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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 13.1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.3622#0409
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404 BESPRECHUNGEN.

stärker hervortritt. Gleichzeitig wächst damit auch die Furchtbarkeit der Vernich-
tung. Ein besonders wichtiger Fall ist der, daß der Untergang in der wertvollen
Natur selbst angelegt ist. Das ist beim Handeln der Fall. Jedes Handeln als be-
wußtes, gewolltes Verursachen eines Erfolges, will die Zukunft bestimmen, ohne
doch alle ihre Bedingungen zu kennen — daher der Erfolg dem Willen nie ganz
gehorcht; es will die Zukunft in eine Richtung lenken, wobei es notwendig das
Recht, anderer Richtungen verletzt. Dieser in allem Handeln angelegte Konflikt
tritt im tragischen Handeln nur deutlich zutage. Es werden dann je nach der Be-
wußtseinshöhe der Handelnden vier Stufen in dieser Dialektik unterschieden und
es wird gezeigt, daß auch der Nichthandelnde der Dialektik des Handelns unter-
liegt; damit wird die Tragik des Nichthandeins (z. B. Grillparzer, Bruderzwist in
Habsburg) als Spezialfall der Tragik des Handelns untergeordnet.

3. Albert Köster, Von der critischen Dichtkunst zur Hamburgischen
Dramaturgie. (Ein Kapitel aus größerem Zusammenhang.) Die Entwicklung des
deutschen Dramas und der deutschen Schauspielkunst von 1727—1767 wird erzählt.
Man erfreut sich daran, wie ein breiter, der Höhepunkte entbehrender Stoff zugleich
klar gegliedert und aus seiner Zeit heraus wiederbelebt wird. Wenn man eine
Zeit lang in diesen Niederungen verweilt hat, ist man erst imstande, Lessings Größe
ganz gerecht zu werden; eine solche Vorbereitung ist, so scheint mir, die eigent-
liche Absicht dieser Darstellung. Da die Arbeit literargeschichtlich, nicht ästhetisch
ist, genüge dieser kurze Hinweis.

4. Georg Witkowski, Das Tragische als Grundgesetz des Lebens
und der Kunst im Anschluß an Hebbels Denken und Dichtung.
Hebbels Lehre von der Urschuld, von der notwendigen Verbindung zwischen Indivi-
dualität, Schuld und Leiden wird als unserer inneren Lage im Weltkrieg entsprechend
empfunden, die Vertiefung in seine Werke erscheint angemessen und heilsam. Der
Aufsatz will wesentlich zu solcher Vertiefung anregen, Neues über Hebbel sagt
Verfasser nicht. Allzusehr werden die Ansichten des Dichters Hegel angenähert.
Daß der Mensch, weil er Mensch ist, Frevler ist, dürfte in dieser Zuspitzung nicht
Hegels Überzeugungen entsprechen; ebenso gehört die Lehre vom intelligibeln
Charakter als dem Sitz der Freiheit nicht Hegel, sondern Kant und Schelling an.
Hegels Grundauffassung ist doch entschieden »optimistisch« — das Tragische ist
bei ihm aufgehobenes Moment in der Weltentwicklung. Ganz fehlt dieser Gedanke
gewiß auch bei Hebbel nicht, aber die Grundstimmung ist weit düsterer. Ein Satz
wie der von Witkowski S. 96 zitierte: »Die Welt ist Gottes Sündenfall« könnte bei
Hegel kaum stehen — für diesen Philosophen ist die Welt Gottes Entwicklung
zum Selbstbewußtsein.

5. Richard Falckenberg, Über den Stil unserer Philosophen. Feine,
absichtlich unsystematische Bemerkungen über die Schreibweise der deutschen Philo-
sophen, ihren Zusammenhang mit Denkart, Denkgebiet, Arbeitsweise. Man freut
sich, Hegels stilistische Größe anerkannt zu hören. Es hätte vielleicht hier wie
sonst sowohl zwischen den Seiten des Stils (Satzbau-Wortwahl-Bildlichkeit-Gesamt-
aufbau usf.) wie zwischen seinen Eigenschaften (Klarheit-Fülle-Prägnanz-Reichtum-
Eindringlichkeit-Harmonie usf.) genauer unterschieden werden können. Aber der
Verfasser wollte jeden Anschein des Systematisierens vermeiden.

6. Ernst Bergmann, Das Leben und die Wunder Johann Winckel-
manns. Winckelmanns Weltanschauung, sein Vermächtnis aus dem Ganzen seines
Wesens mitleben lassen, das ist Bergmanns Absicht. Er schreibt in einem spannungs-
reichen, oft dithyrambischen Stil, der deutlich herderisiert, wie denn auch Herder,
nicht Goethe, das tiefste Verständnis Winckelmanns zugeschrieben wird. Goethe
 
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