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Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft — 13.1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.3622#0416
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BESPRECHUNGEN. 41 \

Im zweiten Aufsatz »Über den Versbau in Goethes Iphigenie, Tasso und Natür-
licher Tochter« werden diese drei Schauspiele der Reihe nach auf die Länge ihrer
Verse, die Versausgänge, die Wortbetonung, die Satzbetonung, die Einmischung
abweichender Rhythmen, den Hiatus und die Wortverkürzung, die Länge der Satz-
gefüge, die Wortstellung, die Brechung des Satzes durch den Rhythmus und endlich
auf den Einschnitt hin untersucht.

Dabei ergibt sich (S. 135 ff.), »was die Länge der Verse betrifft*, »eine fort-
schreitende Neigung des Dichters zur Gleichmäßigkeit«. »In der Häufung stumpfer
oder klingender Schlüsse tritt in keinem Stücke eine Besonderheit hervor.« »In
bezug auf Wortbetonung scheint der Dichter mit der Zeit gleichgültiger zu
werden.« »Falsche Satzbetonung zu Beginn des Verses kommt in allen drei
Stücken ungefähr gleich häufig vor.« In bezug auf den abweichenden Rhythmus
herrscht »eine Entwicklung von bunter Freiheit zum strengsten Ebenmaß«.

Hiate, Wortverkürzungen, falsche Wortstellungen, zu lange Sätze und zu kühne
Satzbrechungen kommen in der Natürlichen Tochter am wenigsten vor, ebenso
Verse mit Einschnitten. Die Verse des Tasso »verbinden Kraft und Glätte, ohne
in jener die Iphigenie, in dieser die Natürliche Tochter zu erreichen« (S. 138).

Ganz besonders wertvoll ist für mich, daß bei dieser Bearbeitung der drei
Schauspiele auch der Unterschied von »tonlosen Endsilben« und solchen mit einem
»Nebenton« d. h. von unbetonten und schwachbetonten Silben besonders an den
Versausgängen berücksichtigt wird (s. S. 78, 103, 121, 137, 138). Da ist es nun
zunächst wichtig, sich klar zu machen, welche Silben Koch der einen und welche
der anderen Klasse zurechnet — ich bin da nämlich nicht ganz einer Meinung
mit ihm.

Daß in zweisilbigen Wörtern als schwachbetont sowohl Nachsilben wie
lieh, isch, ung, lung, nis, sal, schaff, ja selbst ig, wie, trotz des in der Tat noch
vorhandenen Unterschiedes, auch die eigentlich selbständigen Wörter wie -kehr,
-zug, -kunft, -tat, -schlag usf. (s. S. 78) aufzufassen sind, darin stimme ich ganz mit
ihm überein. Dann darf er aber (S 122) die zweile Silbe in König nicht plötzlich
als unbetont rechnen, ebenso wenig wie umgekehrt die Silbe net in »eignet« (S. 12)
als schwachbetont, wenn an anderer Stelle (S. 122) die Silbe et in »verschwindet«
ganz richtig für unbetont gilt. Doch das sind vielleicht nur Versehen.

Davon kann aber allerdings nicht mehr die Rede sein, wenn er — ganz regel-
mäßig — die Mittelform auf -end, um so mehr die auf -elnd, -ernd (S. 78, 104, 121),
ebenso aber auch Endungen wie -ern in Altern (S. 78), -ert in lauert (S. 104), ver-
weigert, niederschmettert, bejammert (S. 121), ja auch auf-est in empfindest (S. 121),
d. h. — im letzten Grunde wohl noch unter dem Einfluß der lateinischen »Stel-
lungslänge« — alle Wörter, in denen auf ein unbetontes e mehr als ein Geräusch-
laut folgt, zu der Gruppe »mit einem Nebenton« rechnet. Gewiß besteht zwischen
diesen SUben und den anderen, in denen auf das unbetonte e nur ein Geräusch-
laut folgt, noch ein Unterschied. Es fragt sich nur, ob dieser Unterschied größer
ist als der zwischen diesen Silben und den auf jeden Fall schwachbetonten, ob
man die fraglichen Silben nicht vielmehr doch — die Absicht der für eine künstle-
rische Verwendung zunächst nur in Frage kommenden Aufteilung aller Silben in
bloß drei Klassen vorausgesetzt — der Klasse der unbetonten Silben zurechnen sollte.

Ich möchte mich nämlich im Gegensatz zu Koch dafür einsetzen, daß zwei oder
mehr Geräuschlaute hinter einem unbetonten e diese Silbe zwar etwas slärker be-
tonen, sagen wir lieber, etwas länger sein lassen, aber doch noch nicht so ver-
ändern, daß wir sie in die Klasse der schwachbetonten Silben stellen müssen.

Wie groß der Unterschied dieser Silben von den eigentlich schwachbetonten
 
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