Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIE LITERATUR ÜBER DIE STRASSBURGER KREUZIGUNG

eines Wissens ist der Holzschnitt vor 1905222, als Peartree das Baseler
Exemplar auf Pergament entdeckte, niemals erwähnt worden.

Nach Peartree verraten zahlreiche Einzelheiten sogleich, daß der
Holzschnitt von Diirer stammt und gev/isse Formeln der Zeidmung,
z. B. Hände und Schnittechnik, es wahrscheinlich machen, daß er vor der
Rückkehr nach Nürnberg gefertigt ist. Christi Gestalt ist mit beträcht-
licher Wahrheit des Empfindens und der Bewegung gezeichnet; er ist aber grob, stellen-
weise sogar roh gesdmitten . . . Draperien, Gesichter und Hintergrund sind vom Form-
schneider, dem die Wiedergabe des Nackten die größten Schwierigkeiten bereitete, mäßig
geschickt behandelt worden. Trotzdem wird Diirers Hand unverkennbar sichtbar: in den
Gesichtern, in der Behandlung der Haare Johannis, in der Anlage und Darstellung der
Falten und vor allem in jeder Einzelheit der Landschaft. Beim Vergleich mit den signierten
friihen Holzschnitten findet man die genannten Merkmale, besonders die letztgenannten,
häufig wieder. Ebenso zeigen Zeichnungen Diirers wie der Pariser Reiter, der Hamburger
Orpheus und die Wiener Europa (W. 52, 58, 87) dasselbe Schema geschwungener Hiigel
mit Bäumen am Rande und zuweilen mit Burgen besetzt. Die Kreuzigung muß zwischen
dem technisdi erheblich unterlegenen Hieronymus von 1492 und den italienisch beein-
flußten Werken von 1494/95 geschaffen sein (die anderen Beobachtungen Peartrees sind
oben S. 77 mitgeteilt).

In einem Nachwort hat Dodgson nicht in der Stilverwandtschaft, etwa der Maria und
der Landschaft, mit dem Ritter vom Turn eine Bestätigung der Zuschreibung an Diirer
gesehen — er war damals der Ansicht, daß man nur einen Teil der Baseler Gruppe mit
Dürer in Verbindung bringen könnte —, sondern in der allgemeinen, sehr bedeutenden
Auffassung, die den Holzschnitt vor allen damals und vielen später erschienenen Kanon-
holzschnitten auszeichnet (s. oben S. 77). Es sei leichter, dieses Werk auf Grund seines
Stils Diirer zuzuschreiben als den Hieronymus. Dodgson weist außerdem auf die Vorziige
der beiden von ihm ermittelten Abdrucke der Kreuzigung und den feierlichen Kopf Christi
hin, den kleinen Holzschnitt im selben Missale, der von der Hand des Reißers der
Kreuzigung ist.

1911 ergänzte Dodgson223 seine friiheren Bemerkungen vor allem dadurch, daß er
Peartrees Ausfiihrungen von 1905 entscheidenden Wert beimißt und die seinen als mehr
subjektive bezeichnet. Er unterstreicht aber zugleich seine urspriingliche Ansicht von der

222 Dürer Soc. IX, 1906, S. 21 (mit Nadiwort von C. Dodgson). 223 Burlington Magazine Bd. 20, S. 95.

114
 
Annotationen