Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
rüdcsiditsloser Verfolgung seines Ziels, die Darstellungen mit dem züngelnden Linienwerk
seiner Federzeichnungen zu erfüllen134, reißt er die großen Bilder (Taf. 82/3). Wie er den
Formschneider zwingt, ihm zu folgen, wie er dem Realismus im Holzsdmitt den Weg
bahnt, ist oben gesdiildert worden (S. 48 ff.). Wir müssen seine positive Leistung, die man
kurz als die Ubertragung des stecherisdien Stils Sdiongauers in den Holzschnitt bezeichnen
kônnte — Wolgemut kannte seine Kupferstiche gut, wie hâufige Entlehnungen beweisen —,
jedoch durdi den Hinweis ergänzen, daß unser Meister unbekümmert kopierte. In seinem
Schaffen ist er robust großzügig, unternehmend, aber wenig wâhlerisch.

Zahlreiche Quellen sind ermittelt, eine der wichtigsten aber noch nicht, soviel ich sehe:
das Baseler Speculum von 1476 (Schramm XXI, 18-272). Die bekannten Bilder der Welt-
chronik mit der Erschaffung Evas, der Famihe Adams nach dem Sündenfall, Bileams Esel,
Noahs Opfer, dazu die dritte und vierte Figur des Schatzbehalters gehen auf den Baseler
Druck zurück.

Die Bedeutung, die der Bidpai (Buch der Beispiele der alten Weisen, Ulm 1483) für
Schatzbehalter und Weltdrronik hat, scheint auch noch nicht erkannt zu sein. Der Bidpai
ist gleichsam ein großes Bilderalbum, vom fruchtbarsten Reißer der Stadt135 gesdiaffen,
das zuerst selbständige Illustrationen im Ausmaß des Satzspiegels den Textseiten gegen-
über angeordnet zeigt136. Von hier geht der Weg über Wolgemuts Bilderbücher zu dem
großen Album, das Dürer mit der Apokalypse (und später mit Marienleben und Großer
Passion) auf den Markt bradite. Ofiienbar hat sich Wolgemut auch im Figurenstil durch
den Bidpai anregen lassen. Seine Illustrationen wirken wie realistisch umgesetzte, sehr
bereicherte Arbeiten des Bidpai-Stils137. Der Maßstab der Figuren ist hier wie dort erst-
malig in Bilderfolgen dem der Einblattholzschnitte stark angenâhert138.

134 Ygl. die Textabb. auf S. 54, 88.

135 E. Weil (Ulmer Holzscbnitt S. 58 ff.) hat sein Werk zusammengestellt und ihn Johann von Armsheim
getauft. Das ist der Name des ausdriicklich als Formschneider, nidit als Reißer beglaubigten Herstellers
des Ulmer Ptolemâus von 1482, der zudem nidit ganz sidier mit der Gruppe verknüpft werden kann,
wie Weils Gruppierung überhaupt einer kritischen Nachprüfung bedarf. Der anonyme Reißer des Bidpai
war auch Tafelmaler. Von ihm rühren die Flügel eines Altars her, die heute in den Museen von New
York, Philadelphia, Rottenburg versprengt sind (Winkler in Zeitschr. f. Kunstwiss. 1949).

136 Eine Faksimilepublikation des Bidpai ist von der Wiener Bibliophilen Gesellschaft (Rud. Payer von
Thum) 1925 herausgebracht worden.

137 Wolgemut hat sich zur IllustTation der Weltchronik Stoff von überall her angeeignet. Man sollte

einmal zusammenstellen, wo er nur Umzeidmungen âlterer Vorlagen geliefert hat. Ein charakteristisdies
Beispiel wird durch die Abbildungen der Tanzgruppen aus dem Heiligenleben von 1488 und aus der
Weltdironik veransdiaulidit (Taf. 80, 81). 138 Weil a. a. O. S. 7.

96
 
Annotationen