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NÜRNBERGER EINBLATTHOLZSCHNITTE (DÜRER)

1s Dürer Pfingsten 1494 nach Nürnberg zurückkehrte, sah er sich einer
Situation gegenüber, die kiinstlerische und auch wirtschaftliche Probleme
in Fiille enthielt. Es war vorauszusehen, daß der junge, hochbegabte
Künstler seinem Lehrer schnell denWind aus denSegeln nehmen würde.
Zunâchst war er freilich derStellungnahme durch seine Reise nach Italien
im Herbst 1494 enthoben. Was aber sollte er nach seiner Einrichtung der
Werksatt im Frühjahr 1495 tun? Dürer verlegte sich auf die Graphik. Er schuf zugleich
Kupferstiche und Holzschnitte anscheinend als erster in Deutschland, zumindest als der
erste, der es planvoll tat und als Grundlage seiner Tätigkeit auffaßte. Er begründete einen
Kunstverlag. Wolgemut war nach 1496/97 nicht mehr als Reißer tätig, während in dem
Jahrfünft vorher regelmäßig umfangreiche Zyklen und einzelne Illustrationen von ihm
erschienen sind. Ein innerer Zusammenhang zwischen dem Verstummen des Lehrers und
der starken Produktivitât des Schülers ist anzunehmen. Dürer hat sich schnell durchgesetzt
und Wolgemut als Reißer verdrängt.

Bevor Dürer seinen ersten Stich, die Madonna mit der Libelle, signierte — es war ver-
mutlich um die Mitte des Jahres 1495 —, hat er drei unsignierte Arbeiten ausgeführt.
Gleichzeitig hat er im Holzschnitt auf verschiedene Weisen experimentiert, bevor er das
Mânnerbad, seinen ersten Holzsdmitt139, mit seinem Namenszeichen versah. Dieses Blatt
ist schwerlich viel spâter als der erste signierte Stich. Die Vorläufer des Mânnerbades ge-
nießen nicht die Anerkennung, der sidi die unsignierten Stiche erfreuen.

Die 8 unsignierten Holzschnitte, die dem Mânnerbad vorangehen, sind nicht als einzelne
Experimente zu werten, sondern der Künstler entwirft sie teilweise zu mehreren auf ein-
mal. So sind die 4 Blâtter der Albertina Passion (Taf. 57/8, 64) die frühesten entstandenen,
und so folgen sich auch die 4 größten unsignierten mit Kreuzigung (Taf. 59/61, 65), Be-
weinung (Taf. 62), Sebastian (Taf. 63), Christophorus (B. 105) derart, daß sie unmittelbar
nacheinander gerissen sein müssen.

Die vier gleichgroßen Holzschnitte der Albertina Passion sind ebenso wie die ersten
drei unsignierten Stiche und die vier größten unsignierten Holzschnitte fast sâmtlich nur
in wenigen Abziigen überliefert. Die Passion sollte wohl ein Seitenstück zu Schongauers
Kupferstich-Passion im Holzschnitt werden. Wo deren Vorbild nicht so treu übemommen
ist wie in der Domenkrönung140, verrät sich die Abhângigkeit von Schongauer durch den
neuen malerischen Charakter, der âhnlich dem der Stiche ist, durch die subtile technisdie

l3a Flechsig, Dürer I S. 262 f. 140 Beenken in Zeitschr. f. bild. Kst. Bd. 61 S. 349.

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