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Raphael und Luca Signorelli

rimentieren mitprimärtriadischen Farbkonstellationeii in der Schergengruppe im
Vordergrund zeigt. Wie eingehend Raphael gerade diese Gruppe aus Signorellis
Altartafel betrachtet hat, dokumentieren seine hierzu überlieferten Nachzeichnun-
gen". Raphael hat sich nicht nur hinsichtlich der triadischen Farbkonstellationen,
sondern z. T. bis in die Wahl einzelner Farbtöne hinein an Signorellis Palette
inspiriert: Die hellen Purpurkarminrot-, warmen Gelb- und wässrigen Blautöne aus
Signorellis Schergengruppe sind unmittelbar in der Koloristikvon Räphaels Predel-
la wiederzufinden. Allerdings subliniiert Raphael die Buntwertigkeit der Signorelli-
schen Farben, indem er diese stärker mit Weiß ausmodelliert und den Lichtgehalt
der Farben steigert: Das weiße Gewand des Knienden rechts bei Raphael ist z. B.
leuchtender als selbst die Mandorla von Gottvater bei Signorelli! Der Vergleich mit
der Farbigkeit von Signorellis Sebastiansmartyrium erhellt zugleich aber auch, wie
grundlegend Räphaels Farbkomposition von derjenigen von Signorelli abweicht:
Während Signorelli die Grundfarben Rot, Gelb und Blau kleinteilig mit reich
abgewandelten Schwarz-, Grau-, Braun-, Weiß- und Grüntönen durchsetzt, und
damit auf eine noch ganz quattrocenteske Vielfarbigkeit hin auffächert, ist bei
Raphael der Umgang mit der Trias deutlich von der Absicht einer strenger konzi-
pierten und thematisch gefaßten Systematisierung des Farbigen bestimmt, die nicht
zuletzt auch durch die neue, grundsätzliche Scheidung des Unbunten vom Bunten
unterstützt wird. Dies hat auch Konsequenzen für die bei Raphael mit ganz anderer
Stringenz entfaltete narrative Struktur, die im folgenden weiter zu analysieren ist:
Komprimiert tritt die Polarität von Unbunt und Bunt in der Figur des enthauptet
auf dem Bauch liegenden Sabinianus auseinander . Während das Rot der Beinklei-
der und das Blau des Mantels Sabinianus im Rumpf noch zur triadischen Ordnung
der Buntfarben binden, ist sein Oberkörper abrupt in lichtloses Unbunt gerückt, das
durch den harten Hell-Dunkel-Wechsel zum leuchtenden Rot der Schnittwunde, der
blassen Inkarnathelle und zum Karminrose im Hut durchbrochen wird 5. Die Figur

Siehe die Zeichnungen bei E. Knab, E. MlTSCH, K. Oberhuber, Raphael. Die Zeich-
nungen, 1985, Nr. 5, und das umstrittene Blatt in Lille (ebd., App. 4), das aber vielleicht
ein verlorenes Original dokumentiert. Vgl. J. Pope-Hennessy, Raphael, 1970, S. 42,
C. Gilbert, A miracle by Raphael, 1965, S. 50, 55, D. A. Brown, Raphael and America,
1983, S. I13f.). E. Panofsky (RalTael und die Fresken in der Dombibliothek zu Siena,
1915, S. 290r.) weist auf Entsprechungen zu einzelnen Figuren in der von Pinturicchio
freskierten Libreria Piccolomini hin.

Die Beobachtung von L. DüSSLER, daß neben Sabinianus dessen gefälschte Schriften zu
sehen seien, gehl wohl auf die Undeutlichkeiten einer photographischen Reproduktion
zurück (RalTael, i960, S. 02).

Entgegen der körperlichen Richtigkeit wurde die Schulter-und Halspartie mit schwarzer
Farbe eigenartig kegelstumpfförmig erweitert, offenbar um den anschaulichen Zusam-
menhang der Schnittstelle mit dem Kopf und Hut zu verstärken.

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