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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 13.1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.3622#0329
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324 BESPRECHUNGEN.

herauszuarbeiten sich genötigt sieht, so daß er zeitweise Alberti darüber fast ganz
aus den Augen verliert. Statt bestimmter Bezugnahme auf die besonderen Begriffe,
wie man in solchem Falle erwarten sollte, finden wir bej diesem nur allgemeine
Berufungen auf Plato. Viel stärker aber als die Platonische Vorstellung von dem
Schöpfer tritt bei ihm der Begriff der schaffenden Natur hervor. Er verdankt ihn
offenbar Plotin, in dessen System seine Qrundanschauungen mir überhaupt viel
unmittelbarer zu wurzeln scheinen. Plotin hat die Vorstellung von der gestaltenden
(göttlichen) Vernunft, die sich als Idee der Materie mitteilt. Die Natur ist ihm
»Erzeugnis einer früheren, mit umfassenderem Vermögen« (als diejenige des Künst-
lers, haben wir doch wohl zu verstehen) »begabten Seele und in sich selbst ruhevoll
das Schauen besitzend«. Dem individuellen Geist des Künstlers aber bildet nach
Plotin, um Flemmings eigene Worte zu gebrauchen, die Vernunft in ihrer Spezifi-
kation als Kunst die Idee des Werkes ein. Daß es sich auch bei Plotin nur um eine
»Personifikation zur Verdeutlichung der abstrakten Idee (der Gesetzlichkeit) handelt«,
— wie der Verfasser behauptet, der seine Lehre möglichst im Sinne Piatos zu deuten
sucht, — vermag ich nicht einzusehen. Und Alberti kann es vollends nur im meta-
physischen Sinne verstanden haben. Alles das entspricht aber seiner Auffassung, wie
auch, daß »die Seele die Schönheit durch ein besonders dazu bestimmtes Vermögen«
erkennt. Dagegen ist nirgends bei ihm klar ausgesprochen, daß er (im Gegensatz
zu Plotins mystischer Weltanschauung) die Überlegenheit der unbewußt schaf-
fenden Natur über den schöpferischen Geist des Künstlers nicht anerkennt, so sehr
er auch »als Renaissancemensch« die Autonomie desselben betont. Wenn Flemming
selbst feststellt, daß Plotin schon den Begriff der überindividuellen Vernunft (ratio)
herausgearbeitet hatte, aus dem Alberti seine Regeln schöpft und die künstlerische (be-
ziehungsweise ästhetische) Urteilskraft ableitet, — so geht daraus doch noch keines-
wegs hervor, daß in ihr als Bewußtseinsrichtung nichts anderes als eine Besonderung
der transzendentalen Einheit des Bewußtseins oder gar eine objektive Gesetzlich-
keit zu erkennen sei. Weder Plotin, geschweige denn Alberti braucht das Denken
im Sinne des kritischen Idealismus als Sein gesetzt zu haben. Diesen als Idealisten,
jenen als Spiritualisten zu bezeichnen, heißt einen Gegensatz schaffen, der in solcher
Schärfe nicht erkennbar ist, mag Alberti auch unter dem Einfluß Piatos manche
Gedanken Plotins abgestreift haben. Die starke Betonung der Harmonie in der
Welt führt ja der Verfasser selbst auf den letzteren zurück. Daß überhaupt für
Alberti der Weg zu Plato durch ihn hindurchgeht, verkennt er ebensowenig und
erblickt den eigentlichen Vermittler in Marsilio Ficino, dessen Piatonismus ganz
von neuplatonischer Auffassung beherrscht wird. In der platonischen Akademie
der Medici muß er sich mit seiner Lehre vertraut gemacht haben, wie Flemming
aus einer Anspielung auf eine Stelle der damals noch ungedruckten Schriften Plotins
erschließt.

In der abschließenden Würdigung von Albertis Bedeutung, die den vierten und
letzten Teil der Arbeit bildet und seine Stellung innerhalb der gesamten Philosophie
der Zeit zuerst berücksichtigt, wird denn auch anerkannt, daß er den neuplato-
nischen Begriff von der schöpferischen Natur mit dem teleologischen des Aristo-
teles, dessen Gedanken er im allgemeinen ablehnend gegenübersteht, zu verbinden
weiß. Wie er mit dem gesamten Gedankenleben seiner Zeit auch sonst in innigster
Fühlung steht, wird besonders in der starken Betonung der auctoritas klar, — eines
die Lebensstimmung des ganzen Florentiner Gelehrtenkreises beherrschenden Be-
griffs. Albertis stärkste Nachwirkung läßt sich in Michelangelos Piatonismus und
Auffassung der Architektur sowie der Bildhauerkunst bis in seine Marmortechnik
hinein und bei Lionardo feststellen, der seine grundlegenden Gedanken fast un-
 
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