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DER ANTEIL

DER REISSER, DES DICHTERS UND DER FORMSCHNEIDER

ach dem Urteil Friedrich Zarnckes, dessen bewundemswerte Textaus-
gabe des Narrenschiffs von 1854 nadi wie vor die Grundlage jeder
Studie über das Werk ist, war Brants Gedicht, diese „von mühseligstem
Fieiß, von zahllosen Nachtwachen zeugende Kompilation“, ein epoche-
machendes Buch, das wie kaum ein zweites Erzeugnis unserer Literatur
den Lauf durch alle gebildeten Nationen des Abendlandes vollendet hat.
Fast Jahr fiir Jahr erschienen Neuauflagen, nachdem die erste im Verlag des Bergmann von
Olpe in Basel zu Fastnacht (11. Febmar) 1494 herausgekommen war, zunächst in deutscher
Sprache, bald aber auch in lateinischer Ubersetzung. Zwei Nachdrucke mit Nachahmungen
sämtlicher Holzschnitte der Originalausgabe wurden erstaunlicherweise schon am 1.7.1494
in Nümberg (P. Wagner) und am 23. 8. 94 in Reutlingen (Michael Greyff) im Druck voll-
endet, andere folgten in den nächsten Jahren2. Das Narrenschiff war nicht der erste
große Bucherfolg innerhalb der illustrierten deutschen Drucke, aber es ist wohl der größte
gewesen. Mehrere Auflagen erzielten der Ulmer Aesop (um 1478) und die beiden be-
kannten Mainzer Drucke von 1484/5 und 1486 (hortus sanitatis, Breydenbachs Reise ins
gelobte Land mit Holzschnitten von Erhard Rewich). Das war Gmnd genug, daß die ganz
besonders reich illustrierten Biicher „Schatzbehalter“ und „Weltchronik“ des Niimberger
Koberger Verlags, die 1491 und 1493 erschienen, von Anfang an in hoher Auflage ge-
druckt wurden. Sie kommen im Handel noch immer vor. Wie bei allen diesen hat auch am
Erfolg des Narrenschiffs der Urheber der Bilder, der Entwerfer oder „Reißer“ der Holz-
schnitte, einen beträchtlichen Anteil.

Unter den vielen in Deutschland zwischen 1460 und 1494 erschienenen Biichern mit Holz-
schnitten ist das Narrensdhiff eines der ersten und zweifellos das wichtigste aller illustrierten
Druckwerke, dessen Bilder m e h r e r e deutlich erkennbare Reißer nebeneinander zeigen.
Der Schmuck der Bücher wurde in der Regel e i n e m Reißer anvertraut, Ausnahmen
sind selten. Sie erklären sich aus der Verwendung von Stöcken, die urspriinglich fiir andere
Biicher bestimmt waren, z. B. in der „Geistlichen Auslegung“ (Augsburg 1486), oder aus
dem allzu großen Umfang des Bilderschmucks (Basel, Speculum humanae salvationis 1476),
den ein einzelner Reißer in der vorgesehenen Zeit nicht bewältigen konnte. In einem
Falle sehen wir, wie ein Nachahmer des fiihrenden Meisters dessen Arbeit fortsetzt

2 Nadi dem Gesamtkatalog der Wiegendrucke. Meder (Dürer-Katalog 1932 S. 274) nennt nodi andere
Nachdrucke von 1494, doch dürften seine Angaben weniger verläßlich sein.

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