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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 4.1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.3531#0492
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488

BESPRECHUNGEN.

Karl Möbius, Ästhetik der Tierwelt. Jena 1908, Verlag von Gustav Fischer.
4°, 128 S. mit 3 Tafeln und 195 Abbildungen im Text.
Dies Buch war die letzte Arbeit des greisen Zoologen und entsprang aus der
Lieblingsbeschäftigung seines Alters. Es erörtert die Gesetze, von denen die Wohl-
gefälligkeit oder Mißfälligkeit der Tiergestalt bestimmt wird. Kurz und wenig be-
langreich sind die allgemeinen Bemerkungen, die über die Eigenschaften des Schönen
vorausgeschickt werden. Gegenstand der ästhetischen Betrachtung ist hiernach »Ge-
setzmäßiges in eigentümlicher, individueller Erscheinungsweise«. Diese Gesetzmäßig-
keit nun, die in der Freiheit der Individualität auftritt, wird für den Genuß bereichert
durch das vielfach abgeänderte Einfühlen unserer eigenen Lebensgefühle in tausend-
fältig verschiedene Tierformen. »In die Tiere, die uns ästhetisch fesseln, versetzen
wir unsere eigenen Gefühle des Rühens und Bewegens, unsere Empfindungen des
Druckes fester und weicher Stoffe, des Glatten und Rauhen, des Nassen und Trocknen,
des Warmen und Kalten, des Hellen, Dunklen und der Farben; aber wir stellen
uns diese Empfindungen und die daraus entspringenden Gefühle und seelischen
Zustände in den Tieren ihrer Organisation gemäß abgeändert und auch abgeschwächt
vor.« Ich brauche den Lesern dieser Zeitschrift nicht mehr zu sagen, daß und
weshalb mir diese Behauptung unvereinbar scheint mit dem in der seelischen Er-
fahrung tatsächlich Gegebenen.
Der Hauptteil des Buches bezieht sich auf die Formen, Farben und Bewegungen
der Tiere. Ihre Zweckmäßigkeit allein genügt nicht, um ästhetisches Gefallen zu
wecken. Vielmehr kommt es zunächst auf eine gleichmäßige Gliederung der Form
an; und zwar ist diese entweder strahlig (nach allen Richtungen) oder symmetrisch
(nach rechts und links), weil bei diesen beiden Gestaltungen die gegenüberstehenden
Glieder sich das Gleichgewicht halten. Die Farben stehen in der Wirkung zurück,
ebenso die Bewegungen, bei denen übrigens entscheidend sein soll die Überwindung
des Niederzuges der Schwere durch eigene Kräfte. Daneben hat Möbius noch eine
Anzahl der dem Ästhetiker vertrauten allgemeinen Gesetzmäßigkeiten bestätigt ge-
funden.
Im wesentlichen ist das Buch wohl für Zoologen und Tierfreunde bestimmt.
Doch besitzt es auch für uns einen beträchtlichen Wert. Was früher die Lehrbücher
der Ästhetik in umfangreichen Darstellungen des Naturschönen boten, das ist von
Möbius auf den heutigen Stand des Wissens gebracht worden; sein Werk wird also,
namentlich im Zusammenhang mit Häckels »Kunstformen der Natur«, den Ästhe-
tikern gute Dienste leisten.
Berlin. Max Dessoir.
 
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