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Die Risse waren darauf angelegt, dem Formsdmeider die Arbeit nach Kräften zu erleichtem.
Kiihne und verzwickte Bildanlagen, malerisch reiche Aspekte finden sidi nicht, die Linien-
führung ist von einer gleichmäßig dünnen und gläsemen Kraftlosigkeit und Helligkeit,
daß man die Absichten des oder der Reißer nicht erkennen kann. Wir miissen bei dem
Umfang der Aufgabe und den Ungleichheiten mit Aufzeichnem auf den Stock rechnen, die
sich mit dem führenden Reißer in die Aufgabe teilten. Roemer und Meder haben schon
auf leicht veränderte Wiederholungen von einzelnen Gestalten hingewiesen, die nicht die
Kraft und Frische der besten Risse zeigen. Von erheblicher Bedeutung ist diese Fest-
stellung fiir die Beurteilung der im Grande gleichförmigen Arbeit nicht. Auch Vater Homer
hat zuweilen geschlafen. Der W e r t des Terenz liegt in den zahllosen feinen Einzel-
zügen, mit denen der Reißer die Szenen verlebendigt. Hier sind wahrhaft erstaunliche
Beobachtungen mit reizender Prägnanz mitgeteilt, und es wäre zu wünschen, daß der
Reichtum des Guten einmal in vollem Umfange hervorgehoben wiirde. Was der Reißer
an Charakteristischem bei Menschen auf der Straße und in der Stube erhascht hat, ist viel
mehr, als die symmetrische Fiillung der Bilder mit Figuren auf den ersten Bhck ver-
muten läßt.

Nur in zwei Bildern, fur die vielleicht kein Exemplum zur Verfiigung stand, befriedigt
der Reißer unser Verlangen nach persönlicher, unabhängiger Gestaltung des ganzen Bildes.
Das Titelblatt mit dem schreibenden Dichter (Taf. 52) ist das Kleinod der Folge. Wahr-
scheinlich hätte der Formschneider die feine Knittemng des Gewandes mit den zarten
Schraffuren in den Faltengraben, das reizende Kränzchen aus ein paar Ruten im Haar —
ein Schongauermotiv — und die tief sich dehnende Landschaft nicht bewältigt. Nach
diesem Bild, nicht nach den mehr oder weniger hiibschen, sauber gezeichneten Komödien-
bildem muß man den Reißer beurteilen. Sind es bei diesem die stark schongauerischen
Züge, die ins Auge fallen, so enthielt das sogen. „Theater“ (Taf. 49), die Eröffnung des
Spiels mit den Schauspielem vor dem Kaiser, die nur in Abziigen einer verschollenen, im
Schnitt verungliickten Platte bekannt ist, frappant lebenswahre, stark und interessant
bewegte Gauklerfiguren, welche diejenigen des Narrenschiffs vorwegnehmen. Die Uberein-
stimmung kann man sich kaum augenfälliger wünschen.

Die Terenzbilder sind sorgfältige Reinzeichnungen, denen Einzelstudien und Gesamtskizzen
vorangingen. Wir machen uns kaum noch ein zutreffendes Bild von der komplizierten Ent-
stehung einer Folge wie dieser. Unter allen Umständen war die Illustration des Terenz
eine undankbare Aufgabe, da sie nur durch Mimik und Gebärden wirken konnte.

Hier zeugt im Grunde alles vom Geist des Hauptmeisters (Diirer), zugleich aber auch von
der Fesselung seiner Phantasie an eine wenig Bewegrmgsfreiheit verstattende Uber-
lieferung.

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