano finite: delle carnagioni, quäl bianche, quäl rosse, quäl
pallide, quäl brune, con I' ombre dolci, e profonde, con le bagnate, con i chiari dolci,
\iiiiitibus, facüe pictorum omni um princeps, seu in Üieoricen seu praxin inspicias.«
Zitiert nach V. Golzio, Raffaello nei documenti, 1971, S. 281f.
Zitiert nach V. Golzio, Raffaello nei documenti, 1971, S. 192: »quamquam in eclueendis
membrorum toris aliquando nimius faverit, quum vim artis supra naturam amhitiosus
ostendere conaretur.« Desweiteren wird moniert: »Optices quoque plaeitis in dimensio-
nibus distantiisque non semper adamussim observans Visus est.«
Ebd., S. 192: »Verum in ducendis Iineis, quae commissuras eolorum quasi margines
terminarent, et in mitiganda, commiscendaque vividiorum pigmentorum austeritate
jucundissimus artifexante alia id praestantercontendit, quod uiuim in [Michelangelo]
Bonarota defuerat, scilicet ul picturis erudite dclineatis etiam eolorum oleo commi-
storum lucidus ac inviolabilis ornalus accederet.« J. Siiearman (Leonardo's eolour,
1962, S. 41) hat darauf hingewiesen, daß Giovios Rühmung der Verbindung von Farbe
und Dunkel in Raphaels Malerei den Ausführungen von Plinius über Apelles entspricht.
Der Triumph der Galatea und die Szenen aus der Erzählung von Amor und Psyche,
Fresken, Rom, Villa Farnesina (L. Dussler, RalTael 1966, S. 106-110).
Serlio, Trattato sull' architettura, S. III/IV, zitiert nach V. Golzio, Raffaello nei docu-
menti, 1971, S. 284f.: »... et colorite variate, che rappresentano il vero: et e tanto bene
aecommodata tutta quell' opera insieme, chesi puö giudicare quella loggia piü tosto uno
apparato per qualche trionfo, ehe una pittura perpetua, fatta nei muro.«
61
Giovio in seinem in den zwanziger Jahren begonnenen und nie zu Ende geführten
Künstlertraktat Raphael hinter Leonardo und Michelangelo, »tertium in pictura
locum«. Doch nicht die Farbigkeit gibt bei Giovio Anlaß zur Kritik, sondern die
anatomische Körperbildung: Raphael habe beim Herausarbeiten der Muskeln zu
viel Nachdruckverwandt 12. Giovio unterstreicht ausdrücklich Raphaels ausgezeich-
nete Fähigkeiten in der Farbgestaltung, an der ihm das Gespür für die Mischung
der Dunkelheiten mit den lebhaften Farben besonders erwähnenswert ist. Gerade
durch seine Farbigkeit habe er den gelehrt gezeichneten Rildern einen glänzenden
und unverletzlichen Schmuck verliehen, durch den seine Malerei - und hierin
artikuliert Giovio die von Vasari beklagte Meinung der Zeitgenossen - derjenigen
von Michelangelo überlegen sei".
Auch Sebastiano Serlio bewundert in seinem Trattato sull' archileltura von
1557 Raphaels Kolorit: In den Fresken der Farnesina hebt er die Verschiedenheit
der Farben, die Wirklichkeitsnähe und den geglückten farbigen Zusammenhang
hervor und betont, daß der allzu frühe Tod Raphaels beklagenswert für alle sei, die
wissen, was »disegno perfetto, inventione legiadria, dispositioni giudiciosa et colorir
accomodato« ist .
Schließlich schwärmt Polidoro Papera angesichts der malerischen Details von
Raphaels Transfiguration: »Taccio delle gote, delle orecchie [...] delle barbe di
vicino abbagliate, e di lontano finite: delle carnagioni, quäl bianche, quäl rosse, quäl
pallide, quäl brune, con I' ombre dolci, e profonde, con le bagnate, con i chiari dolci,
\iiiiitibus, facüe pictorum omni um princeps, seu in Üieoricen seu praxin inspicias.«
Zitiert nach V. Golzio, Raffaello nei documenti, 1971, S. 281f.
Zitiert nach V. Golzio, Raffaello nei documenti, 1971, S. 192: »quamquam in eclueendis
membrorum toris aliquando nimius faverit, quum vim artis supra naturam amhitiosus
ostendere conaretur.« Desweiteren wird moniert: »Optices quoque plaeitis in dimensio-
nibus distantiisque non semper adamussim observans Visus est.«
Ebd., S. 192: »Verum in ducendis Iineis, quae commissuras eolorum quasi margines
terminarent, et in mitiganda, commiscendaque vividiorum pigmentorum austeritate
jucundissimus artifexante alia id praestantercontendit, quod uiuim in [Michelangelo]
Bonarota defuerat, scilicet ul picturis erudite dclineatis etiam eolorum oleo commi-
storum lucidus ac inviolabilis ornalus accederet.« J. Siiearman (Leonardo's eolour,
1962, S. 41) hat darauf hingewiesen, daß Giovios Rühmung der Verbindung von Farbe
und Dunkel in Raphaels Malerei den Ausführungen von Plinius über Apelles entspricht.
Der Triumph der Galatea und die Szenen aus der Erzählung von Amor und Psyche,
Fresken, Rom, Villa Farnesina (L. Dussler, RalTael 1966, S. 106-110).
Serlio, Trattato sull' architettura, S. III/IV, zitiert nach V. Golzio, Raffaello nei docu-
menti, 1971, S. 284f.: »... et colorite variate, che rappresentano il vero: et e tanto bene
aecommodata tutta quell' opera insieme, chesi puö giudicare quella loggia piü tosto uno
apparato per qualche trionfo, ehe una pittura perpetua, fatta nei muro.«
61