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unbewußten Zielsidierheit, die nur dem mit Genie begabten starken Instinkt eines editen
Künstlers eignen. Das sind nicht Lehrer und Sdiüler, die einander ergänzen, sondem es
ist die staunenswerte Tat eines wunderbar begabten, frühreifen Genies, das als Anfänger
leistete, was andere als Männer selten genug vollbracht haben.

Der Weg, den Dürer vom Baseler Hieronymus 1492 an als Reißer gegangen ist, liegt, wenn
wir die behandelten Denkmäler als seine Werke auffassen, klar vor uns. Er ist durch den
entschiedenen Realismus und den herben, männhchen Emst Dürers gekennzeichnet. Italien,
insbesondere Mantegna, nährte des Künstlers elementare Fähigkeiten, indem hier klar und
entschlossen, mit einem von der Einfachheit und Größe antiker Skulpturen befeuerten
Pathos, dasselbe Problem angegangen wurde. Die hohe Schönheit, die Rhetorik der Linien-
sprache, die Dürer schon in Schongauers wunderfeinen Arbeiten gelemt hatte, übten gewiß
einen großen Zauber auf ihn aus. In früheren Jahren hatte er Schongauers Ideal über-
wunden, noch schneller fast hatte er die Elemente verarbeitet, die ihm aus Italien zuflossen,
mochte er noch oft Einzelheiten übemehmen. War ihm doch ein ähnlich kühner, groß-
gesinnter Geist gegeben, der nur darauf wartete, ermutigt zu werden.

Das Grundelement seiner Kunstübung ist die meisterhaft beherrschte, vielseitig angewen-
dete Linie, die er zur Schönschrift ausbildet, ohne doch in diesem Ziele aufzugehen. Sein
Wirklichkeitssinn bestimmt ihre Gestalt endgültig. In diesem Stadium eines realistischen
Pathos eröffnet sich Dürer seine weltgeschichtliche Laufbahn.

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