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Wilpert, Joseph [Hrsg.]
Die römischen Mosaiken und Malereien der kirchlichen Bauten vom IV. bis XIII. Jahrhundert (Band 2): Text: 2. Hälfte — Freiburg i.Br., 1916

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https://doi.org/10.11588/diglit.1404#0652
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1160

Fünftes Buch. Schlaßbetrachtungen.

Darum wirkt die Malerei namentlich bei dem Landvolk wie eine Lesung. . . . Du durftest
also nicht zerbrechen, was in den Kirchen nicht zur Anbetung, sondern zur Belehrung
aufgestellt war. Gerade weil es von alters her aus guten Gründen gestattet ist, an ver-
ehrungswürdigen Orten Darstellungen von Heiligen anzubringen, hättest du ohne Zweifel
deinen Zweck erreicht, wenn in deinem Eifer etwas mehr Klugheit gewesen wäre.

Zur besseren Würdigung dieser Stelle ist zu beachten, daß Gregor den allgemeinen
Ausdruck „loca" gebraucht, weil er nicht bloß Kirchen, sondern auch Baptisterien, Mauso-
leen, kurz, alle Orte im Sinne hat, welche mit religiösen Malereien oder Mosaiken geschmückt
waren. Er spricht sodann von Tafelgemälden und Wandmalereien, wie die Worte „pictura ,
„picturae", „sanctorum imagines" und „sanctorum historiae" andeuten. Von der angeblichen
Anbetung der Bilder bei den Diözesanen des Serenus ist er nicht völlig überzeugt, und
wenn dieser zur Rechtfertigung seines Vorgehens auf das Beispiel des hl. Epiphanius hätte
hinweisen können, so war das Zerbrechen der Bilder für jene Zeit doch etwas ganz Unge-
wohntes. Für beide Arten von Malereien, mögen sie Einzelgestalten oder Szenen darstellen,
beruft sich der Papst schließlich auf das christliche Altertum; denn vor seinem Auge stand die
unübersehbare Reihe von Monumenten mit künstlerischen Darstellungen, die bis an die
Wiege der römischen Kirche hinanreichte. Noch heute können wir ja in den Katakomben
an drei Stellen Malereien aus dem 1. Jahrhundert sehen, und doch sind nur Trümmer des
einstigen Denkmälerschatzes übrig.

Die Antwort, welche Gregor dem Bischof gab, spiegelt die Auffassung wieder, welche
in Rom zu allen Zeiten über Bilder religiösen Inhaltes die herrschende war; sie wäre nicht
anders ausgefallen, hätte sie z. B. der hl. Damasus oder sonst ein Papst gegeben. Die
römische Kirche mit dem ihr eigenen eminent praktischen Sinn erkannte in den Bildern
ein vorzügliches Mittel zur Verkündigung und Förderung des Glaubens. Daher hatte sie
die Kunst vom Anfang ihres Bestehens an in ihre Dienste gezogen. Die Katakomben
haben den tatsächlichen Beweis dafür geliefert. Die Künstler, welche gerufen wurden, um
die Gräber der unterirdischen Nekropolen mit religiösen Bildern zu schmücken, haben sich
nicht mit „einigen einfachen Symbolen und biblischen Szenen" zufrieden gegeben; das läßt
sich höchstens von den wenigen Malereien aus der allerersten Zeit sagen. Seit dem Anfang
des 2. Jahrhunderts sind die Darstellungen bereits aus dem vollen Glaubensleben geschöpft;
größtenteils tief durchdacht, bringen sie ein mehr oder minder ausführliches Credo dessen,
der sie malen ließ, zum Ausdruck. Damit ist aber ihr Zweck noch nicht genügend gekenn-
zeichnet. Wie die Verstorbenen den Besucher des Grabes in den Inschriften öfters um
sein Gebet bitten, so tragen sie ihm auch in den Malereien diese Bitte vor; ja sie tun noch
etwas mehr: sie legen ihm sogleich die Formeln des Gebetes in den Mund; die Malereien
werden somit selbst zum Gebet2.

1 L. 11, Ep. 13 Ad Serenum Massüiensem episcopum: Mig-ne, hist.Epist. I 270f. Vgl.L.9, Ep. 105: col. 1027; Ewald a. a.0.195.
PL 77, 1128f; ed. Ewald, Gregorii I Reg. 11, 10, in Mon. Germ. 2 Vgl. meine Katakombenmalereien 151—161.
 
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