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war mein Erstaunen, als ich feststellte, daß trotzdem die heiß umstrittene Frage von
Diirers Autorschaft an den Baseler Buchillustrationen eigentlich gar nicht mehr existierte!
Die vermeintlichen Kämpfe, die die Dürergegner den Anhängem Burckhardts lieferten,
waren in Wirklichkeit Nachhutgefeditel Die Idee des Doppelgängers, an sich fruchtbar,
hatte sich als ein konstmktiver Gedanke von sehr geringer Tragkraft erwiesen.

Seit Peartree 1905 eine bedeutende Kreuzigung in Holzschnitt entdeckt hatte, die vom
November 1493 datiert und in Straßburg entstanden war, offensichtlich ein Werk Diirers,
das mit der Baseler Gruppe des Bergmannmeisters unlöslich verbunden zu sein schien,
hat Weisbachs Anhängerschaft ständig abgenommen. Weisbach und Wölfflin, die widi-
tigsten Vertreter der These vom Meister der Bergmannschen Offizin, haben sich aus-
geschwiegen. Die Wiener Gelehrten Roettinger, Weixlgaertner und Meder, C. Dodgson in
London sind ins Lager der um Burckhardt, Pauli und Friedländer gesdiarten Anhänger der
Diirerthese iibergegangen. Bei dieser Sachlage wäre es richtig gewesen, die Untersuchung
abzubrechen, hätten sidi mir nicht Hinweise genug ergeben, daß die Illustrationen des
Narrenschiffs nicht ausgeschöpft sind. Noch jiingst wurde in einem in hoher Auflage verbreiteten
Buche eines angesehenen, vielgelesenen und viel lesenden Kunsthistorikers die Auffassung
vertreten, die Baseler Illustrationen seien „künstlerische Fragwürdigkeiten“ und „dem Bild
Dürers ... würden die Jugendillustrationen keine wesentlichen Züge hinzufügen“.

Bei der Hochschätzung, der sich die Baseler Bücher des Ritters vom Turn und Narren-
schiffs in den Kreisen der Liebhaber und Sammler erfreuen, ist das Urteil ebenso ver-
blüffend wie unverständlich. Ganz offenbar ist die Aufgabe besonders vordringlich, die
Stellung der Baseler Bilder innerhalb des deutschen Holzsdmitts schärfer zu umreißen und
überhaupt mehr in ihn einzudringen.

Kopernikus’ umwälzende Schrift über den Kreislauf der Himmelsbahnen ist erst 1835,
fast 300 Jahre nach ihrem Erscheinen, vom Index der den Katholiken verbotenen Bücher
abgesetzt worden. Sie hatte ihre Thesen bei den Fachleuten keineswegs schnell zur
Geltung gebracht, obgleich sie in Keplers Entdeckungen eine starke Stütze gefunden hatte.
Viele Jahrzehnte, ja Jahrhunderte ging der Streit. Was will es da besagen, wenn sich die
Gelehrten in einem halben Jahrhundert nicht über Dürers erste Holzschnitte einigen
können?! Die Sache sieht weit giinstiger aus, wenn man den Gehalt und die Entwicklung
der Urteile näher prüft. Flechsigs, eines der schärfsten Gegner der Dürerthese, Befürch-
tung, daß vielleicht schon die Mehrzahl der Forscher der Ansicht Burckhardts sei, ist
durchaus begründet, Ja, ich wagte oben die Behauptung, daß der Streit im Grunde schon
entschieden sei. Ich habe deshalb zwei Anhänge mit ausführlichen Übersichten über die
Entwicklung der Frage in der Literatur hinzugefügt. Die eine verfolgt die Äußerungen
zum Narrenschiff, die andere die zur Straßburger Kreuzigung, Eckpfeilern in dem Gebäude
des Dürerschen Jugendwerkes.

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