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Raphaels Farbe -Geschichte ihrer Betrachtung

e fieri talmente unite, [...] che carni veramente parevano, e non dipinte.«16 Soviel
zu den meist nur wenig begründeten >Geschmacksurteilen< zu Raphaels Farbe aus
den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts.

Gegenüber diesen vereinzelten Anmerkungen bilden die Ausführungen von
Giorgio Vasari in den Vite de'piu eccelenti pitlori, scultori ed architettori"
sowohl in ihren systematischen, wie auch in den für die Zeil neuartigen historischen
Gesichtspunkten den bedeutendsten Beitrag in der Kunstliteratur des 16. Jahrhun-
derts zu Raphaels Farbigkeit. Angesichts des unbestrittenen Allgemeinplatzes von
der grundlegenden Bedeutung des disegno als »padre delle tre arti« (I, S. L68) in
Vasaris Kunstauffassung wird leicht übersehen, wie sehr Vasari darüber hinaus für
die Malerei auch auf der Einheit von disegno und colore bestanden hat ': »E se un
pittore disegna bene et i colori benissimo non adoperi, ha perso il tempo in tale arte;
e se ben colorisca e disegno non abbia, il fin suo e vanissimo.« Die »Intelligenz des
Malers« bestehe gerade darin, mit der »unione nel colorito« die Vorzüge des disegno
zur Wirkung zu bringen (I, S. 181). Durch die Entwicklung der Kunst, die Vasari als
Geschichte ihrer fortschreitenden Verbesserung auffaßt, sei die Malerei leicht
geworden für denjenigen, der nicht nur über disegno, sondern auch über invenzione
und colorito verfügt (IV, S. 13), und speziell mit Blick auf Raphael rühmt Vasari,
»che in vero noi abbiamo per lui 1' arte, i colori e la invenzione unitamente ridotti
a cpiella fine e perfezione, che appena si poteva sperare« (IV, S. 584).

Der augenfälligste Aspekt an Vasaris Betrachtung von Raphaels Farbigkeit liegt
zunächst in seiner Betonung der Wirklichkeitsnähe der Naturnachahmung, der
Suggestion von Lebendigkeit, dem verosimile in Raphaels Kolorit, was bis zum
Jahrhundertende in verschiedensten Modifikationen eine Grundkonstante in der
ästhetischen Beurteilung des Farbigen bleiben wird: »E nel vero, che V altre pitture,
pitture nominaresi possono; ma cpielle cli Raffaello, cosevive; perche trema la carne,
vedesi lo spirito, battono i sensi alle figure sue, e vivacitä viva vi si scorge« (IV,
S. 350). Die Bedeutung dieser zentralen Aussage ist unterbestimmt, solange man
sich nicht vergegenwärtigt, daß die von Vasari aufgezählten Kategorien - Geist,
Leben usf. - in der Malerei ja gar nicht auf dem Wege einer einfachen, realistischen
Naturnachahmimg abgebildet, sondern nur durch andere künstlerische Mittel

Brief vom 7.5.1544, zitiert nach V. Golzio, ebd., S. 289f.

Vasari, Vite, zitiert wird die erweiterte zweite Auflage von 1568, 1981. Siehe zu den

Unterschieden zur ersten Auflage von 1550 die jüngst vorgelegte ausführliche Analyse

der Raphaelvita bei Vasari durch Patricia Lee Rubin (Giorgio Vasari, 1995, S. 557-401),

in der allerdings Vasaris Bemerkungen zu Raphaels Farbe nichtweiter untersucht werden.

So z. B. bei H. Matile, Die Farbenlehre, 1979, S. 30: »Vasari [...] sali in der Farbe nur

ein blödes Akzidens«.

Zitiert nach P. Barocchi, Trattati d' arte del Cinquecento, Bd. I, i960, S. 62.

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