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I. Das Mausoleum von Halikarnaß in der Überlieferung der
antiken Literatur
Der Grabbau des Satrapen Maussollos von Halikarnassos, er-
richtet um die Mitte des vierten vorchristlichen Jahrhunderts,
hat vermutlich mehr als eintausendundfünfhundert Jahre Be-
stand gehabt. Die staunende Mit- und Nachwelt rechnete den
Prachtbau zu den Sieben Weltwundern der Antike. Die Berühmt-
heit dieses Baudenkmales führte dazu, daß der Eigenname "das
Maussolleion" in seiner latinisierten Form als "Mausoleum"
zum Gattungsnamen für Grabbauten überhaupt wurde, ähnlich
wie es dem berühmten Leuchtturm, dem Pharos von Alexandreia,
französisch le phare, erging.
Aber nicht anders als die übrigen Weltwunder der Antike,
die ägyptischen Pyramiden ausgenommen, ist das Maussolleion
zerstört worden und untergegangen. Es kam eine Zeit, in der
man eine sichere Kenntnis, wie der Bau in Wirklichkeit aus-
gesehen habe, nicht mehr besaß; selbst die genaue Lage seines
ursprünglichen Standortes war vergessen worden und unbekannt.
So beschränkte sich .jahrhundertelang bis zum Beginn der archä-
ologischen Untersuchungen um die Mitte des 19. Jahrhunderts
die Kenntnis von diesem Weltwunder auf das, was die Literatur
des Altertums davon überliefert hatte, - "durch der Jahrhunderte
Lauf trägt sich das redende Blatt". Da während dieser Zeit
die Mausoleen in England entstanden, von denen in dieser Ar-
beit die Rede sein wird, sollen im .folgenden die antiken
Schriftquellen untersucht werden, denn nur von deren tatsäch-
lichen Angaben konnten künstlerische Wiederherstellungen, nicht
anders als wissenschaftliche Rekonstruktionen, ausgehen.
Daß wir inzwischen von dem historischen Maussolleion durch
die Tätigkeit englischer und seit 1966 dänischer Klassischer
Archäologen eine Kenntnis besitzen, die erheblich über die
literarisch vermittelte hinausgeht, soll in diesem Zusammen-
hang außer Betracht bleiben. Nur soviel sei erwähnt, daß
Schriftquellen den Ausgräber auf wichtige Spuren führen und
daß rückwirkend Fundstücke und Fundumstände helfen können, un-
klare oder widersprüchliche Textstellen aufzuklären.
Es soll also untersucht werden, welche Kenntnis von dem
Aussehen des Maussolleions in Halikarnassos die antike Lite-
ratur vermitteln konnte.
I.
Die hauptsächlichen literadschen Quellen, nach der Lebens-
zeit ihrer Verfasser zeitlich geordnet, lauten in deutscher
Übersetzung:
I. Das Mausoleum von Halikarnaß in der Überlieferung der
antiken Literatur
Der Grabbau des Satrapen Maussollos von Halikarnassos, er-
richtet um die Mitte des vierten vorchristlichen Jahrhunderts,
hat vermutlich mehr als eintausendundfünfhundert Jahre Be-
stand gehabt. Die staunende Mit- und Nachwelt rechnete den
Prachtbau zu den Sieben Weltwundern der Antike. Die Berühmt-
heit dieses Baudenkmales führte dazu, daß der Eigenname "das
Maussolleion" in seiner latinisierten Form als "Mausoleum"
zum Gattungsnamen für Grabbauten überhaupt wurde, ähnlich
wie es dem berühmten Leuchtturm, dem Pharos von Alexandreia,
französisch le phare, erging.
Aber nicht anders als die übrigen Weltwunder der Antike,
die ägyptischen Pyramiden ausgenommen, ist das Maussolleion
zerstört worden und untergegangen. Es kam eine Zeit, in der
man eine sichere Kenntnis, wie der Bau in Wirklichkeit aus-
gesehen habe, nicht mehr besaß; selbst die genaue Lage seines
ursprünglichen Standortes war vergessen worden und unbekannt.
So beschränkte sich .jahrhundertelang bis zum Beginn der archä-
ologischen Untersuchungen um die Mitte des 19. Jahrhunderts
die Kenntnis von diesem Weltwunder auf das, was die Literatur
des Altertums davon überliefert hatte, - "durch der Jahrhunderte
Lauf trägt sich das redende Blatt". Da während dieser Zeit
die Mausoleen in England entstanden, von denen in dieser Ar-
beit die Rede sein wird, sollen im .folgenden die antiken
Schriftquellen untersucht werden, denn nur von deren tatsäch-
lichen Angaben konnten künstlerische Wiederherstellungen, nicht
anders als wissenschaftliche Rekonstruktionen, ausgehen.
Daß wir inzwischen von dem historischen Maussolleion durch
die Tätigkeit englischer und seit 1966 dänischer Klassischer
Archäologen eine Kenntnis besitzen, die erheblich über die
literarisch vermittelte hinausgeht, soll in diesem Zusammen-
hang außer Betracht bleiben. Nur soviel sei erwähnt, daß
Schriftquellen den Ausgräber auf wichtige Spuren führen und
daß rückwirkend Fundstücke und Fundumstände helfen können, un-
klare oder widersprüchliche Textstellen aufzuklären.
Es soll also untersucht werden, welche Kenntnis von dem
Aussehen des Maussolleions in Halikarnassos die antike Lite-
ratur vermitteln konnte.
I.
Die hauptsächlichen literadschen Quellen, nach der Lebens-
zeit ihrer Verfasser zeitlich geordnet, lauten in deutscher
Übersetzung: