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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 13.1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.3622#0330
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BESPRECHUNGEN. 325

verändert aufnimmt und seine Theorie der Malerei nur ausbaut und fortbildet.
Pflanzen sich zum Teil durch ihn gewisse Erkenntnisse auch bei anderen Theo-
retikern, wie Dolce, fort, so bleibt sie doch bei der Masse, zumal der Architekten,
einen Palladio nicht ausgenommen, schwach. Nichtsdestoweniger schätzt Flemming
Albertis historische und systematische Bedeutung wegen der Entwicklungsfähigkeit
seines Systems außerordentlich hoch ein. Er erblickt ihren Wert vor allem in der
Methodik seines Denkens, die den Versuch, es als ein Ganzes, wie Alberti es nur
in seinem Kopfe trug, darzustellen, rechtfertige, wenn auch nicht ohne einige von
ihm selbst nur dunkel geahnte Ergänzungen. Dadurch gerade beanspruche es noch
heute grundlegende und lebendige Bedeutung für den Ausbau der kritischen Philo-
sophie. Als Begründer der transzendentalen Ästhetik werden wir ihn freilich
schwerlich anerkennen, da der Beweis mir nicht gelungen scheint, daß er den
»wahren Sinn der Platonischen Ideen« wie diese (d. h. im Sinne Natorps) aufgefaßt
hat und die Gesetzlichkeit der Kunsttätigkeit als besonderer Bewußtseinsrichtung auf
sie begründet. Allein auch vom Standpunkt der psychologischen Ästhetik darf er
fraglos als der erste moderne Kunstphilosoph angesprochen werden. Dem Verfasser
und seiner kritischen Methode aber bleibt das unzweifelhafte Verdienst, nicht nur
die Erklärung seiner Begriffsbildung außerordentlich gefördert, sondern auch den
straffen Zusammenhang seines ästhetischen und kunstwissenschaftlichen Denkens
im wesentlichen überzeugend nachgewiesen zu haben, so daß wir Alberti mit vollem
Recht als Vorläufer der Kunstwissenschaft ansehen dürfen, der als Erster die Er-
forschung der Kunst als eigenartiger Leistung des schöpferischen Menschengeistes
in Angriff genommen hat.

Berlin. ___________ O. Wulff.

Fritz Medicus, Grundfragen der Ästhetik. Verlegt bei Eugen Diederichs
in Jena 1917. 8°, IV und 220 S.
»Die Form der Philosophie ist die Form des Begriffs« bekennt Medicus im
ersten Abschnitt seines Buches; und daß »Ästhetik« zur Philosophie wesenhaft ge-
hört, steht für ihn über jedem Zweifel. Aber er kehrt sich nicht um seine eigene
Bestimmung: die ganze Darstellung ist poetisch durchtränkt, von Gefühlen durch-
webt und voll von Ahnungen und nur selten kristallisiert zum logisch reinen Gefüge
begrifflichen Denkens. Manche werden wohl die bilderreiche Schreibweise an-
genehm empfinden, in der die Bewegung des Sinnens und Erwägens lebt. Und
die Art, Sachverhalte nimmermüde von verschiedenen Seiten zu bespiegeln, spricht
gewiß für die eindringliche Arbeit dieses Mühens. Aber wissenschaftlich betrachtet
leidet das Buch an erheblichen Mängeln: es ist schillernde Skizze; jedoch nicht
eine Skizze mit wenigen scharfen, entscheidenden Linien, sondern alles Wesentliche
bleibt noch mehr oder minder verschwommen in einer flauen Weichheit, in Gefahr,
zu zerfließen. Das Buch redet gut und klug, aber es ist zu redselig, ohne Knochen-
gerüst. Vieles dämmert auf, und manchmal zerreißt ein Lichtschein die Nebel, aber
er verglimmt bald wieder. Es fehlt der ruhig gleichmäßige Schritt einer wissenschaft-
lich exakten Untersuchung, die ihre Fragen genau kennt, die Wegrichtung und un-
beirrbar, Schwierigkeiten überwindend, den Lösungen entgegengeht. Wir werden
auch nicht entschädigt etwa durch die geradezu großartige Fülle und Weite, wie sie ein
Simmel aus jeder Frage herausholt, Tiefen aufdeckend, die vorher unbeachtet blieben.
Hier erhöht sich Geistreichelei zu einem überreichen Geist, der sich verschwenderisch
auslebt an der Hand von Tatsachen, ihnen immer neue Bedeutungen abpressend. Überall
erheben sich Aufgaben, die in die Zukunft weisen; die Unklarheiten bleiben echte
Probleme. Bei Medicus ist das meist anders: eine Umsetzung seiner umständlichen
 
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