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schnitten, nicht iiber den unillustrierten Kapiteln. Sie sind etwas eingeriickt, doch sind
die Zeilen breiter als das Bild, so daß sie in der Ausdehnung zwischen dem Satzspiegel
und dem Bildspiegel vermitteln. Dieser ist iiberall auf Satzspiegelbreite gebradit, indem er
beiderseits durch reizende Ranken flankiert ist (Taf. 48). Die zierlich feste, reiche Gestaltung
jeder Seite64 macht das Werk zu einem der wenigen Liebhaberdrucke unter den Inkunabeln,
und es ist bei seiner großen Seltenheit leicht möglich, daß es eines der höchstbewerteten
illustrierten Biicher werden wiirde, falls es iiberhaupt einmal in einem guten Exemplar im
Handel vorkäme.

Die Sorgfalt und Liebe in der Gestaltung des Buches bewirken eine Einheitlichkeit der
Gesamterscheinung, die dem Narrenschiff abgeht, obwohl da die ziervolle Ausstattung
gesteigert ist. Vermutlich besitzen sie iiberhaupt wenige illustrierte Wiegendrucke, da erst
in Diirers und Burgkmairs Biichern die Muster kiinstlerischer Druckwerke, die wie aus
einem Guß wirken, geschaffen wurden.

Im Ritter vom Turn arbeiten Reißer wie Formschneider vorsichtiger als im Narrenschiff.
Die althergebrachte Technik mit Reihen von Parallelen, die als Schattenstriche an dert
Körperumrissen hängen wie die Zinken eines Kammes, wird noch ziemlich durchgängig
angewendet. Ein besonders lehrreiches Beispiel ist Adam und Eva, eines der schwächsten
Blätter, wo man derartige Strichlagen in gehäuften Beispielen sehen kann. Im Narren-
schiff ist die einförmige Modellierung der Gliedmaßen weitgehend durch verschieden
lange, meist kürzere Stridie ersetzt. Sie haften nicht mehr an der Umrißlinie, sondem an
einer zweiten, dicht daneben gefiihrten, ein Verfahren, das die plastischere Modellierung
der Gliedmaßen sehr begiinstigt.

Noch andere entschiedene Verbesserungen der Technik im Narrenschiff ließen sich auf-
zeigen, zum Lobe des Ritters vom Tum miissen aber noch einige unleugbare Eigenwerte
hervorgehoben werden. Da ist die liebevolle Ausmalung der Umgebung, sind vor allem
die vielen Innenräume zu nennen. Im Narrensdiiff kommen sie selten vor, und die land-
sdiaftliche Umgebung, so kiihn und neu eine Reihe von Hauptmotiven im Narrenschiff
ist, wird dort doch öfters rezeptmäßig hinzugefügt. Die Risse waren im Ritter vom Tum
stellenweise so subtil, daß die Ausführung an Kupferstiche erinnert. Sie wirkt dann etwas
gequält. Im Narrenschiff setzt der Reißer die Strichlagen durchweg sauberer von einander
ab, so daß sie sich besser schneiden lassen. Das hat aber den Nachteil, daß sich die Figuren
nicht von einander lösen, weil das Linienwerk ineinander ubergeht. So sind die Gruppen
im Ritter vom Tum trotz des mangelhaften Vortrages in sich klarer.

Das Buch des Ritters vom Tum ist im 14. Jahrhundert in Frankreich verfaßt worden, es

m Worringer, Altdeutsche Buchillustr. S. 90: „Eine Buchseite aus dem Ritter vom Tum ist von prächtig-
ster omamentaler Wirkung“.

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