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Wilpert, Joseph [Hrsg.]
Die römischen Mosaiken und Malereien der kirchlichen Bauten vom IV. bis XIII. Jahrhundert (Band 2): Text: 2. Hälfte — Freiburg i.Br., 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.1404#0511
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Fünftes Kapitel. Das Gericht.

1021

kommen. Daher auch das Bestreben, ein Grab in möglichst großer Nähe eines Märtyrer-
grabes zu erwerben; dadurch glaubte man den betreffenden Heiligen zu zwingen, daß er
sich seiner Grabnachbarn vor Gericht annehme. Ein solches Vorrecht, das viele begehrten
und wenige erlangten1, wurde unter andern einem Presbyter Sarmata zuteil; denn sein Grab
befand sich zwischen denen der Märtyrer Nazarius und Viktor. Wir erfahren es aus seinem
Epitaph, das ihn deswegen als einen Glücklichen preist: O FELIX GEMINO MERVIT
QVI MARTYRE DVCI! AD DOMINVM MELIORE VIA REQVIEMQVE MERERI.
O der Glückliche, der es verdient hat, von zwei Märtyrern auf einem besseren Wege zum
Herrn geführt zu werden und so zum Frieden zu gelangen.

Die bildlichen Darstellungen dieses Vorganges, die sich bis in das 2. Jahrhundert hin-
auf verfolgen lassen, berücksichtigen demnach den Zustand der Seele unmittelbar nach
ihrem Hinscheiden aus diesem Leben, den Zustand vor dem Weltgericht; sie vergegen-
wärtigen also sämtlich das Sondergericht".

Von dem Letzten Gericht, das erst am jüngsten Tag erfolgen wird, läßt sich in der
Malerei der Katakomben bis jetzt kein einziges Beispiel nachweisen. Auch in der Sarkophag-
skulptur ist es, bis auf eine weiter unten zu behandelnde Ausnahme, unbekannt. Man darf
sich darüber nicht wundern. Die zömeteriale Kunst hat es, wie schon einmal hervorgehoben
wurde, mit einzelnen Verstorbenen, deren Gräber sie von Fall zu Fall ausschmückt, zu tun:
auf diese bestimmten, in den Epitaphien genannten Verstorbenen bezieht sich alles, was die
Hand des Malers oder Bildhauers in den Katakomben schafft. Anders in der basilikalen
Kunst, welche nicht mit einzelnen Individuen sondern mit der Gemeinde zu rechnen hat.
Ihre Schöpfungen müssen deshalb einen allgemeineren Charakter haben, mehr objektiv
gehalten sein, um auf alle bezogen werden zu können. Die basilikale Kunst als solche
schließt also das Sondergericht ebenso naturgemäß aus, wie die zömeteriale dasselbe for-
dert, da dieser das Los, welches den Verstorbenen sofort nach dem Tode trifft, am Herzen
liegt. Daher kann das Sondergericht auch sehr gut in einer Basilika zur Anwendung ge-
langen, sobald es gilt, ein Einzelgrab auszuschmücken. Wir sehen es in der alten Kirche
des hl. Klemens, welche sowohl eine Darstellung des Jüngsten als auch des Sonder-Gerichtes
besitzt. Auf dem letzteren ist der Verstorbene kein Geringerer als der Slavenapostel Cyrill;
wir wollen es an erster Stelle besprechen.



ähHen.1

sie1

1. Malerei am Grabe des hl. Cyrill.

Es ist aus der Geschichte bekannt, daß die Slavenapostel Cyrill und Method von dem
Papst Nikolaus I. (858—867) nach Rom berufen wurden, um über ihre Missionstätigkeit
Bericht zu erstatten. In der ewigen Stadt angelangt, fanden sie Nikolaus nicht mehr unter
den Lebenden; es war ihm bereits Hadrian II. (867—872) gefolgt. Sie brachten den Römern

1 De Rossi, Inscript. christ. I 142, n. 319. meinen Katakombenmalereien 390 ff, wo vierzehn bis in das

2 Vgl. über die Darstellungen des Gerichtes das Kapitel in 2. Jahrhundert hinauf reichende Gerichtsbilder behandelt sind.
 
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