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der narrativen Struktur überfuhrt, die der Betrachter zugleich als anschauliche
Verdichtung des Erzählten wahrnimmt. Auch für die Bestimmung der Bildakteure
hat diese Divergenz zwischen der Farbordnung und der Figuralkomposition eine
wichtige Ronsequenz: Die Farbordnung ist den Figuren nicht - wie so oft bei
Perugino - als Kompositionsschema vorgegeben, sondern scheint selbst erst aus
dem thematisch orientierten, freien und lebendigen Handeln hervorzugehen. Die
Kunst der Komposition ist bei Baphael den Figuren auf diese Weise gleichsam
inkorporiert.
Auch koloritgeschichtlich ist die Parallelität primärtriadischer Farbkonstellatio-
nen, wie sie im übrigen auch auf der rechten Bildseite zu sehen sind, in Konkurrenz
mit Farbdualitäten in Raphaels Farbkomposition höchst signifikant: Die Farbord-
nung der Trias ist als eine kulturgeschichtlich erst am Beginn des Cinquecento sich
ausbildende Systematisierimg der Farben49 in dieser frühen hisloria Raphaels noch
nicht als eigenständiges, primäres Strukturprinzip etabliert, sondern überlagert
und durchdringt gleichsam auf sekundärer Ebene das bis dahin in vielfigurigen
Historienkompositionen vorherrschende quattrocenteske Prinzip einer kontrastiv,
in Farbdualitäten regulierten varietä des Farbigen3". Das Entstehen dieser Farbord-
nung ist hier exemplarisch zu studieren ! Diese neuartige primärtriadische Syste-
matisierung des Farbigen wurde freilich schon in der Malerei des späten Quat-
trocento vorbereitet: Vor allem im CEuvre von Luca Signorelli, wie z. B. in der 1491
entstandenen Madonna mit Heiligen in Volterra oder in den Fresken im Dom zu
Orvieto", konnte Raphael primärtriadische Farbkonstellationen studieren. Der
Weg, auf dem Raphael dieses farbstrukturelle Prinzip von Signorelli aufgenommen
haben kann, ist vergleichsweise einfach zu rekonstruieren: Immerhin hat Raphael
sein Altarbild des Christus am Kreuz (Abb. 40), zu dem diese Predella gehört, als
Pendantbild zu Signorellis Altartafel mit dem Martyrium des Hl. Sebastian in der
Kirche S. Domenico in Cittä di Castello ausgeführt52, die ebenfalls Signorellis Expe-
w Siehe hierzu weiterführend Kap. IV, S. 2301'. und Kap. VI, S. 339, Anm. 128.
50 M. Barasch, Light and color, 1978, S. 32.
"'' Die Tafel in der Pinacoteca civica in Volterra mißt 302x233 cm und ist inschriftlich auf
1491 datiert. Siehe z. B. in der Capeila di San lirizio die Darstellungen der Taten des
Anlichrisls und der Apokalypse, die 1500 in Auftrag gegeben wurden (M. Salmi, Signo-
relli, 1955, S. 291'., S. 56fT„ S. 68, Nr. 16 b, S. 74ff., Nr. 39-52. Abb.: A. Paolucci, Signo-
relli, 1990, S. 27, S. 46, S. 501'.). Bei Perugino konnte Raphael dagegen die strukturieren-
den Möglichkeiten triadischer Farbordnungen ans Blau, Kot und Gelb, erweitert um
Grün nur kursorisch studieren, etwa in den Predellen zum Marienleben in Fano
(P. Scarpellini, Perugino, S. 94, Nr. 73, Abb. 116-123).
52 Holz, 288 x 175 cm, Pinacoteca, Gittä di Castello. Die Datierungen für Signorellis Bild
schwanken zwischen 1476 und 1498 (Siehe hierzu M. Salmi, Signorelli, 1955, S. 71).
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der narrativen Struktur überfuhrt, die der Betrachter zugleich als anschauliche
Verdichtung des Erzählten wahrnimmt. Auch für die Bestimmung der Bildakteure
hat diese Divergenz zwischen der Farbordnung und der Figuralkomposition eine
wichtige Ronsequenz: Die Farbordnung ist den Figuren nicht - wie so oft bei
Perugino - als Kompositionsschema vorgegeben, sondern scheint selbst erst aus
dem thematisch orientierten, freien und lebendigen Handeln hervorzugehen. Die
Kunst der Komposition ist bei Baphael den Figuren auf diese Weise gleichsam
inkorporiert.
Auch koloritgeschichtlich ist die Parallelität primärtriadischer Farbkonstellatio-
nen, wie sie im übrigen auch auf der rechten Bildseite zu sehen sind, in Konkurrenz
mit Farbdualitäten in Raphaels Farbkomposition höchst signifikant: Die Farbord-
nung der Trias ist als eine kulturgeschichtlich erst am Beginn des Cinquecento sich
ausbildende Systematisierimg der Farben49 in dieser frühen hisloria Raphaels noch
nicht als eigenständiges, primäres Strukturprinzip etabliert, sondern überlagert
und durchdringt gleichsam auf sekundärer Ebene das bis dahin in vielfigurigen
Historienkompositionen vorherrschende quattrocenteske Prinzip einer kontrastiv,
in Farbdualitäten regulierten varietä des Farbigen3". Das Entstehen dieser Farbord-
nung ist hier exemplarisch zu studieren ! Diese neuartige primärtriadische Syste-
matisierung des Farbigen wurde freilich schon in der Malerei des späten Quat-
trocento vorbereitet: Vor allem im CEuvre von Luca Signorelli, wie z. B. in der 1491
entstandenen Madonna mit Heiligen in Volterra oder in den Fresken im Dom zu
Orvieto", konnte Raphael primärtriadische Farbkonstellationen studieren. Der
Weg, auf dem Raphael dieses farbstrukturelle Prinzip von Signorelli aufgenommen
haben kann, ist vergleichsweise einfach zu rekonstruieren: Immerhin hat Raphael
sein Altarbild des Christus am Kreuz (Abb. 40), zu dem diese Predella gehört, als
Pendantbild zu Signorellis Altartafel mit dem Martyrium des Hl. Sebastian in der
Kirche S. Domenico in Cittä di Castello ausgeführt52, die ebenfalls Signorellis Expe-
w Siehe hierzu weiterführend Kap. IV, S. 2301'. und Kap. VI, S. 339, Anm. 128.
50 M. Barasch, Light and color, 1978, S. 32.
"'' Die Tafel in der Pinacoteca civica in Volterra mißt 302x233 cm und ist inschriftlich auf
1491 datiert. Siehe z. B. in der Capeila di San lirizio die Darstellungen der Taten des
Anlichrisls und der Apokalypse, die 1500 in Auftrag gegeben wurden (M. Salmi, Signo-
relli, 1955, S. 291'., S. 56fT„ S. 68, Nr. 16 b, S. 74ff., Nr. 39-52. Abb.: A. Paolucci, Signo-
relli, 1990, S. 27, S. 46, S. 501'.). Bei Perugino konnte Raphael dagegen die strukturieren-
den Möglichkeiten triadischer Farbordnungen ans Blau, Kot und Gelb, erweitert um
Grün nur kursorisch studieren, etwa in den Predellen zum Marienleben in Fano
(P. Scarpellini, Perugino, S. 94, Nr. 73, Abb. 116-123).
52 Holz, 288 x 175 cm, Pinacoteca, Gittä di Castello. Die Datierungen für Signorellis Bild
schwanken zwischen 1476 und 1498 (Siehe hierzu M. Salmi, Signorelli, 1955, S. 71).
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