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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 13.1919

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Schmarsow, August: Kunstwissenschaft und Kunstphilosophie mit gemeinsamen Grundbegriffen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.3622#0231
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226 AUGUST SCHMARSOW.

weise und von »isolierender« Tendenz in der Aufreihung zu sprechen.
Wir brauchen danach kaum mehr dies Verfahren in die Malerei weiter-
zuverfolgen, um die Auffassung der Körperbildnerin als bestimmend
auch für diese Schwesterkunst, in den Figuren des Vasenbildes etwa,
darzutun, denn wir halten schon ohnehin für die Plastik selbst einen
ersten Grundbegriff in der Hand, der sich sofort als der Kunst-
wissenschaft und der Kulturphilosophie gemeinsam heraus-
stellt, sowie wir ihn nur beim richtigen Namen nennen: das Indivi-
duum. Mit diesem einen Wort vollziehen wir den gewollten Zu-
sammenschluß beider Gebiete.

Plastik.

Einen Einzelkörper als für sich bestehenden, von allem übrigen
unabhängigen, nun eben nicht mehr unter dem durchgehenden Archi-
trav und dem »säulengetragenen herrlichen Dach« gebundenen, für
sich allein hinzustellen, ist ja die Aufgabe der statuarischen Kunst.
Das menschliche »Individuum« aus dem Strom des Werdens und
Geschehens herauszuheben, in voller Selbständigkeit und Geschlossen-
heit zu verewigen, ist das Anliegen der Plastik, solange sie ihrem
eigenen Wesen getreu und dem höchsten Anspruch an ihr reines
Wollen gewachsen bleibt. Das isolierte Standbild ist das Urbild der
»Wertindividualität«, die wir sogleich im Sinne von Emil Lask
im Anschluß an Fichtes Denkarbeit für die Geschichtsphilosophie
verstehen wollen1). Der Wert des Daseins selber ist es, wie
wir uns schon zu Anfang gesagt haben, den die Plastik in dauer-
haftem Material, zu möglichst unveränderlicher Beharrung verkörpert
und in den allgemeinen Raum setzt, damit er auf dem Schauplatz,
der die Welt bedeutet, aus eigener Kraft sich selber behaupte. Die
Gestalt des Menschen allein, auf ausgeschnittener Platte und erhöhtem
Sockel, über das Gewoge der Lebenden emporgerückt, als feste voll-
gerundete Form, versinnlicht diesen ursprünglichsten aller Werte, der
dem Menschen im Besitz seines eigenen Leibes, als eines Körpers
im Räume, aufgeht. Aber als Menschenbild erst, nicht als Säule schon,
führt die »Bildsäule« diesen Wertinhalt voll zu Sinnen und zu Ge-
müte. Indessen, es ist uns allen geläufig und bewußt, zumal soweit
wir jemals mit dem klassischen Altertum, ja nur mit primitiver Kunst
überhaupt verkehrt haben, daß auch das aufgerichtete Mal schon, als
reiner Körperwert, die Bedeutung des unverrückbaren Bestandes ver-
mitteln mag und an seinem Ort irgend einen Mittelpunkt mannig-

') Fichtes Idealismus und die Geschichte. Tübingen 1902, Neudruck 1914,
S. 11 ff.
 
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