Arbeit, die Figurenfülle und das Format. Diirer kopierte nur dann genau, wenn er einen
bestimmten Zweck verfolgte, z. B. beim Pausen der beiden Mantegnastiche, deren Linien-
führung er freilich radikal änderte; in der Regel wandelte er seine Vorlagen sehr frei und
kiihn ab. Auch die Domenkrönung ist straffer und iibersichtlicher als die Vorlage kom-
poniert. Aber die Schnittausfiihrung ließ hier wie iiberall zu wiinschen, bei der Maria der
Kreuzigung ist sie gänzlich mißraten. Diirer verlangte von dem Niimberger Formschneider
zu viel auf einmal. So wandte er seit Hieronymus und Gerson zum erstenmal öfters Kreuz-
lagen an, die sich nirgends in den Baseler Buchbildem finden141.
Wir wollen den Abstand zwischen der Baseler und der Niirnberger Grappe nicht durch
Analogien beseitigen, die sich feststellen lassen und die auch sinnvolle Übergärige auf-
zeigen, z. B. in der Behandlung des Vorder- und Mittelgrundes, von Busch und Baum.
Nachdem wir beobachtet haben, wie verschieden jeder der drei großen Holzschnitte in
Basel und Straßburg ausgefallen war, werden wir nidit erwarten dürfen, daß die Albertina
Passion ihnen gleicht. Die Themen sind bis auf das der Kreuzigung verschieden, der
Formschneider war wohl ein anderer, und schließlich lag das Erlebnis Italiens dazwischen.
Dürer, der sich von Werk zu Werk entwickelte, mußte jetzt neu verwandelt erscheinen.
Im Landschaftlichen hat sich der Niimberger stets aus Eigenem fortgebildet, wie uns die
vor, während xmd nach der Reise nach dem Siiden geschaffenen Aquarelle, die gerade aus
den Jahren 1494/95 in befriedigender Fiille erhalten sind, lehren142. Man wird manche
Einzelheit der Albertina Passion in den drei großen Blättem von der Wanderschaft und im
Baseler Komplex nachweisen können. Aber die Vergleiche von Einzelheiten sind häufig
von fragwiirdigem Wert. Wie verhalten sich die Kreuzigungen von 1493 und der Albertina
Passion, zwei Jahre später, zu einander? Das ist die wichtigere Frage (Taf. 55, 57).
Die Straßburger ist nicht nur infolge des sorgsameren, gesdiickteren Schnittes sehr vieler
Teile die abgeklärtere Fassung, sie ist im Ganzen harmonischer. Aber man wird auch be-
haupten dürfen, daß die andere mehr das Gepräge der signierten Diirerarbeiten hat.
Der gestraffte Leib Christi, schräg ins Bild gestellt, der vollere Klang im Flattem des
Schamtuchs, die bedeutende Figur der Magdalena, vor allem die Grappe des Reiters mit
141 Dürer gebraucht sie viel weniger häufig als sein Lehrer Wolgemut. Auch in den vier größten un-
signierten Holzschnitten ließ er sich nur zögemd darauf ein, obgleich die Größe der Blätter geradezu
nötigte, sich ihrer zu bedienen. In der Kreuzigung sind sie gegeniiber der Albertina Passion nicht ver-
mehrt, im Sebastian hat er ganz darauf verzichtet. In der Beweinung und im Christophorus treten sie hin-
gegen häufig auf. Sie sind sodann eines der wirksamsten Mittel in den signierten Einblattholzschnitten.
142 Ich habe Anlaß, mich selbst zu verbessem. Einen Teil der Aquarelle Diirers von der Hinreise nach
Venedig im Herbst 1494 habe ich als von italienischen Vorbildem abhängig in das Fmhjahr 1495 versetzt
(Jahrb. d. preuß. Kunstsamml. 1929 S. 132/3, Dürers Zeichnungen I Nr. 95 ff.). Nach Rusconis Forschun-
gen (Graph. Künste N. F. Bd. 1, 1936, S. 121) miissen die allermeisten schon im Herbst 1494 vor Venedig
entstanden sein. Sicher ist nur die Ansicht von Arco (Paris) aus der Zeit der Rückfahrt, da sie die Bäume
im Friihjahrsschmudc zeigt.
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bestimmten Zweck verfolgte, z. B. beim Pausen der beiden Mantegnastiche, deren Linien-
führung er freilich radikal änderte; in der Regel wandelte er seine Vorlagen sehr frei und
kiihn ab. Auch die Domenkrönung ist straffer und iibersichtlicher als die Vorlage kom-
poniert. Aber die Schnittausfiihrung ließ hier wie iiberall zu wiinschen, bei der Maria der
Kreuzigung ist sie gänzlich mißraten. Diirer verlangte von dem Niimberger Formschneider
zu viel auf einmal. So wandte er seit Hieronymus und Gerson zum erstenmal öfters Kreuz-
lagen an, die sich nirgends in den Baseler Buchbildem finden141.
Wir wollen den Abstand zwischen der Baseler und der Niirnberger Grappe nicht durch
Analogien beseitigen, die sich feststellen lassen und die auch sinnvolle Übergärige auf-
zeigen, z. B. in der Behandlung des Vorder- und Mittelgrundes, von Busch und Baum.
Nachdem wir beobachtet haben, wie verschieden jeder der drei großen Holzschnitte in
Basel und Straßburg ausgefallen war, werden wir nidit erwarten dürfen, daß die Albertina
Passion ihnen gleicht. Die Themen sind bis auf das der Kreuzigung verschieden, der
Formschneider war wohl ein anderer, und schließlich lag das Erlebnis Italiens dazwischen.
Dürer, der sich von Werk zu Werk entwickelte, mußte jetzt neu verwandelt erscheinen.
Im Landschaftlichen hat sich der Niimberger stets aus Eigenem fortgebildet, wie uns die
vor, während xmd nach der Reise nach dem Siiden geschaffenen Aquarelle, die gerade aus
den Jahren 1494/95 in befriedigender Fiille erhalten sind, lehren142. Man wird manche
Einzelheit der Albertina Passion in den drei großen Blättem von der Wanderschaft und im
Baseler Komplex nachweisen können. Aber die Vergleiche von Einzelheiten sind häufig
von fragwiirdigem Wert. Wie verhalten sich die Kreuzigungen von 1493 und der Albertina
Passion, zwei Jahre später, zu einander? Das ist die wichtigere Frage (Taf. 55, 57).
Die Straßburger ist nicht nur infolge des sorgsameren, gesdiickteren Schnittes sehr vieler
Teile die abgeklärtere Fassung, sie ist im Ganzen harmonischer. Aber man wird auch be-
haupten dürfen, daß die andere mehr das Gepräge der signierten Diirerarbeiten hat.
Der gestraffte Leib Christi, schräg ins Bild gestellt, der vollere Klang im Flattem des
Schamtuchs, die bedeutende Figur der Magdalena, vor allem die Grappe des Reiters mit
141 Dürer gebraucht sie viel weniger häufig als sein Lehrer Wolgemut. Auch in den vier größten un-
signierten Holzschnitten ließ er sich nur zögemd darauf ein, obgleich die Größe der Blätter geradezu
nötigte, sich ihrer zu bedienen. In der Kreuzigung sind sie gegeniiber der Albertina Passion nicht ver-
mehrt, im Sebastian hat er ganz darauf verzichtet. In der Beweinung und im Christophorus treten sie hin-
gegen häufig auf. Sie sind sodann eines der wirksamsten Mittel in den signierten Einblattholzschnitten.
142 Ich habe Anlaß, mich selbst zu verbessem. Einen Teil der Aquarelle Diirers von der Hinreise nach
Venedig im Herbst 1494 habe ich als von italienischen Vorbildem abhängig in das Fmhjahr 1495 versetzt
(Jahrb. d. preuß. Kunstsamml. 1929 S. 132/3, Dürers Zeichnungen I Nr. 95 ff.). Nach Rusconis Forschun-
gen (Graph. Künste N. F. Bd. 1, 1936, S. 121) miissen die allermeisten schon im Herbst 1494 vor Venedig
entstanden sein. Sicher ist nur die Ansicht von Arco (Paris) aus der Zeit der Rückfahrt, da sie die Bäume
im Friihjahrsschmudc zeigt.
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