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RITTERVOM TURN, GEBETBUCH UND TERENZ

as der Hauptmeister des Narrenschiffs (Diirer) in Basel geschaffen hal,
steht fest. Von ihm sind sämtliche 45 Holzschnitte zum Ritter vom
T u r n („Von den Exempeln der Gottesfurcht und Ehrbarkeit“), ferner
18 von 25 zu einem Gebetbuch, sowie 126 (ungeschnittene) Stöcke
mit Zeichnungen zu den Komödien des T e r e n z , einer Publikation,
die nicht zustande gekommen ist61. 6 Stöcke sind geschnitten vorhanden;
von 7 geschnittenen, die verschollen sind, haben wir Abdrucke, dabei von einer Darstellung
des „Theaters“ des Terenz, einem doppelt so großen Holzsdmitt mit einem Amphitheater
mit Gauklem unten, Zuschauem oben62.

Obgleich sich die kunsthistorische Forsdiung mit den drei Zyklen eingehender befaßt hat
als mit dem Narrenschiff, ist, soweit ich sehe, bisher nicht bemerkt worden, daß die Illu-
strationen des Ritters vom Tum, die stärkste Leistung neben dem Narrenschiff, diesem
unterlegen sind63. Den zahlreichen gutgeschnittenen Stöcken des letzteren, von denen oben
ein ansehnlicher Teil besprochen wurde, ist kein einziger im Ritter vom Tum ebenbiirtig.
Am nächsten kommen die drei Bilder mit dem Ritter selbst (zwei am Anfang, eines am
Schluß) und die Frau vor dem Spiegel, ihr Haar kämmend (Taf. 43—45 oben), die beste
Arbeit im Buch. Alle anderen folgen mit Abstand. Trotzdem genießt das Werk unter den
Inkunabeln Weltruf.

Man geht mit der Behauptimg, daß der Ritter vom Turn mehr geschätzt werde als das
Narrenschiff, schwerlich fehl. Wer das stattliche Buch in Quartformat in einem schönen,
breitrandigen Exemplar kennen gelemt hat, wird es begreifen. Wie im Titelblatt (Taf. 43),
dessen Typen eigens hierfiir gezeichnet wurden, Text, Bild und Zierleisten straff zu-
sammengefügt sind, so macht sich ästhetisches Feingefühl iiberall im Buch geltend. Das
dichte und feste Satzbild ist mit originellen Initialen auf schwarzem Grund und einfachen
Buchstaben kleineren Schriftgrades verziert. Überschriften befinden sich nur iiber den Holz-

61 Es fehlt nicht an Stimmen, die die sdiwächeren Arbeiten im Terenz und im Ritter vom Tum Ge-
hilfen und Nachahmem zuschreiben. Nach meinem Dafiirhalten ist es bisher nicht gelungen, sie herauszu-
Iösen, vielleicht gliickt es, nadidem die Mitarbeiter des Narrensdiiffes erkannt worden sind. Soviel idi
sehe, können nur diese sowie der Ergänzer der Gebetbuchfolge abgesondert werden, also Reißer, die
nidit m i t, sondem nadi dem Hauptmeister gearbsitet haben.

62 Die neueste Zählung (Panofsky, A. Dürer II Nr. 436) berichtigt diejenige Roemers.

63 Es gibt zwei Faksimilenachbildungen des Buches außer den Reproduktionen bei Schramm (Bd. 22), von
R. Kautzsch (Stud. z. dtsdi. Kstgesdi. H. 44, 1903) und K. Pfister (Miinchen 1922). Leider gewährt keine
den Anblick einer ganzen Seite mit dem reidien omamentalen Schmuck und den lypographisdien Fein-
heiten. Audi die 6 Proben, die R. Muther (Deutsche Budiillustration II, 124—129) mitgeteilt hat, ver-
ansdiaulidien den Reichtum und die Sorgfalt der Ausstattung nur von ohngefähr (vgl. Taf. 48).

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