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Wischermann, Heinfried; Wischermann, Heinfried [Editor]
Berichte und Forschungen zur Kunstgeschichte (Band 3): Fonthill Abbey: Studien zur profanen Neugotik Englands im 18. Jh. — Freiburg i. Br.: Selbstverl., 1979

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https://doi.org/10.11588/diglit.57206#0235
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und für Forderungen und Hoffnungen eines Einzelnen im
Hinblick auf die Gemeinschaft. Solange Fonthill Abbey
nicht als Symbol erkannt war, war eine Interpretation,
die die Eigentümlichkeiten des Werkes erklärte und dem
Auftraggeber gerecht wurde, unmöglich.
Profanbauten (Wohnhäuser), um die es in diesem Kapitel
allein geht, werden nur dann zum Symbol erhoben, wenn
neben den realen Zweck ein zumindest gleichgewichtiger
emotionaler Zweck tritt. Im hier beschriebenen Fall
wird sogar der primäre Zweck eines Landsitzes (reprä-
sentative Wohnung zu geben) zur Nebensächlichkeit ver-
drängt .
Jedem Symbol lassen sich bestimmte - positive oder
negative - Assoziationsfelder zuordnen. Sieht ein gläu-
biger Christ ein Kloster, wird er Positives assoziieren:
Ort der zurückgezogenen Arbeit im Dienste Gottes und der
Mitmenschen. Sah aber ein Zeitgenosse Beckfords, der den
Roman von Lewis gelesen und den Skandal des Frühjahrs
1796 verfolgt hatte, Fonthill Abbey, dann mußte er Nega-
tives assoziieren: Haus der Unzucht und des Verbrechens.
Vermochte der Betrachter eines Standeszeichens wie
Fonthill Splendens ohne Kommentar zu erkennen, was der
ältere William Beckford zu sagen wünschte, so mußte das
Werk seines Sohnes als Symbol zum Sprechen gebracht wer-
den.
Fonthill Abbey war als ephemere Architektur Bild eines
aggressiven, ironischen Bekenntnisses und einer wagemutigen
Forderung, die zusammen geeignet waren, starke Emotionen
bei den Zeitgenossen zu wecken. Daß das 'Kloster' auch
als Kunstwerk kräftige Reaktionen auszulösen vermochte,
ist hier nebensächlich. Über die Gefühle, die Fonthill
Abbey auslöste, sind wir nur unzureichend unterrichtet.
Sie mögen von mitfühlendem Verstehen für das Selbstbekennt-
nis, von Zustimmung und geheimer Unterstützung für die For-
derung nach sexueller Autonomie bis zu offener Ablehnung
und der Äußerung von Abscheu gegangen sein.
 
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